Zunächst einmal muss man festhalten, dass die beiden Groß-Skandale Facebook und Volkswagen sehr unterschiedlich sind. Bei Facebook wurden Nutzungsregeln von der dubiosen Firma Cambridge Analytica (CA) im Jahr 2014 missachtet, um Daten in großem Stil abzufischen und für unlautere Zwecke zu nutzen. Volkswagen hat seine Kunden und den Staat dagegen direkt betrogen und belogen, indem Betrugssoftware in Diesel-Autos eingebaut wurde, um auf Prüfständen die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte vorzutäuschen. Facebook ist zudem eine Software-Firma, VW ist ein Hardware-Hersteller – das macht einen gewaltigen Unterschied.
Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten
Beide Skandale haben eine gewaltige Dimension und sind für die jeweiligen Firmen potenziell existenzbedrohend. Beide Male geht es darum, dass das Vertrauen der Nutzer/Kunden zerstört wurde. Darum ist es nicht uninteressant zu sehen, wie beide Firmen mit ihren jeweiligen Groß-Skandalen umgehen.
Viel Kritik wurde und wird daran geübt, wie Facebook, bzw. Gründer Mark Zuckerberg kommunizieren. Zuckerberg wurde angelastet, dass er sich nach den Enthüllungen zu CA nicht sofort geäußert hat. Allerdings hat Zuckerberg mit einigen Tagen Verzögerung dann durchaus mehrere Interviews gegeben, in denen er auch erklärte, dass es sich bei dem Skandal um einen massiven Vertrauensverlust handelt („major breach of trust“) – was hätte er auch anderes tun sollen. Das war schließlich offensichtlich.
Dass der CA-Skandal von den Medien teilweise schief berichtet und über die Maßen skandalisiert wurde, ließ sich in der öffentlichen Wahrnehmung offensichtlich nicht mehr einfangen. Letztlich haben die Berichte von Guardian und New York Times nichts wesentlich Neues enthüllt, der Datenmissbrauch durch CA war spätestens seit 2015 bekannt gewesen und auch berichtet worden. Facebook hatte seither auch Programm-Schnittstellen (APIs) so verändert, dass eine Wiederholung nicht möglich war. Das war aber egal, in den Medien war nur noch vom „größten Datenleck“ der Geschichte die Rede.
Bei Facebook entschlossen sie sich darum offenbar, die Sache möglichst offensiv anzugehen. Fast im Tages-Takt gab das Social Network neue Änderungen an den Privatsphäre- und Sicherheitseinstellungen bekannt. Zudem erklärte Zuckerberg, er werde selbstverständlich vor US-Gremien und -Behörden aussagen. Zuletzt verkündete Facebook durchaus massive Veränderungen an zahlreichen Schnittstellen, die den Missbrauch von Nutzerdaten durch Dritte künftig deutlich erschweren dürften. Facebook selbst kommunizierte dabei sogar die wenig schmeichelhafte Zahl, dass tatsächlich bis zu 87 Mio. Nutzerprofile von dem CA-Missbrauch betroffen sind. Die zuvor stets kolportierte Zahl von 50 Mio. war nichts anderes als eine Schätzung des Whistleblowers von New York Times und Guardian, der im Interview diffus von „50 bis 60 Millionen“ gesprochen hatte. Facebook scheint also zumindest bemüht, die Ursachen des Daten-Missbrauchs auszumerzen. Dass erst massiver öffentlicher Druck nötig war, ist der eigentliche Skandal.
Während man Facebook eine gefährliche Laissez-Faire-Haltung im Umgang mit Nutzerdaten vorwerfen kann, war bei Volkswagen echte kriminelle Energie am Werk. Hier wurden Kunden (und der Staat) betrogen. Wie sieht hier nun die Aufklärungsarbeit aus? Bezeichnend ist vielleicht, dass der Diesel-Betrug von VW selbst immer noch euphemistisch als „Diesel-Thematik“ bezeichnet wird. Kleinreden, wegducken und der Weg des geringsten Widerstands sind hier die Mittel der Wahl.
Während die gesetzlichen Vorgaben in den USA VW dazu zwingen, Betrugs-Diesel zurückzukaufen und Milliarden an Kompensation zu zahlen, werden deutsche Betrugs-Opfer mit einem Software-Update abgespeist, dessen Nutzen von Fachleuten stark angezweifelt wird.
Es ist für einen Auto-Hersteller natürlich ungleich aufwändiger, einen solchen Skandal rigoros aufzuarbeiten als für ein Software-Unternehmen. Facebook besteht praktisch nur aus Software. Bei VWs geht es um Fahrzeuge aus Stahl, die weltweit auf den Straßen unterwegs sind. Volkswagen ist zudem Teil der deutschen Schlüssel-Industrie Automobilwirtschaft und konnte sich bislang stets der Rückendeckung durch die Politik sicher sein. Nicht umsonst hat VW-Chef Müller das eigene Unternehmen auch schon mal als „systemrelevant“ bezeichnet. Eine konsequente Verfolgung oder starker Druck seitens der Politik auf VW blieben bislang aus.
Kunden belogen? Haben beide
Das Bewusstsein um die eigene Bedeutung und die Deckung durch die Politik sorgt bei einem Konzern wie Volkswagen offenbar dafür, dass nur eine sehr gebremste Bereitschaft an offensiver Aufklärung besteht. Zumal die Konzernführung sieht, dass der Diesel-Skandal praktisch keine Auswirkungen auf die Bilanzen hat. 2017 hat VW erneut einen Milliardengewinn eingefahren.
Bei Facebook geht es um einen massenhaften Missbrauch von Daten und eine unterlassene Information der betroffenen Nutzer, was nun Jahre später nachgeholt werden soll. Schlimm genug. Letzten Endes wurde den betroffenen Nutzern Werbung und Inhalte in ihre Facebook-Timeline eingespielt.