Ein Kommentar von Thomas Koch
Was wie die Übertragung eines Fußballspiels klingt, ist in Wirklichkeit ein erbitterter Kampf zweier alter Männer um die Vorherrschaft im globalen Werbe- und Mediamarkt. Doch die Wahl der Waffen hat sich offenbar gewandelt. Waren früher Kreativität und die überlegene Strategie der Agenturen die gefragten Talente, gilt heute nur noch schiere Größe und, ganz wichtig, der Börsenwert.
Nun ist den Kunden der Börsenwert ihrer Agentur reichlich schnuppe. Sie, die von ihren Agenturen nach wie vor Kreativität und Strategie erwarten, sind über die Fusion von Publicis und Omnicom zur weltweiten Nummer 1 „not amused“. Joachim Schütz vom Kundenverband OWM hierzu befragt, greift zu einer bemerkenswerten Analogie: „Es ist wie bei Tomaten: Die kleinen schmecken oftmals besser als die großen Früchte.“ Schade, dass er nicht noch ergänzte, dass die Tomaten aus Holland (dem künftigen Headquarter des Agentur-Riesen) bekanntlich doch eher wässrig schmecken.
„Werte schaffen für Aktionäre“
In einer W&V-Umfrage unter Marketingchefs sagten „60 Prozent, sie hielten die Fusion für kontraproduktiv und sinnlos“. AdAge meldet, dass ganze 18 Prozent der Kunden glauben, der Deal sei gut für sie. Das ist starker Tobak. Ja, haben die Kunden denn überhaupt nicht zugehört, als der künftige PublicisOmnicom Co-König Maurice Lévy sprach? Hatte er nicht zum Volk gesprochen und kundgetan, er täte das alles nur für die Kunden? Nur wenn sein Reich so groß sei, könne er den künftigen Anforderungen der Kunden gerecht werden. Zu dumm, wenn die Kunden das anders sehen…
Neuerdings sprechen Agenturen und Kunden scheinbar unterschiedliche Sprachen. Oder zumindest auf groteske Art und Weise aneinander vorbei. Man denkt unweigerlich an Babylon. Vielleicht haben die Kunden ja erst dann hingehört, als John Wren, der bisherige Omnicom-Chef, zu Protokoll gab: „Wir werden in großem Umfang Werte schaffen für Aktionäre.“ Den Spruch hätte sich Wren besser verkneifen sollen. Als gewiefter Chef einer so großen Kommunikations-Holding sollte er wissen, dass es nicht immer zielführend ist, die Wahrheit zu sagen. Maurice und John brauchen auf jeden Fall dringend Coaching in „How to explain what I am doing – to my clients and (by the way) to my staff“.
Großes Kino oder überdimensionierte Kindergartenspiele?
Was wir daraus lernen? Dass es Agentur-Chefs gibt, die keine Ahnung von Kommunikation haben. Vielleicht wetzen deshalb die Wettbewerber bereits selbstbewusst die Messer und geben die Publicis- und Omnicom-Kunden zum Abschuss frei.
Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Dann müssen wir jedoch davon ausgehen, dass wir einem etwas überdimensionierten Kindergarten zuschauen. Martin hat Maurice sein Eimerchen geklaut – und deshalb hat ihm Maurice jetzt eins übergebraten. Dann wird es höchste Eisenbahn, dass die Kindergärtnerin dazwischen geht.
Oder es ist einfach nur großes Kino. Der Plot erinnert unweigerlich an „Wall Street – Geld schläft nicht“. Und zwar besonders an die Szene, in der es so schön heißt: „Es ist systemisch, wie Krebs.“ (Nur haben die Protagonisten versäumt, Popcorn zu verteilen.) Aber das wollen wir jetzt nicht weiter vertiefen…
Wen rufen wir jetzt? Pep Guardiola? Den Tomaten-Experten? Einen Kommunikations-Coach? Die Kindergärtnerin? Oder doch den Onkologen?
Weder noch. Wir rufen den gesunden Menschenverstand. Der sagt uns nämlich, dass diese Agentur-Giganten Tomaten auf den Augen haben. Sie sind zuallererst ihren Kunden verpflichtet, nicht der Börse. Punkt. Sie haben da die Reihenfolge etwas durcheinander gebracht. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn jetzt die Wettbewerber dazwischen grätschen – und den PublicisOmnicom-Kunden erklären, was es mit dem Phänomen der Dienstleistung und Kundenorientierung auf sich hat.