Warum „Null Bock” noch keinen Sinn macht

Die Diskussion um „Null-Bock-Tage” wird hierzulande falsch geführt. Schon der Begriff ist falsch. Es gibt aber gute Gründe, über das Konzept zu diskutieren.
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Einfach null Bock im Job oder nötige Pause? Über beides sollte man nachdenken, findet unser Kolumnist. (© Anna Pascale auf Unsplash)

Hauptsache, wir können schön polarisieren. So lassen sich die meisten Diskussionsbeiträge zum Thema „Null-Bock-Tage” zusammenfassen, die aktuell Medien und soziale Netzwerke fluten. Und zwar aus allen Richtungen. Da sind die Einen, für die Arbeit nicht mehr als die Erbringung von vertraglich geschuldeter Arbeitszeit ist. Hier haben Sinn und Lust keinen Platz. Arbeit ist schlicht zu erbringen, weil es nunmal so ist. Wer da an einen „Null-Bock-Tag” denkt, gehört auf den Scheiterhaufen der LinkedIn-Community.

Und dann ist da die andere Seite. Für die ein Arbeitgeber gleich als anachronistisch und menschenfeindlich gilt, wenn er nicht morgen den „Null-Bock-Tag” in der betrieblichen Praxis eingeführt hat. Nicht erst seit die Mehrheit in den USA dumm genug war, Donald Trump erneut zu wählen, zeigt sich, dass in der öffentliche Debatte die Differenzierung oft zu kurz kommt. Dabei wäre sie gerade beim Konzept der „Null-Bock-Tage” mehr als nötig. Das fängt schon beim Begriff an.

Im englischsprachigen Raum ist das Framing ein ganz anderes: Dort heißen die „Null-Bock-Tage” schlicht Rest Days, also eher Erholungs- oder Pausentage. Damit ist die Diskussionsbasis schon eine ganz andere. Denn während es im deutschsprachigen Raum so klingt, als ginge es darum, dass unmotivierte Mitarbeitende einfach mal nichts leisten wollen, weil ihnen der Sinn danach steht, sagt der Name Rest Days, worum es eigentlich geht: Menschen sind erschöpft oder ausgelaugt und müssen sich mit etwas anderem beschäftigen als mit Arbeit. Darüber lässt sich noch immer trefflich streiten. Aber auf einer ganz anderen Basis.

Wer glücklich ist, bleibt länger und hat bessere Ideen

Dass Arbeit den Menschen (ganz grundsätzlich) sinnvoll erscheinen sollte, das kann man bei Betrachtung der Fakten kaum ernsthaft anzweifeln. Schon aus ökonomischen Gründen, wie Tobias Hagenau, CEO vom Workmanagment-Software-Hersteller awork, erklärt: „Wer glücklich ist, bleibt länger und hat bessere Ideen. Unglückliche Mitarbeitende kosten also Geld.” In den durchschnittlich 72.000 Stunden, die Menschen in ihrem Leben mit Arbeit verbringen sollte also schon ein wenig Freude und Sinnempfinden stecken.

Das muss aber nicht per se ein Widerspruch zur Einführung von Rest Days sein. Denn: Gerade die Menschen, die ihren Job voller Leidenschaft machen und dafür brennen, haben nach langen Phasen der Anspannung eine Pause nötig. Es ist davon auszugehen, dass auch gerade diese Mitarbeitenden ein solches Konzept nicht ausnutzen würden. Sprich: Sich nicht genau dann von der Arbeit abmelden, wenn eine wichtige Deadline ansteht oder ein Projekt in die heiße Phase geht.

Andererseits droht vermutlich gerade die Gruppe von Arbeitnehmenden ein solches Konzept auszunutzen, deren Motivation ohnehin im Keller ist. In diesem Fall wären es also wohl echte „Null-Bock-Tage”. Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele Arbeitgeber verlangen ohnehin für die ersten Tage keine Krankschreibung. Wer also mit der Diagnose „Null Bock” aufwacht, kann sich schon heute in vielen Fällen abmelden. Ob das nun moralisch einwandfrei ist oder nicht. Die eigene Arbeit sinnvoller finden wird diese Gruppe von Menschen mit der Einführung von Rest Days aber nicht.

Fehlende Planbarkeit für beide Seiten

Also ja, Arbeitgeber müssen schauen, dass Mitarbeitende in ihrem Arbeitskontext zufrieden sind. Schon aus eigenem Interesse. Doch zur Forderung nach Rest Days findet Tobias Hagenau klare Worte: „Das kann nicht darin münden, dass Leute nicht mehr zur Arbeit kommen, weil sie schlicht keinen Bock haben. Das ist das Verhalten von einem verzogenen Kleinkind. Grow the fuck up. Der psychologische Vertrag zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden gerät damit massiv aus der Balance.” Was er meint: Beide Seiten brauchen über die Pflichten des Arbeitsvertrags hinaus Planbarkeit. Arbeitnehmende wollen wissen, wann Feierabend ist und in welcher Zeit sie ihren Urlaub planen können. Arbeitgeber müssen wissen, wie sie Projekte besetzen und Mitarbeitende einplanen können. Wenn Mitarbeitende spontan und aus persönlichen Lustempfinden entscheiden können, ob heute ein guter Tag zum Arbeiten ist, dann schlägt die Waage der Planbarkeit einseitig zugunsten der Arbeitnehmenden aus. Der Arbeitgeber kann seine Planung schlicht vergessen: „Ein Null-Bock-Tag bricht diesen Deal total. Wer so etwas will, versteht nicht, was Arbeiten bedeutet. So kann Flexibilität nicht funktionieren“, so Hagenau.

Natürlich kann man nun argumentieren, dass auch diese Rest Days auf wenige Tage im Jahr begrenzt sein sollten. Hagenau hält das Konzept auch dann nicht für zielführend: „Es gibt doch eine Regelung, wie definiert wird, ob Menschen frei haben oder nicht. Die nennt sich Urlaub.” Wenn man also nun glaube, dass Arbeitnehmende mehr Erholungszeit bräuchten, dann könne man ihnen ohne Probleme mehr Urlaub geben. „Nur warum gibt es denn einen Prozess zur Urlaubsplanung? Weil eben nicht jede*r frei nehmen kann, wann er oder sie will. Es braucht da ja Verantwortung von beiden Seiten. Leider kann man diese Verantwortung weder von allen Arbeitgebenden noch von allen Arbeitnehmenden erwarten.”

Doch schon mit dem ehrlichen Nachdenken über die Notwendigkeit von Rest Days ist viel gewonnen: Wer sich Gedanken darüber macht, der realisiert zumindest schonmal, dass Menschen sowohl Sinn bei der Arbeit empfinden wollen als auch Erholung, gerade nach anstrengenden Phasen, benötigen. Umfang und Umsetzung sind dabei eine andere Fragestellung. Ob das nun in Form von Rest Days passiert, von denen durchaus gute Erfahrungsberichte vorliegen. Ob es in Form von unbegrenzten Urlaubstagen passiert, wie es auch einige Unternehmen vormachen. Oder ob es schlicht einen für alle Seiten funktionierenden Urlaubsprozess braucht. Funktionieren können prinzipiell alle Lösungen. Etwas mehr Differenzierung in der Debatte wäre in jedem Fall sinnvoll.

Auf eine motivierte Woche!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.