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Das vergangene Jahr war für Mark Zuckerberg, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Facebook, kein sonderlich gutes: Zunächst gab es die schweren Vorwürfe nach Bekanntwerden der russischen Manipulationsversuche im US-Wahlkampf und die andauernden Fake-News-Debatten. Danach folgten diverse Messfehler bei Zugriffszahlen, die zulasten von Medien und Werbetreibenden gingen. Trotz des öffentlichen Imageschadens ist die Marktmacht des US-Unternehmens weiterhin riesig. Für die meisten deutschen Medienhäuser ist die Plattform ein wichtiger Grundpfeiler ihrer Social-Media-Strategie. Zahlreiche Anpassungen durch Facebooks Mitarbeiter lösten daher in der jüngeren Vergangenheit kritische Reaktionen aus.
Die Reichweite sinkt
So sorgten Änderungen im Newsfeed im Jahr 2017 für einigen Unmut in der Verlagsszene. Medienvertreter spürten die Auswirkungen der Maßnahme in rückläufigen Nutzerzahlen. „Der Algorithmus bestimmt derzeit zu einem unklaren Verhältnis, was die Nutzer in ihrem Newsfeed sehen“, sagt Carstens Ovens, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Hamburg. Ovens beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Social Media Marketing sowie Konsum und Nutzung digitaler Medien. „Facebook modifiziert diese technische Grundlage ständig, um die Mitglieder zu regelmäßigen Besuchen zu motivieren.“ Die Crux daran: Zuletzt führt dies dazu, dass Inhalte von Verlagen selbst denjenigen Nutzern nicht mehr angezeigt wurden, die einer Medienseite folgen. „Damit sinkt die Reichweite und die Plattform wird für professionelle Anbieter womöglich unattraktiv“, erklärt Ovens. Ähnliches ist aus Redaktionen zu hören: Sie sprechen von einem „systematischen Rückgang“ und einer generell geringeren Reichweite innerhalb Facebooks.
Verlage und Webseiten leiden
Eine Mitte Dezember von MEEDIA in Kooperation mit SimilarWeb durchgeführte Kurzanalyse ergab: Die Facebook-Reichweite sinkt bei fast allen deutschen Medienanbietern. Welt.de, stern.de, Huffington Post, Bild und Spiegel Online mussten teils deutliche Verluste konstatieren. Einschränkend ist anzumerken, dass die Zahlen auf Hochrechnungen basieren und sich ausschließlich auf die Nutzung am Desktop beziehen.
Bedürfnisse der Nutzer und Werbepartner im Fokus
Dass sich das Machtgefälle zwischen Facebook und den Verlagen in abgelaufenen Jahr verändert, ist – ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen – auszuschließen. Im Gegenteil: Insbesondere eine kürzlich durchgeführte Testphase der US-Firma in Sri Lanka, in Bolivien, der Slowakei, in Serbien, in Guatemala und in Kambodscha dürfte vielen Verlegern zu denken geben. Um dem Wunsch nach schnellerer Sichtbarkeit der Postings von Freunden und Familie nachzukommen, verbannte Facebook die Nachrichten versuchsweise aus der Timeline.
https://www.facebook.com/zuck/posts/10104380170714571
In einem Statement zum sogenannten „Explore Tests“ betonte das Unternehmen zwar, dass es nicht vorhabe, diese Testphase auf weitere Länder auszuweiten oder gar vollständig anzuwenden. Dass es trotzdem irgendwann umgesetzt wird, schließt die Stellungnahme nicht aus. Denn: „Facebook muss in erster Linie für seine Nutzer interessant sein“, so Social-Media-Experte Ovens. „Ansonsten driften diese weiter in Passivität ab oder besuchen die Plattform gar nicht.“ Die Attraktivität stehe und falle mit dem Angebot, das aber nicht zwangsläufig von professionellen Medienanbietern stammen müsse.
Facebook muss lediglich die Bedürfnisse von zwei Zielgruppen erfüllen: die der Nutzer und der Werber. Für Verlage mit ihren teils kontroversen und ernsten Inhalten könnte deshalb irgendwann kein Platz mehr auf der Plattform sein. Eine grundlegende Umstrukturierung des Newsfeeds würde für Zuckerberg zudem einen weiteren großen Vorteil mit sich bringen. Diskussionen um Fake-News würden der Vergangenheit angehören.
Richtlinie: Bewegtbild ist König
Eine bereits in Kraft getretene Änderung betrifft die Produktionsweise der Verlage – vor allem jener, die sich auf Videos spezialisiert haben. Mitte Dezember vorigen Jahres hat Facebook bekannt gegeben, dass Medienmacher ab 2018 keine Subventionen mehr für die Produktion von Video-Inhalten erhalten. Zum Hintergrund: Vor zwei Jahren hatte der Internetkoloss noch Millionenbeträge an US-amerikanische Verlage überwiesen, um sie bei ihrer Video-Kampagne zu unterstützen. Insgesamt 50 Millionen Dollar stellte Facebook bereit. Die Verlage verpflichteten sich ihrerseits, monatlich eine festgelegte Minutenanzahl an Video-Inhalten (Live und vorgefertigte Inhalte) für den Newsfeed zu produzieren. Auch Bild erhielt für die Produktion von Live-Videos Geld von Facebook, wie Axel Springers Flaggschiff-Angebot seinerzeit gegenüber MEEDIA bestätigte. Dass Facebook jedoch nicht im Sinne der Medienhäuser entscheidet, zeigte sich erst kürzlich. Die Kooperationen mit den Medienhäusern wurden nicht verlängert und laufen zu Beginn dieses Jahres aus.
Dies hat nun zur Folge, dass garantierte monatliche Lizenzgebühren für eine bestimmte Minutenanzahl der Vergangenheit angehören. Medienpartner können zwar weiterhin durch Videos, die durch Werbung unterbrochen werden, Geld verdienen (sogenannte Midroll-Ads). Es profitieren fortan jedoch diejenigen Anbieter, die Videos mit einer Dauer ab drei Minuten produzieren. Die Entscheidung sorgte bei Medienmachern für Kopfschütteln, da Redaktionen sich vermehrt auf Clips von 90 Sekunden eingestellt hatten. In einem Blog-Posting betonte das Unternehmen zudem die Bedeutung von Shows und auf Episoden ausgelegte Formate. Für Showproduzenten soll es künftig einfacher werden, ihre Community zu erreichen, heißt es dort.
Megatrend Video
Die Tendenz geht dahin, dass das soziale Netzwerk sich lieber kurz- als langfristig auf (Live-)Videos konzentrieren will. Schon 2017 startete die Plattform Watch in den USA, die in Konkurrenz zu Youtube treten und Nutzer längere Zeit auf Facebook halten soll. Zuckerberg kommentierte den Schritt wie folgt: „I see video as a megatrend.“ In diesem Jahr soll der interne Video-Bereich von Facebook mit rund einer Milliarde US-Dollar bezuschusst werden. Social-Media-Experte Brian Franzo wagt gegenüber dem Branchenportal lead-digital daher den Ausblick: „Facebook wird in fünf Jahren kaum wieder zu erkennen sein: Nur noch Videos, das Messaging und geschlossene Gruppen, zurück zu den Chaträumen und Foren der Anfangszeit des Internets.“
An Facebook führt erstmal kein Weg vorbei
Sollten sich die Maßnahmen von Facebook weiter verdichten, müssten Deutschlands Medienhäuser über ihre Social-Media-Strategien nachdenken. Zwei Optionen bestehen: Sie investieren in den Videobereich, produzieren längere Stücke und können damit sowohl Reichweite als auch Werbeerlöse erzielen. Gerade finanzstarke Verlage hätten zudem die Chance, sich andere Standbeine aufzubauen und so womöglich langfristig die Abhängigkeit von Facebook zu verringern. Für kleinere Anbieter dagegen könnte 2018 eine langsame Abkehr vom Internetriesen bedeuten. Weniger Abhängigkeit ginge dann auf Kosten der Reichweite.
Dass professionelle Medienhäuser ihre Strategie zukünftig nicht mehr komplett auf Facebook ausrichten sollten, wird durch ein kürzlich auf dem Branchenportal Digiday veröffentlichtes Interview mit einem „Audience Development Head“ bestärkt. Darin erzählt der anonyme Gesprächspartner eines mittleren englischsprachigen Digitalverlags, dass Mitarbeiter von Facebook ihm geraten haben, sich als Verleger nicht all zu sehr auf das soziale Netzwerk zu verlassen. Er habe das Gefühl, Medienhäuser seien lediglich Teil von Zuckerbergs Experimenten. Er schlussfolgert: „They are going to completely deprioritize publishers.“ Aus seiner Sicht heißt das für Verlage: Diversifikation und die Entdeckung anderer innovativer Plattformen.
Trotz dieser insgesamt eher trüben Aussichten für Verlage gibt es vorerst kein Vorbeikommen am milliardenschweren Unternehmen. „In 2018 wird kein anderes soziale Netzwerk an die Größe oder Reichweite von Facebook herankommen“, sagt der Wissenschaftler Ovens. Sein Tipp: „Für Medienanbieter ist es konsequent, die Plattform weiter zu nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Alleine auf ein Netzwerk zu setzen, wird jedoch beispielsweise die Probleme der Nachrichtenmedien nicht lösen, die bis auf wenige Ausnahmen seit Jahren mit sinkenden Einnahmen konfrontiert sind. Hier sind kreative Lösungen gefragt.“
Dass das leichter gesagt ist als getan, haben viele Medienhäuser in den vergangenen Jahren bereits erfahren müssen.