One size doesn’t fit all 

Wie sieht die optimale Markenkommunikation auf Social Media aus? Unser Kolumnist betrachtet es aus der wissenschaftlichen Perspektive – und kommt zu einem deutlich differenzierteren Ergebnis als die KI.
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Marko Sarstedt ist Professor für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München. (© Maximilian Sydow, Montage: Olaf Heß)

Fragt man ChatGPT, wie Markenkommunikation auf Social Media gestaltet sein sollte, um das Engagement zu maximieren, lautet die Antwort, dass eine aktive Community-Interaktion entscheidend sei: 

„Unternehmen sollten zeitnah auf Kommentare, Nachrichten und Erwähnungen reagieren, um Nähe und Vertrauen aufzubauen. Durch interaktive Formate wie Umfragen, Q&A-Sessions oder Challenges können Marken die Community aktiv einbinden und ihre Reichweite organisch steigern.“ 

Doch ist das wirklich so? Eine unserer aktuellen Studien, veröffentlicht in “Psychology & Marketing”, zeigt eine differenziertere Perspektive auf. Denn nicht alle Nutzerinnen und Nutzer reagieren gleich auf Social-Media-Maßnahmen – ihre Persönlichkeit spielt eine entscheidende Rolle. 

Aktive vs. passive Interaktion 

Wenn Marketer an Social-Media-Engagement denken, verbinden sie es oft mit aktivem Handeln, etwa dem Kommentieren oder Teilen von Inhalten. Doch Engagement kann auch subtiler sein – in Form des stillen Betrachtens von Posts, Bildern oder Videos. Beide Formen des Engagements beeinflussen das Electronic Word-of-Mouth (eWOM) – also die digitale Weiterempfehlung –, allerdings auf unterschiedliche Weise. Entscheidend ist, ob die Nutzerinnen und Nutzer eher introvertiert oder extrovertiert sind. 

Das Extraversion-Introversion-Spektrum 

In einer groß angelegten empirischen Studie und einem Experiment unter kontrollierten Bedingungen zeigen die Autorinnen und Autoren, dass Nutzende je nach Platzierung auf dem Extraversion-Introversion-Spektrum unterschiedlich auf Markenkommunikation reagieren: Extrovertierte Nutzer bevorzugen aktive Interaktion. Sie kommentieren, teilen und verbreiten Inhalte deutlich stärker, was wiederum zu mehr eWOM führt.  

Introvertierte Nutzer setzen hingegen auf passive Interaktion. Sie konsumieren Inhalte still, doch diese Art des Engagements stärkt ihre Markenbindung und erhöht ihre Empfehlungsbereitschaft. Je nachdem, ob eine Marke eher extrovertierte oder introvertierte Nutzende anspricht, sollte die Kommunikation entsprechend angepasst werden. 

Wie Marken passives Engagement gezielt fördern könne

Um das passive Engagement – also das stille Konsumieren von Inhalten – zu steigern, sollten Marketer auf eine ausgewogene Mischung aus visuellen und textlichen Elementen setzen. Besonders für introvertierte Nutzerinnen und Nutzer ist Storytelling ein wirkungsvolles Mittel, wenn es introspektiv und reflektierend gestaltet ist. Hier ein paar Tipps, wie dies gelingen kann: 
 

  • Nutzergenerierte Inhalte und persönliche Erfahrungsberichte schaffen eine subtile, aber tiefgehende Verbindung zur Marke. 
  • Qualität vor Quantität: Weniger, aber längere und gehaltvollere Beiträge ermöglichen es introvertierten Nutzern, Inhalte in ihrem eigenen Tempo zu konsumieren. 
  • Visuell ansprechende und ruhige Formate wie Blogartikel oder längere Videos wirken besser als hektische, schnelle Clips. 

 
Für extrovertierte Nutzerinnen und Nutzer hingegen sind häufigere Updates, kürzere Videos und interaktive Formate wie Umfragen oder Live-Sessions effektiver. Sie halten ihr passives Engagement hoch, weil sie kontinuierlich neuen Input erhalten. 

 
Möchten Unternehmen das aktive Engagement fördern – also Kommentare, Fragen oder direkte Interaktionen –, sind gezielte Ansätze erforderlich: Extrovertierte Nutzende lassen sich durch Diskussionen über Produkterfahrungen, direkte Fragen nach Feedback oder öffentliche Anerkennung ihrer Beiträge aktivieren. Gamification-Elemente wie Wettbewerbe und Belohnungen sind ebenfalls wirksam. Introvertierte Nutzende brauchen eine sanftere, unverbindliche Ansprache. Tiefgründige, offene Fragen, die keine sofortige Antwort erfordern, sowie interaktive Formate ohne Echtzeitdruck ermöglichen es ihnen, sich aktiv zu beteiligen. 

Zukunftsperspektiven 

Durch den Einsatz von KI und psychografischem Targeting können Unternehmen ihre Social-Media-Maßnahmen noch gezielter ausrichten. Eine personalisierte Ansprache, die auf Persönlichkeitsmerkmalen basiert, kann die Effektivität von Social-Media-Kampagnen erheblich steigern und langfristig zu einer stärkeren Kundenbindung führen. 

Quelle: Moisescu, O.-I., Gică, O.-A., Herle, F.-A., Dan, I., & Sarstedt, M. (2025). Does One Size Fit All? The Role of Extraversion in Generating Electronic Word‐of‐Mouth Through Social Media Brand Page Engagement. Psychology & Marketing, erscheint demnächst. OPEN ACCESS 

Marko Sarstedt ist Leiter des Instituts für Marketing an der Munich School of Management der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Fokus seiner Forschung liegt auf dem Verhalten von Konsument*innen. Außerdem sitzt er im Vorstand Wissenschaft/Innovation im DMV und ist Mitglied im MC Potsdam.