Nach unserer Hochrechnung sind zu Beginn des Jahres 2016 in Deutschland 29.500 reine Elektroautos und 15.900 Plug-In Hybride auf der Straßen. Das ist astronomisch weit weg von einer Million Elektroautos im Jahre 2020, wie von der Kanzlerin im Jahre 2008 verkündet. Bei 45 Millionen Pkw auf Deutschlands Straßen entspricht das Elektroauto der berühmten Nadel im Heuhaufen. Auf 10.000 Pkw auf deutschen Straßen kommen knapp 7 reine Elektroautos und knapp 4 Plug-In Hybride. Oder addiert, treffen wir bei 1.000 Pkw auf Deutschlands Straßen dann einen elektrisch angetriebenen Pkw (Plug-In Hybride eingeschlossen).
Umsteuern dringend notwendig
Schlechter kann eine Bilanz nicht aussehen acht Jahre nach der öffentlichkeitswirksam verkündeten Kanzlerprognose. Deutschland kämpft auf dem Gebiet der Elektroautos in der Liga mit Ghana oder Senegal. Dies sieht man auch an den Zulassungen der Neuwagen. Insgesamt hatten die Autobauer 16 unterschiedliche reine Elektromodelle im Markt. Im letzten Jahr wurden knapp 12.000 reine Elektroautos neu angemeldet. Im Durchschnitt wurden im Jahr 2015 pro Modell damit 750 Fahrzeuge verkauft. Die Handelsorganisationen der Autobauer mit reinen Elektroautos im Angebot hätten damit pro Jahr und Händler ein ganzes Elektroauto verkauft. Allein diese Zahlen zeigen, dass ein Umsteuern dringend notwendig ist.
Zum Scheitern verurteilt?
Die Daten zeigen, dass ohne Weichenstellung die Elektromobilität in Deutschland zum Scheitern verurteilt ist. Billiger Treibstoff, teurer Strom und Komforteinbußen bei Elektroautos halten Neuwagenkäufer davon ab, sich für die lokal-emissionslosen Fahrzeuge zu entscheiden. Dabei gibt es gewichtige Gründe, der Elektromobilität in Deutschland eine bessere Chance zu geben
1. Hohe Stickdioxid-Belastungen in Ballungsräumen überwiegend verursacht durch Diesel-Fahrzeuge und Feinstaubbelastungen durch moderne Benzin- Direkteinspritzmotoren. Nach wie vor liegen nach Messungen des Umweltbundesamtes an rund 60 Prozent aller verkehrsnahen Messstationen erhebliche Überschreitungen des EU-Grenzwertes von 40 μg/mÑ (Mikrogramm/Kubikmeter) im Jahresmittel vor. Hauptverursacher sind Diesel-Fahrzeuge. Elektroautos eigenen sich daher besonders für Großstädte und Ballungsgebiet. Dies sollte bei einer Förderung berücksichtig werden.
2. Hohe CO2-Belastungen auch bei neuen Pkw. Die Neuwagen sind im Alltag deutlich emissionsintensiver als nach den Prospektangaben der Autobauer. Unsere „Umweltbilanz“ bei den konventionellen Neuwagen ist daher künstlich „geschönt“.
3. Falsche Steuervorteile für den Diesel. Nach wie vor wird Diesel-Kraftstoff in Deutschland mit 18 Cent pro Liter weniger Steuer belastet als etwa Ottokraftstoffe. Der staatlich subventionierte Dieselkraftstoff steuert die Motorisierung in Deutschland in die falsche Richtung.
4. Neue CO2-Grenzwerte nach 2021. Für die Autoindustrie und die Verbraucher ist es wichtig, sich auf die neuen EUGrenzwerte für CO2-Ausstoß von 95 Gramm/Kilometer einzustellen. Wird dies nicht getan, steuern wird auf eine Systemänderung um das Jahr 2021 zu, die gewaltige Verwerfungen mit sich bringen kann. Die Verbrennungsmotoren erscheinen – wenn man Real Driving Emissions zugrunde legt – wenig geeignet die Grenzwerte im Praxisbetrieb zu erfüllen. Mehr als 98 Prozent unserer Neuwagen werden durch Benzin- oder Dieselmotoren angetrieben. Dies zeigt die schiefe Ausrichtung.
5. Industrie-Standort Deutschland. Länder wie China steuern mit hohen Investitionen die Elektrifizierung ihrer Großstädte an. Allein letztes Jahr wurden 340.000 Elektroautos in China neu in den Markt gebracht mit sehr hohen Steigerungsraten auch für die Zukunft. Wollen wir vermeiden, dass Elektroautos und Plug-In Hybride in Zukunft in China statt in Deutschland produziert werden, müssen wir gegensteuern.
Differenzierte Förderung wünschenswert
Es macht viel Sinn bei der Förderung differenziert vorzugehen. Dabei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden
1. Ballungsräume sollten Vorteile haben. In Ballungsräumen haben die lokal emissionslosen Elektroautos ihren höchsten gesellschaftlichen Nutzen. Dort liegen in der Regel höhere Sickoxid-Belastungen durch den Verkehr vor und zum zweiten sind mehr Menschen von den negativen Effekten zum Beispiel des Dieselverkehrs betroffen. Die Differenzierung könnte bei der Förderung dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass etwa CarSharing- Systeme mit reinen Elektroautos zusätzliche Förderung erhalten.
2. Reine Elektroautos deutlich höher fördern als Plug-In Hybride. Reine Elektroautos fahren immer lokal emissionslos, Plug-In Hybride in der Regel nur über eingeschränkte Strecken. Die Förderung sollte daher darauf abzielen, den Markt für reine Elektroautos stärker zu incentivieren. Reine Elektroautos werden zusätzlich die Nutzungsbilanz der Ladeinfrastruktur verbessern.
3. Elektroautos, die nach Zulassung in Ausland verkauft werden oder nicht genutzt werden, sollten Prämien zum Teil zurückbezahlen. Fälle wie bei Kia sollten vermieden werden.
4. Ladeinfrastuktur als wesentlicher Treiber in Großstädten. Ohne Ladeinfrastruktur-Ausbau in Ballungszentren wird es schwer werden, dem Elektroauto eine Bühne zu geben. Da 95 Prozent der Fahrzeuge auf der Straße im Privatbesitz sind, macht es viel Sinn sich nicht auf Firmenkunden zu konzentrieren, sondern Privatnutzer stärker bei der Förderung in den Mittelpunkt zu stellen.
Fazit: Ein Anschub für die Elektromobilität macht viel Sinn. Idealerweise sollten ndamit auch die Besteuerungsvorteile für Dieselkraftstoff abgebaut werden und ein differenzierter Ansatz bei der Förderung gewählt werden. Gefördert werden sollte nicht nach der Anzahl der Räder, sondern nach den gesellschaftlichen Vorteilen die mit dem jeweiligen Fahrzeug verbunden sind.