Lieber nackig als in Plastik

Das Leipziger Start-up The Nu Company verpackt, anders als etablierte Wettbewerber, sein komplettes Schokoladensortiment in Papier. Auch mit ihrer Kommunikation lehnen sich die Newcomer weit aus dem Fenster.
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Während der Fashion Week in Berlin hat das Start-up seine Schokolade "ausgezogen". (© The New Company)

Nachhaltigkeitskommunikation ist nicht gerade der beste Stoff für launige oder provokante Werbekampagnen. Wie es trotzdem funktionieren kann, zeigt das Start-up The Nu Company mit seiner Schokoladenmarke Nucao. Während etablierte Wettbewerber wie Milka gerade erste Tests mit Papierverpackungen im Lebensmittelhandel fahren, ist der Newcomer mutig vorgeprescht und hat das auch in seiner Kommunikation gewohnt lautstark flankiert. „Wir haben nur begrenzte Mittel. Wen hätten wir denn hinterm Ofen hervorlocken können, wenn wir einfach kommuniziert hätten: Wir sind jetzt in Papier verpackt?“, fragt Kommunikationschefin Mary Worch.

Stattdessen starteten die Sachsen mehrere provokative Plakatkampagnen, darunter eine Guerilla-Kampagne zur Berlin Fashion Week Anfang Juli. Auf Hunderten Großplakaten quer durch Berlin waren Nucao-Tafeln ohne Verpackung zu sehen. Den ikonischen Claim der Tierschutzorganisation Peta „I’d rather go naked than wear fur”, wandelte The Nu Company dafür in „I’d rather go naked than wear plastic” ab.

Offensive Kommunikation im öffentlichen Raum und in Social Media

Nicht aus-, sondern angezogen – und zwar in Papier –, hatte das Start-up bereits im Frühjahr im Rahmen einer anderen OOH-Kampagne verschiedene touristische Wahrzeichen wie den Berliner Bären oder die Bremer Stadtmusikanten sowie Alltagsgegenstände wie Schaukeln auf Spielplätzen. Der Claim dazu (im Falle von Bremen): „Bescheuert bei den Stadtmusikanten. Genial bei Schokolade.“

Im Rahmen der „Bescheuert“-Kampagne wurden Wahrzeichen in Papier verpackt. (© The New Company)

Seine offensive Kommunikation zum Thema Verpackungen treibt das Start-up auch auf seinen Social-Media-Kanälen voran. So beglückwünschte Co-Gründer Christian Fenner den Wettbewerber Mondelez (Milka) jüngst in einem LinkedIn-Post für seinen Test mit Papierverpackungen:

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Nucao komplett in Papier verpackt seit 2024

Das Start-up für vegane und nachhaltige Schokolade wurde 2016 von drei befreundeten Ingenieurs-Studenten gegründet, hat in der Folge bei Investoren wie Nico Rosberg (Höhle der Löwen) und Michael Durach (Develey) gepunktet und ist 2022 mit einem umfassenden Relaunch – inklusive neuem Markenauftritt, neuen Rezepturen und Produkten – noch einmal neu durchgestartet.

Im selben Jahr begannen die Leipziger auch ihre Verpackungen, die zuvor aus kompostierbarer Zellulosefolie bestanden, sukzessive auf Papierverpackungen umzustellen. Nach dem Umstieg bei Schokoriegeln und Tafelschokoladen im Frühjahr dieses Jahres ist nun das gesamte Nucao-Sortiment in vollständig recyclebares Papier verpackt.

Mit einer ungewöhnlichen Plakatkampagne hat das Start-up im August in Leipzig auf seine Papierverpackungen aufmerksam gemacht. (© The New Company)

Die hohe Umweltverträglichkeit des Verpackungspapiers, das vom Partner Koehler Paper entwickelt wurde, hat sich das Start-up zertifizieren lassen. Im Vergleich zu herkömmlicher Kunststoffverpackung reduzieren die flexiblen Papierverpackungen den CO2-Fußabdruck signifikant, heißt es vom Hersteller. Die Papierfasern können im gängigen Papier-Recyclingprozess bis zu 13-mal wiederverwertet werden.

„Große Schokohersteller testen vereinzelt papierbasierte Verpackungen, aber es braucht ein Start-up, um den Traum der nachhaltigen Papierverpackung im Supermarkt zu realisieren“, sagt Mathias Tholey, Co-Gründer von Nucao. Für den Jungunternehmer ist die Bekämpfung von Plastikmüll, gerade bei Verpackungen, „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“. Das Start-up liefere den Beweis dafür, dass ökologische Verpackungsalternativen nicht nur notwendig, sondern auch praxistauglich seien. „Dies stellt eine Innovation und ein Alleinstellungsmerkmal in einem Schokoladenregal dar, das bisher von Plastik- und Aluminiumfolien dominiert wurde”, so Tholey weiter.

Für Ritter sprechen praktische Gründe gegen Papier

Doch wieso gelingt dem kleinen Herausforderer im umkämpften Schokoladen-Geschäft etwas, vor dem die etablierten Konkurrenten bislang zurückschrecken?

Einer dieser Wettbewerber ist Ritter Sport. Die Marke, selbst seit langem ein Vorreiter in Bereichen wie faire Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit und Umweltschutz, hat ihre Verpackungen im Laufe der Jahre stetig nach ökologischen Gesichtspunkten verbessert. Die heute eingesetzten Polypropylen-Folien sind vollständig recyclebar. Dennoch war und ist auch der Mittelständler bestrebt, auf nachwachsende Rohstoffe umzusteigen. Die Schwaben haben 2020, ähnlich wie aktuell Milka, bereits Papierverpackungen getestet und sogar mitentwickelt. Seine Learnings hat das Unternehmen, wie hier in diesem Blogeintrag, transparent mit seinen Kund*innen geteilt.

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Der Prototyp von Ritter Sport in Papier verpackt von 2020. (© Ritter Sport)

Dennoch setzt Ritter heute (noch) nicht auf Papier. Unternehmenssprecherin Petra Fix erklärt, wieso: „Wir könnten es nur mit einzelnen Sorten umsetzen, viele unserer Produkte sind nicht ‚papierverträglich‘.“ So könnten etwa bei feuchten Zutaten wie Rosinen in der Sorte Rum-Trauben-Nuss Flecken im Papier entstehen. Bei salzhaltigen Sorten könnten aufgrund einer mangelnden Wasserdampfbarriere auf den heute zur Verfügung stehenden Papieren Wassertröpfchen auf der Schokolade entstehen. Bei Sorten wie Cornflakes drohte das Papier Brüche oder Risse zu bekommen. „All dies sind Ergebnisse, die unseren Qualitätsansprüchen in keinem Fall genügen“, sagt Fix. „Unsere Tests haben auch gezeigt, dass die Konsument*innen diese Mängel nicht akzeptieren würden“, so das Fazit des Unternehmens.

Ein weiterer Aspekt, der derzeit gegen Papier spreche, sei die Tatsache, dass der Verpackungsprozess mit Papier langsamer laufen würde als bisher. Sollten Innovationen aber einmal dazu beitragen, diese praktischen Hindernisse zu beseitigen, kann man sich beim Hersteller auch einen Umstieg vorstellen. „Wir beobachten die Entwicklungen im Markt sehr genau und schließen nichts aus“, sagt Fix.

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.