Das ernüchternde Ergebnis: Von 312 befragten Unternehmen erkennen viele nicht das Potenzial und die Einsparungsmöglichkeiten eines Product Information Management (PIM). Sie pflegen ihre Produktdaten dezentral. Aus dem Kreis derjenigen Unternehmen, für die sich der Einsatz eines zentralen PIM-Systems lohnen würde, entscheiden sich bisher nur 20 Prozent auf der Buy-Side und 10 Prozent auf der Sell-Side dafür.
Die Hauptursache der geringen Anzahl von PIM-Installationen liegt darin, dass Unternehmen sich an unterschiedlichen Stellen mit Produktinformationen beschäftigen. Das Wissen über das Product Information Management ist so verstreut, dass es kaum einen zentralen Verantwortlichen gibt, der sich zur Aufgabe macht, eine solche Lösung einzuführen. Im Rahmen der Studie befragten wir 312 deutsche Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern und einem Umsatz von 25 Millionen Euro, wie sie das zentrale Product Information Management einschätzen. Diese Antworten verglichen wir mit den Angaben von Best-Practise Unternehmen, die bereits erfolgreich mit einer PIM-Lösung arbeiten.
Ergebnisse der Studie: Einkaufskanäle und genutzte Medien; Vertriebskanäle und genutzte Medien; Anzahl der produzierten Kataloge; Kosten je Katalogseite; Kosten je Katalog; Zeitbedarf zur Neuerstellung und Aktualisierung von Printkatalogen; Erstellungs- und Pflegeaufwand der Produktdaten im Internet; Mehrfachpflege und Auswand bei der Produktdatenpflege; Suchzeiten und Suchvorgänge mit und ohne PIM; Umsatz der befragten Unternehmen.
Was heißt Product Information Management?
Unter Product Information Management versteht man die Bereitstellung von Produktinformationen für den Einsatz in verschiedenen Ausgabe-Medien beziehungsweise Vertriebskanälen sowie für unterschiedliche Standorte. Voraussetzung dafür ist die medienneutrale Verwaltung, Pflege und Modifikation der Produktinformationen in einem zentralen System, um jeden Kanal ohne großen Ressourcenaufwand mit konsistenten akkuraten Informationen beliefern zu können.
Der Bedarf für Produktinformationsmanagement entsteht durch die derzeit gängige Praxis der Datenhaltung und -verwertung: Informationen liegen in einem Unternehmen häufig nicht zentral gebündelt vor, sondern verstreut bei Mitarbeitern und in Abteilungen – etwa in der Entwicklungsabteilung, im Warenwirtschaftssystem oder im Vertrieb. Dabei werden Daten in unterschiedlichen Formaten abgespeichert oder sind nur als Druckversion verfügbar. Diese Informationen werden in verschiedenen Umgebungen und Kontexten verwendet – etwa im Verkaufskatalog für eine detaillierte Produktbeschreibung mit Preisangabe oder in der Logistikabteilung für Angaben zu Größe und Gewicht zur Frachtkostenberechnung.
Dass diese „verstreute“ Art der Datenhaltung alles andere als vorteilhaft ist, liegt auf der Hand. PIM stellt hier einen Lösungsansatz zur zentralen, medienneutralen Datenhaltung dar, um einkaufs-, produktions- und kommunikationsrelevante Daten für die Mehrfachnutzung über mehrere IT-Systeme, Sprachen, Ausgabemedien und Publikationen hinweg bereitzustellen. Es bietet zudem Lösungen zur effizienten Datenübernahme, -verwaltung, -anreicherung und -ausgabe.
PIM-Lösungen generieren Wettbewerbsvorteile
Ein Vergleich von Unternehmen ohne PIM-Lösung mit Firmen, die ihre Produktdaten bereits zentral verwalten, belegt enormes Einsparpotenzial. Im Durchschnitt wenden Unternehmen ohne ein zentrales System 608 Euro für die Erstellung einer Katalogseite auf und produzieren im Schnitt Kataloge mit 237 Seiten, während Unternehmen mit aktiven PIM-Installationen einen Katalog von 400 Seiten für durchschnittlich 75 Euro pro Katalogseite produzieren. Im Vergleich zum Durchschnitt ergibt sich so ein mögliches realisierbares Einsparungsvolumen von über 200 000 Euro.
Der Nutzen von PIM-Lösungen kommt im Industriebereich besonders zur Geltung: Unternehmen wählen durchschnittlich unter rund 8 600 Artikel im Einkauf aus. Kommt eine PIM-Lösung zum Einsatz, lässt sich leicht eine Auswahl mit 24 000 Artikel verwalten, belegt die Studie. Aber nicht nur auf der Einkaufsseite sind erhebliche Verbesserungen zu erreichen. Gerade auf der Sell-Side ergeben sich neue Möglichkeiten. Im Bereich der Produktdatenpflege gehen die Unternehmen davon aus, dass durchschnittlich 25 Prozent der Produktinformationen mehrfach gepflegt werden. Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche doppelte Datenpflege in Unternehmen mit einer PIM-Lösung nur sieben Prozent.
Diese Reduzierung drückt sich in dem von den Unternehmen geschätzten Zeitaufwand zur Produktdatenpflege aus. Sind es im Durchschnitt der Industrieunternehmen jährlich rund 160 Minuten je Produkt, so reduziert sich dieser Aufwand bei den Unternehmen, die den Einsatz von PIM perfektioniert haben, auf rund 30 Minuten pro Jahr und Produkt.
Ebenso markant ist der Sprung, wenn der Aufwand zur Erstellung und Pflege der Artikel im Internet betrachtet wird. Hier verringert sich der jährliche Pflegeaufwand durch die Verwendung einer zentralen Datenerhaltung (Einstellen 4 Minuten, Pflege 1 Minute) auf nahezu Null im Vergleich zum Durchschnitt (Einstellen 101 Minuten, Pflege 63 Minuten). Hier tritt der zentrale Vorteil des PIM deutlich hervor und ist nicht nur unmittelbar messbar, sondern hilft, um sich gedanklich mit dem Thema Internetkataloge und e-Shops auseinander zu setzen. Multikatalog- und Multishopstrategien rücken aufgrund von strukturierter, konsistenter Datenhaltung in den Bereich des Möglichen, ohne den jeweiligen Pflegeaufwand exponentiell in die Höhe schnellen zu lassen. Dies eröffnet neue Marktchance gerade für die Unternehmen, die diese Technologie frühzeitig nutzen.
Weitere Optimierungspotenziale im Bereich Industrie bestehen bei der Printausgabe. Hier produzieren die Best-Practise Unternehmen ihre Kataloge in knapp der Hälfte der Zeit (8 Wochen verglichen zu ehemals 14 Wochen), als das durchschnittliche Unternehmen tun.
Best-Practise Beispiele
Mehrere Unternehmen haben sich für die Einführung einer zentralen Produktinformationslösung entschieden und damit ihre Wettbewerbschancen erfolgreich ausgebaut, zum Beispiel Schroff GmbH, ABB Energie- und Automationstechnik, Screfix Direct, TÜV Akademie GmbH, SICK AG oder Hagemeyer Deutschland. Vier weitere Unternehmen werden im Folgenden als Best-Practise Beispiele angeführt um die Vielseitigkeit der PIM-Software zu demonstrieren.
Best-Practise 1
chemfidence GmbH ist Beschaffer und Distributor von industriellen Rohstoffen und Chemikalien sowie von hochwertigen Betriebsmitteln für die chemische und pharmazeutische Industrie. Das Produktportfolio umfasst mehr als eine Million Artikel und das Unternehmen arbeitet mit sehr vielen Lieferanten zusammen. Für chemfidence bestand die Herausforderung nicht nur in der Konsolidierung der Kataloge auf eine Plattform, sondern auch in der Ausgabe der Daten in unterschiedliche Medien. Es wurde eine Lösung für das Product Information Management gesucht, in das sowohl vor- als auch nachgelagerte Anwendungen wie e-Business optimal integriert sind. Mit der Catalog Suite von hybris verwaltet chemfidence nun einen lieferantenübergreifenden Katalog, der gleichzeitig die Daten für den B2B-Online Shop liefert. Aus dem System können jetzt auch Printkataloge ohne Medienbrüche produziert werden. Die einheitliche Datenbasis sorgt für konsistente Produktinformationen. Da die Daten direkt aus dem elektronischen Katalog über eine Schnittstelle in das Layout-Programm für den Printkatalog fließen, lassen sich hierbei enorme Zeiteinsparungen erzielen.
Best-Practise 2
Der Hersteller und Vermarkter hochwertiger Keramikprodukte und weltweit renommierte Lifestyle-Markenanbieter, Villeroy & Boch AG, erstellte bis zum Jahre 2000 alle Publikationen manuell in Excel und QuarkXpress. Umfangreiche Katalogwerke hatten Vorlaufzeiten von bis zu einem Jahr. Im Internet wurde das Produktsortiment nur unvollständig präsentiert. Eine vorhandene Bilddatenbank war nicht in die internen Prozesse der Werbemittelerstellung integriert und wurde dadurch nur unzureichend mit den neuesten Produktabbildungen gepflegt. Der hohe manuelle Aufwand zur Erstellung der Werbemittel verursachte neben den zeitlichen Verzögerungen auch hohe interne und externe Kosten. Mit der PIM-Lösung von SysCon hat sich das Produktsortiment der Villeroy & Boch AG fast verdoppelt. Vier große Katalogwerke, über 30 unterschiedliche Preislisten und Dutzende verschiedene Broschüren werden jedes Jahr in bis zu 14 Sprachen und in landesabhängigen Sortimenten generiert. Die Vorlaufzeiten in der Druckvorstufe reduzierten sich von teilweise mehreren Monaten auf wenige Tage. Die Kosteneinsparungen amortisierten das Projekt noch innerhalb des ersten Jahres nach der Einführung.
Best-Practise 3
Die Firma Wiha Werkzeuge GmbH ist ein namhafter Markenanbieter hochwertiger Premiumwerkzeuge mit mehreren internationalen Tochtergesellschaften. Das komplexe Datenmodel von Wiha, bei dem Artikel sowohl in Serien als auch in Sets vorhanden sind, stellt hohe Anforderungen an ein PIM-System. Mit Hilfe der PIM-Lösung von e-pro solutions GmbH werden bei Wiha heute rund 15.000 Artikel bei deutlich reduziertem Aufwand zentral redaktionell gepflegt und mehrsprachig publiziert. Neben einem Online-Katalog wird auch der Online-Marktplatz mit den entsprechenden Daten versorgt.
Best-Practise 4
Siemens Medical Solutions, einer der größten Anbieter im Gesundheitswesen, hat sein gesamtes PIM im Projekt Multi Channel Catalog Data Management neu organisiert. Nachdem die Produktinformationen bisher mit einem Alt-Verfahren und teilweise mit MS-Office Programmen aufbereitet wurden, erforderten die strengen Bestimmungen der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) eine komplette Neuorganisation. Weitere Ziele bei der Einführung eines zentralen PIM-Systems waren die Rationalisierung der Erfassungs-, Aufbereitungs- und Übersetzungsprozesse sowie die Möglichkeit, Produktinformationen und deren Änderungen deutlich schneller zu publizieren. Mit der Einführung einer zentralen PIM-Lösung von PIRONET NDH hat Siemens Medical Solutions eine signifikante Kostenreduktion erreicht: Produktdaten werden nur noch einmal erfasst, Übersetzer werden bei Änderungen unverzüglich informiert und können diese ganz gezielt bearbeiten. Alle Informationen unterliegen einem einheitlichen Qualitätssicherungs- und Freigabe-Prozess und sind so jederzeit konsistent und aktuell in allen angeschlossenen Systemen vorhanden. Manche Arbeiten, für die ein Redakteur früher Stunden benötigt hat, sind heute innerhalb von Minuten zu erledigen.
Wann macht das Einführen eines PIM-Systems Sinn?
Die Kernfrage, ob und wann sich die Einführung einer PIM-Lösung rechnet, ist nur individuell je Unternehmen und Situation zu beantworten. Allgemein lässt sich aus der Best-Practise Auswertung zumindest ein Kriterienkatalog generieren:
- Unternehmensgröße – Die Erfahrungswerte der Softwarebranche geben eine Unternehmensgröße von mindestens 100 Mitarbeitern beziehungsweise 50 Mio. Euro Umsatz vor. Ab dieser Größenordnung wird üblicherweise ein Unternehmen für den PIM-Markt relevant, in dem sich der Nutzen eines PIM-Systems über ROI-Zeiten unter 24 Monaten deutlich darstellen lässt. So setzt die Hälfte der befragten Unternehmen mehr als 50 Mio. Euro Umsatz um. Der hohe Anteil der Unternehmen mit 5 bis 50 Mio. Euro Umsatz relativiert jedoch diese Aussage und belegt damit, dass auch für kleinere Unternehmen das Thema PIM relevant ist. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiter, 30 Prozent sogar mehr als 500 Mitarbeiter.
- Verkaufssortiment – Ein weiteres Kriterium, insbesondere für die Sell-Side, stellt die Größe der Verkaufssortimente dar. 38,9 Prozent der untersuchten Unternehmen arbeiten mit Sortimenten bis 1.000 Artikeln, während 61,1 Prozent über mehr als 1.000 Artikel verfügen und 13,9 Prozent sogar Sortimente mit mehr als 50.000 Artikeln führen.
- Sortimente für e-Procurement – Auf der Buy-Side stellt ebenfalls die Sortimentsgröße eine wichtige Kenngröße dar. So haben 79,4 Prozent der befragten Unternehmen ein Sortiment mit mehr als 1.000 Artikeln in diesem Segment zu managen. Ab dieser Größenordnung kann es typischerweise sinnvoll sein, sich mit speziellen Lösungen für die Buy-Side zu beschäftigen.
- Internationale Ausrichtung – 92,5 Prozent aller befragten Unternehmen sind international tätig, somit scheint die Globalisierung im Bereich der untersuchten Unternehmen fast vollständig vollzogen. Zwei Drittel der international agierenden Unternehmen vertreiben in mehr als zehn Ländern, jedoch nur 22,2 Prozent dieser Unternehmen produzieren ihre Kataloge in mehr als fünf Sprachen.
- Vertriebskanäle und genutzte Medien – Für 98,7 Prozent aller befragten Unternehmen ist die gedruckte Broschüre, neben dem Printkatalog (87,5 Prozent), das bevorzugte Medium, das für die Kommunikation zum Kunden als Vertriebskanal genutzt wird. Interessant ist der hohe Stellenwert (46,4 Prozent), den Unternehmen dem Bereich elektronische Marktplätze/Portale mittlerweile einräumen. Trotz oder gerade weil gedruckte Kataloge das Hauptmedium sind, ist es von besonderer Bedeutung, wie intensiv dieses Medium zum Einsatz kommt. So produzieren 58,8 Prozent der Unternehmen weniger als vier Kataloge und nur 11,8 Prozent mehr als zehn Kataloge im Jahr. Hierbei zahlen 37,1 Prozent pro Katalog über 100 000 Euro, bei 8,5 Prozent sind es sogar mehr als 300 000 Euro.
- Einkaufskanäle und genutzte Medien auf der Buy-Side – zwei Drittel der befragten Unternehmen nutzen gedruckte Kataloge als Informationsmedium für den Einkauf. Jeweils über 80 Prozent nutzen für Anfragen und Bestellungen Fax/Brief und e-Mail als Kanal.
Noch wenige PIM-Installationen
Die Anwenderberichte sowie die Best-Practise Vergleiche zeigen auf unterschiedliche Weise, wie deutlich sich Unternehmen mit einer installierten PIM-Lösung von Unternehmen mit dezentralen Produktinformationssystemen unterscheiden und welche Potenziale durch PIM ermöglicht werden.
Umso erstaunlicher ist es, dass erst wenige Unternehmen eine installierte PIM-Basis haben. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen beschäftigen sich die Unternehmen an unterschiedlichen Stellen mit Produktinformation und das Wissen über Product Informationen Management und seine Vorteile ist über verschiedene Abteilungen verstreut, so dass es kaum einen zentralen Verantwortlichen für die Einführung einer Lösung gibt. Zum anderen kann die anhaltende Investitionszurückhaltung in den Unternehmen zu IT-Projekten einen weiteren Grund darstellen. Ebenso ist es möglich, dass die Informationen über Lösungen zu PIM die breite Unternehmensöffentlichkeit noch nicht erreicht haben. Letztendlich könnte jedoch auch eine Zurückhaltung in Bezug auf den schwer überschaubaren Softwaremarkt zu PIM und die Komplexität der Projekte sein eine Hemmschwelle für viele Unternehmen darstellen.
Autor
Thomas Lucas-Nülle ist Geschäftsführer der Lucas-Nülle Consulting & Partner (LN:C). Er gilt als anerkannter Experten für Product Information Management (PIM) und Cross-Media Publishing.
eingestellt am 25. April 2006