Die Deutschen haben ein schwieriges Verhältnis zu den Olympischen Spielen. Im Gedächtnis geblieben sind nicht nur die vielen Gänsehautmomente und Erfolge deutscher Olympioniken, sondern auch zahlreiche Korruptionsskandale und ein gestiegenes ökologisches Bewusstsein. Dies hat der Olympia-Begeisterung geschadet. Deutlich wurde das bei den Bürgerentscheiden 2013 in München und 2015 in Hamburg, als die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Austragung der Spiele in ihren Städten stimmte.
Die Dialoginitiative „Deine Ideen. Deine Spiele“ soll den Deutschen wieder den Olympischen Geist einhauchen. Dafür fährt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) diesmal eine andere Strategie: Vor einer möglichen Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2036 und 2040 will er erst einmal zuhören. Doch auf Social Media kommt die Initiative bisher nicht an. Was ist der Grund? Und sucht der DOSB wirklich nur den Dialog?
Neue Konzepte sollen die Deutschen überzeugen
„Frühere Konzepte wurden vor allem von Sport und Politik entwickelt, erst dann ist man damit auf die Bevölkerung zugegangen. Doch nur 50 Prozent der Menschen hierzulande interessieren sich für die Olympischen Spiele, das vergisst man in der Sportwelt schnell“, sagt Stephan Brause. Als Leiter der Stabsstelle Olympiabewerbung im DOSB verantwortet er die Initiative und weiß um das Misstrauen der Deutschen gegenüber Mega-Veranstaltungen wie den Olympischen Spielen. Es gelte daher, die Vorbehalte der Menschen zu verstehen und „erst einmal reinzuhören in die Gesellschaft und mit offenen Augen auf die Menschen zuzugehen. So erfahren wir, was ihre Bedürfnisse sind, wo Vorbehalte liegen.“
Um verschiedene Bevölkerungsgruppen zu erreichen und ihre Bedürfnisse zu identifizieren, wurden im Juli vergangenen Jahres mehrere Formate initiiert. So organisierte der DOSB hybride Veranstaltungen und klassische Dialogforen in potenziellen Austragungsorten, bei denen Bürger*innen vor Ort ihre Ideen äußern und Bedenken vorbringen konnten. Auch Social Media soll dabei helfen, mehr Menschen zu erreichen, allen voran die jüngere Generation. Die Kampagne erreichte bisher nach DOSB-Angaben acht Millionen Menschen, vorwiegend über digitale Kanäle. Dazu startete kürzlich auch ein Podcast mit dem dreimaligen Rennrodel-Olympiasieger Felix Loch.
Darüber hinaus arbeitet die Initiative an einem langfristigen Partizipationskonzept in Zusammenarbeit mit dem Bund. „Das soll bundesweit und in den Städten funktionieren“, sagt Brause. „Es gibt verschiedene Modelle, wie Bürgerräte oder die Einbindung eines Querschnitts der Gesellschaft in Entscheidungsgremien. Die Menschen sollen dauerhaft mit am Tisch sitzen und mitentscheiden können.“
Doch die Initiative hat vor allem in den sozialen Netzwerken Schwierigkeiten, breite Resonanz zu finden. Die Followerzahlen sind gering: Der Instagram-Kanal hat etwa 1300 Follower und die YouTube-Videos erreichen nur niedrige dreistellige Aufrufzahlen. Was läuft falsch in der Kommunikation?
Fehlende Emotionen, eingeschränktes Budget
„Angesichts der Laufzeit von gut zehn Monaten sind die Social-Media-Metriken erstaunlich niedrig“, sagt Bendix Hügelmann. Er ist Gründer und Geschäftsführer von People on the Hill, einer strategischen Beratungsagentur, die sich auf politische Kommunikation und Public Affairs spezialisiert hat. „Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage nach der Aktivierung der angebotenen Inhalte, letzten Endes ist das natürlich auch eine Budgetfrage.“
Und tatsächlich: Budget für Social Media ist derzeit knapp, gibt Brause zu. „Wir bleiben aktiv und machen weiterhin Social-Media-Aktivitäten, aber im Moment arbeiten wir vor allem an Konzepten.“ Auch seien Follower heute nicht mehr ein Indiz, um den Erfolg einer Kampagne auf Social Media zu messen, meint er. „Wichtig sind uns authentische und transparente Inhalte, auch wenn das bedeutet, dass wir momentan ohne viel Media auskommen müssen.“ Ist das die richtige Herangehensweise?
Hügelmann glaubt, dass die Inhalte vor allem emotionalisieren müssen. Eine gelungene Social-Media-Kampagne, die auf die Einstellungsänderung ihrer Zielgruppe abzielt, weise ein klares Ziel auf. Sie verbindet Information über einen Sachstand mit der Beschreibung und Aktivierung eines kollektiven oder auch gemeinschaftlichen Moments. „Beides sehe ich in der derzeitigen Kommunikation – wenn überhaupt – nur eingeschränkt. Die derzeitige Kommunikation informiert, aber emotionalisiert nicht“, so der Experte.
Initiative wirklich ergebnisoffen?
Damit die Initiative auf Social Media funktioniert, sollten die Inhalte den Sportsgeist der Menschen wecken, auf Emotionen zielen – der klassische Marketing-Hebel der sozialen Netzwerke. Falls sich das nicht ändert, könnte die Initiative im Sand verlaufen, findet Hügelmann. „Ich kann nicht erkennen, dass irgendwo Begeisterung geweckt werden soll oder entsteht. Mag sein, dass sich das noch ändert. Stand jetzt ist das, was öffentlich einsehbar ist, eher dröge.“
Zuhören, in den Dialog treten: das klingt ergebnisoffen. Fraglich ist, ob im Fall eines Scheiterns der Initiative, von einer Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2036 und 2040 abgesehen wird – auch unter Berücksichtigung der gesammelten Rückmeldungen und Erkenntnisse. Dann wäre die Initiative nicht mehr als eine PR-Kampagne. Hügelmann sieht das nicht allzu kritisch: “Ich sehe ich hier keinen zwingenden Gegensatz zwischen der Durchführung von Dialog-Formaten und der PR-Arbeit mit einer gesellschaftlichen Vorfeldarbeit. Wir haben es hier eher mit einem ‘Sowohl als auch’ zu tun. Ob man so das Vertrauen der Deutschen in die Olympischen Spiele wecken kann, ist zu bezweifeln.