Wie beginnt man eine Kolumne zur Weihnachtszeit? Natürlich mit Geschenken! Denn kleine und große Aufmerksamkeiten erfreuen nicht nur das Herz des Beschenkten (gut, außer es sind wieder Socken), sondern könnten theoretisch auch die Welt ein kleines Stück besser machen. Nachhaltig produziert, fair gehandelt, vielleicht sogar aus einer transparenten Lieferkette? Klingt gut, bleibt aber für die meisten Konsument*innen ein frommer Wunsch.
Eine aktuelle Umfrage von YouGov im Auftrag der Kommunikationsagentur Maisberger zeigt: Nur sieben Prozent der Deutschen sind bereit, für nachhaltige und faire Geschenke deutlich mehr Geld auszugeben. Eine moderate Gruppe von 44 Prozent wäre immerhin zu einem kleinen Aufpreis bereit, aber mal ehrlich: Das reicht kaum für einen Gamechanger. Nachhaltigkeit bleibt ein Nischenthema beim Schenken – nur 19 Prozent der Verbraucher*innen nennen es als Kriterium. Viel wichtiger sind Preis-Leistungs-Verhältnis (62 Prozent) und Nützlichkeit (51 Prozent). Anders gesagt: Lieber gut und günstig schenken, als sich Gedanken über CO₂-Bilanzen oder faire Löhne zu machen.
Doch es gibt Hoffnung, wenn auch auf Umwegen. Geht es um Zeit statt Geld, zeigen sich die Deutschen erstaunlich generös: Fast 27 Prozent sind bereit, für transparente Lieferketten länger auf ein Geschenk zu warten. Weitere 38 Prozent würden zumindest kurze Verzögerungen in Kauf nehmen. Aber mal ehrlich: Ist das wirklich altruistisch? Oder passt es einfach ins Bild, dass ein paar Tage Lieferzeit den Stress des Last-Minute-Weihnachtseinkaufs abmildern? Fest steht: Nachhaltigkeit ist den meisten Deutschen nur dann wichtig, wenn sie nicht den eigenen Komfort oder die Geldbörse zu sehr belastet.
Weihnachtsbäume: Echt statt Plastik
Und was ist mit Weihnachtsbäumen? Hier zeigt sich, dass nicht alles, was auf den ersten Blick grün aussieht, auch nachhaltig ist. Plastikbäume gelten oft als „umweltfreundlich“, weil sie langlebig sind – ein Trugschluss. Denn die Herstellung ist energieintensiv, und am Ende landen sie doch im Müll.
Echte Bäume schneiden deutlich besser ab, wenn sie regional und ökologisch angebaut werden. Nach den Feiertagen lassen sie sich kompostieren oder als Brennholz verwenden. Nachhaltig? Ja, zumindest im Vergleich. Denn beim Anbau werden in großem Umfang Herbizide, Pestizide und Insektizide eingesetzt.
Mehr Nachhaltigkeit – in der Strategie, nicht nur im Spotlight
Geschenke und Weihnachtsbäume sind eine Sache. Doch was passiert in der Wirtschaft? Hier zeigt eine neue Studie von Kyndryl und Microsoft: das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften wächst. 41 Prozent der deutschen Unternehmen betrachten Nachhaltigkeit inzwischen als sehr wichtig – ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders im Fokus steht Künstliche Intelligenz (KI): 78 Prozent der Unternehmen setzen sie ein, um Energieverbrauch und Emissionen zu überwachen – ein beeindruckender Fortschritt. Aber trotz aller Fortschritte bleibt viel ungenutztes Potenzial, oft wegen Datenintegrationsproblemen oder hoher Anfangsinvestitionen.
Die Studie betont, dass KI ein zentraler Hebel für nachhaltige Innovation ist. Intelligente Energiemanagement-Systeme und optimierte Lieferketten können Prozesse effizienter gestalten. Doch KI ist keine Wunderwaffe. Ihre eigene Klimabilanz wird oft ausgeblendet: Laut dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) verursacht das Training eines großen KI-Modells bis zu 284 Tonnen CO₂ – das entspricht dem Energieverbrauch von fünf Autos über ihre gesamte Lebensdauer. Unternehmen, die KI als nachhaltige Lösung präsentieren, riskieren Greenwashing, wenn sie diese Emissionen nicht ausgleichen. Nachhaltigkeit braucht mehr als schöne Absichtserklärungen – sie verlangt nach Ehrlichkeit und umfassender Strategie (mehr dazu im Interview mit Daniel Schlee von Diffferent).
Gesundheitssektor: Zwischen Ambition und Stillstand
Doch wenn man denkt, dass es in der Wirtschaft hakt, lohnt ein Blick auf den Gesundheitssektor. Laut einer aktuellen Befragung des F.A.Z. Instituts im Auftrag der Barmer beschäftigen sich fast die Hälfte der Organisationen aktiv mit Klimaneutralität, ein weiteres Fünftel plant entsprechende Maßnahmen. Doch die Umsetzung stockt: Nur 17 Prozent haben Klimaschutzziele definiert, 15 Prozent eine Klimaneutralitätsstrategie formuliert, und gerade einmal 11 Prozent führen eine Wesentlichkeitsanalyse durch. Diese Zahlen stagnieren seit 2022 – eine ernüchternde Bilanz.
Auch bei konkreten Maßnahmen gibt es Rückschritte: Die Zahl der Organisationen, die auf nachhaltige Mobilität setzen, ist von 62 Prozent im Jahr 2022 auf 56 Prozent gesunken. Energetische Sanierungen werden ebenfalls seltener umgesetzt, und beim Einsatz erneuerbarer Energiequellen gibt es keine Fortschritte. Gleichzeitig klagen 50 Prozent der Einrichtungen über unzureichende finanzielle Mittel, während mehr als ein Drittel über infrastrukturelle Hindernisse stolpert. Fehlt es an Willen oder an Möglichkeiten?
Dabei könnte der Gesundheitssektor so viel bewirken. Allein deutsche Krankenhäuser verbrauchen jährlich etwa sechs Milliarden Kilowattstunden Strom und eine Milliarde Kubikmeter Gas – das entspricht einem CO₂-Ausstoß von rund sechs Millionen Tonnen. Der Umstieg auf erneuerbare Energien oder energieeffiziente Technologien könnte enorme Einsparungen bringen. Digitalisierung, intelligente Kantinenplanung und Recycling-Programme sind weitere Hebel, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Kosten entlasten könnten.
Ob Geschenke, Weihnachtsbäume oder der Gesundheitssektor – Nachhaltigkeit bleibt oft ein Lippenbekenntnis, solange konkrete Maßnahmen fehlen. Doch es gibt Lösungen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Unternehmen und Institutionen müssen den Mut haben, diese umzusetzen. Denn die Welt wartet nicht auf Weihnachtswunder.