von Bert Klingsporn, Bianca Haag und Jonas Bailly
Ganze 42 Kilogramm sind bei Molly gepurzelt. Ein stolzes Fazit, das die 55-Jährige nach zwei Jahren Mitgliedschaft in der Optiwell-Community ziehen kann. Mit ihrer Erfolgsgeschichte belegt die Wohlfühl-Plaudertasche Rang zwei der abnehmwilligen Frauen in der Markengemeinschaft von Campina. Zauberzwirbe ist ihrer Fressnapf-Community ein ebenso treues Mitglied. Die Tierliebhaberin hat rund 33 000 Beiträge über das „Hundeleben“ ihrer Laika veröffentlicht. Sie ist mittlerweile so populär, dass Community-Freunde die Homepage ihres Schützlings ausgezeichnet haben.
Jedes Unternehmen wünscht sich markentreue Konsumenten wie Molly, Zauberzwirbe & Co. Aber welche Faktoren sind es, die über ökonomischen Erfolg und Misserfolg entscheiden? Dieser Frage sind die Strategieberater von Ogilvy Brains auf Basis einer empirischen Arbeit von Dr. Fabian v. Loewenfeld nachgegangen.
Drei Erfolgskomponenten für die Brand-Community
Demnach gibt es drei zentrale Erfolgskomponenten für die Kundenbindung über Brand-Communitys: die Beziehung zwischen Kunde und Marke, zwischen Kunde und Kunde sowie zwischen Kunde und Community. Bei der ersten Komponente, der Kunde-Marke-Beziehung, geht es um den persönlichen Dialog, das Erlebnis und das Identifikationspotenzial des einzelnen Kunden mit der Marke.
Die Kunde-Kunde-Beziehung beschreibt als zweite Komponente die gegenseitige Unterstützung der Community-Mitglieder – hier entstehen bisweilen sogar Freundschaften. Die dritte Komponente, die Kunde-Community-Beziehung, umfasst die Erfüllung der Bedürfnisse der Mitglieder durch die Community und den Einfluss der Mitglieder auf Inhalte.
Die empirische Forschung zeigt , dass die Kundenbindung und der ökonomische Erfolg umso stärker wachsen, je besser eine Brand-Community diese drei Erfolgskomponenten einbezieht. Dabei kommt es gerade auf die Ausgewogenheit aller drei Komponenten an, denn jede einzelne zahlt auf die Kundenbindung ein.
Neben diesen drei inhaltlichen Komponenten ist speziell für Communitys im Internet noch eine zusätzliche formale Komponente wichtig: die Zugänglichkeit. Damit sind die Vermarktung der Community und deren Nutzerfreundlichkeit gemeint. Markengemeinschaften, die den Kunden unbekannt sind oder im Netz nicht gefunden oder bedient werden können, sind ökonomisch sinnlos. Zumindest die passive Vermarktung ist immer Pflicht. Doch selbst einfache Formen wie beispielsweise die Einbindung in andere soziale Netzwerke fehlen bei einigen der untersuchten Communitys.
Beispiel für eine gelungene Umsetzung ist die Molkereiprodukte-Marke Optiwell von Campina. Tippt man beispielsweise die Suchwörter Optiwell und Community in Google ein, erhält man als erstes Ergebnis einen direkten Link zur Startseite der Markengemeinschaft. Auf der Markenhomepage selbst ist die Community auffällig in der Top-Navigation platziert. Und auch die Profile der Mitglieder sind öffentlich geschaltet.
Die Berater von Ogilvy Brains haben die vier genannten Erfolgskomponenten mit dem standardisierten Messinstrument „Online Brand Community Scan“ auf 120 Kriterien umgesetzt. Rund 40 Online-Brand-Communitys, vorwiegend aus den Branchen Automobil, Gesundheit, Handel, Konsumgüter und Unterhaltung, darunter „Tchibo Ideas“, „Meine Volkswagengeschichte“, der „Krombacher Club“, die „Cortal-Consors Community“ und die „Geo Community“, wurden analysiert.
Ziel ist eine ausgeglichene Besetzung aller Erfolgskomponenten
So zeigt branchenübergreifend die Reisecommunity des Reportagemagazins „Geo“ aus dem Verlagshaus Gruner & Jahr, wie man dem Ziel einer ausgeglichenen Besetzung aller Erfolgskomponenten nahekommt. Das gedruckte „Geo“-Magazin ist direkt mit der „Geo“-Community im Netz verbunden und in Teilen dort verfügbar.
Die Inhalte der Community sind fast ausschließlich nutzerinitiiert: Reisetipps, Reiseberichte und Bilder werden über das eigene Profil hochgeladen, in unterschiedlichen Kategorien veröffentlicht und können anschließend von allen registrierten Mitgliedern bewertet werden.
Daneben sind vor allem die Feedback-Kanäle und Möglichkeiten der Nutzer, öffentlich Kritik zu üben und damit zur Verbesserung der Community beizutragen, Merkmale für das gute Abschneiden.
Im Durchschnitt aller betrachteten Markengemeinschaften kann jedoch von einer ausgeglichenen Besetzung des Beziehungsdreiklangs Kunde-Marke, Kunde-Kunde und Kunde-Community keine Rede sein. Im direkten Vergleich schneidet dabei die Beziehung zwischen Kunde und Marke mit 49 Prozent des Kriterienkatalogs noch am besten ab. Community-Manager nutzen die entsprechenden Plattformen vor allem für den direkten Dialog über Texte, Videos, Bilder, Downloads oder Spiele.
Die Analyse der Kunde-Kunde-Beziehung als Erfolgskomponente erzielt über alle Communitys hinweg nur 39 von 100 Prozentpunkten.
Hier kommen bei den untersuchten Markengemeinschaften somit gerade die Funktionen zu kurz, die den Informationsaustausch und die gegenseitige Unterstützung unter den Mitgliedern fördern. Nachdem „Menschen wie du und ich“ mittlerweile zu einer der vertrauenswürdigsten Informationsquellen über Marken überhaupt avanciert sind, ist dies eine schwer verständliche funktionale Lücke.
Ebay und Fressnapf machen es vor
Ein positives Beispiel liefert die Ebay-Community. Hier gibt es einen gut sichtbar platzierten Bereich „Benutzer helfen Benutzern“, in dem User Fragen stellen und anderen Mitgliedern direkt Tipps und Ratschläge geben können. Will ein Benutzer beispielsweise persönliche Erfahrungen über unzufriedene Ebay-Käufer austauschen, lohnt es sich, eigene Auktionserlebnisse mitzuteilen: Per „Danke“-Button honoriert der Benutzer die empfangene Hilfe.
Je höher man im Danke-Index steigt, desto mehr exklusive Rechte erhält man und kann beispielsweise die Funktion eines Moderators übernehmen oder eigene Clubs gründen. Ebay-Kunden untereinander zu vernetzen ist eine sinnvolle und hoch motivierende Funktionalität. So wenig die Unternehmen schon das Potenzial der Kunde-Kunde-Beziehung ausschöpfen – in noch geringerem Umfang nutzen sie die Möglichkeiten der Kunde-Community-Beziehung, nämlich nur zu mageren 29 Prozent Erfüllungsgrad.
Damit gehen nur wenige der untersuchten Markengemeinschaften auf die Bedürfnisse der Mitglieder nach Gemeinschaft und aktiver Teilhabe an der Community, an der Marke und ihren Produkten ein. Hier zeigt Fressnapf, wie es geht. Der Tierfutterhändler bezieht die Liebhaber von Hund und Katze aktiv in die Weiterentwicklung der Community ein. In der „Meckerecke“ haben Mitglieder die Möglichkeit, sich kritisch zur Marke, zu Produkten oder zur Fressnapf-Community zu äußern und Verbesserungsvorschläge einzubringen.
Selbst bei der Neugestaltung des Online-Shops sind die Nutzer und ihre Ideen gefragt. Die Anregungen und die Kritik werden vom Unternehmen sichtbar aufgegriffen und umgesetzt. Fazit: Online-Brand-Communitys werden eher als Markenplattformen und weniger als Markengemeinschaften genutzt. Damit verschenkt das Marketing deutlich über die Hälfte des empirisch abgesicherten Einflusses auf die Kundenbindung.
Bert Klingsporn ist Managing Director der Marketingstrategieberatung OgilvyBrains, Bianca Haag ist Senior Consultant, und Jonas Bailly ist Junior Consultant.