Die Welt retten, indem wir Schokolade essen? Viele Start-ups propagieren den Ansatz, dass Konsum einen positiven Effekt auf Umwelt und Gesellschaft hat. Eines, das diese Stoßrichtung sehr laut und beinahe aggressiv verfolgt, ist die Nu Company aus Leipzig. Die Gründungsgeschichte klingt wie aus einem Start-up-Bilderbuch.
Ganz zu Beginn stand ein selbstgemachter Riegel aus geschmolzener Schokolade, den die Freundin von einem der drei Nu-Gründer hergestellt hat. Die Ingenieursstudenten waren begeistert und tüftelten an der Rezeptur eines Superfood-Snacks. Heraus kam 2016 unter dem vorläufigen Namen „Nucao“ ein pflanzlicher Riegel mit natürlichem Süßungsmittel. Der Vertrieb lief zunächst über Bioläden. Gemeinsam mit einem Produzenten wurde die Produktpalette trendgerecht auf Eiweißriegel erweitert. Verpackt wird alles plastikfrei, pro Riegel versprechen die Gründer einen Baum zu pflanzen.
Nu Company ist laut gegen Konkurrenten und Politik
Die Geschichte wirkte: Die Riegel der Nu Company eroberten Drogerien und den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel. Ex-Rennfahrer Nico Rosberg und Michael Durach, Geschäftsführer des Senf-Produzenten Develey, investierten. Die Gründer von Nu Company betraten einen Markt mit Potenzial: Laut dem Branchenblatt „Vegconomist“ sollen allein Produkte mit pflanzlichen Proteinen mit einer jährlichen Durchschnittsrate von knapp zehn Prozent wachsen. Die Nu Company konnte bereits 2020 den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr auf gut sieben Millionen Euro verdreifachen.
Was aber noch mehr wirkt, ist das lautstarke Marketing. CO2-neutral wirtschaften und Bäume pflanzen sind Konzepte von vielen Social Businesses. Nu Company will mehr. So stellen die Gründer in ihrer Marketing-Strategie nicht nur gerne Konkurrenten an den Pranger, sondern auch die Politik. Im Magazin „Der Spiegel“ haben die Leipziger beispielsweise in Form einer Anzeige einen offenen Brief veröffentlicht. Darin wurden die Bundesagrarministerin Julia Klöckner und Nestlé attackiert. Nu Company forderte eine ökologischere Nahrungsmittelproduktion und eine Zuckersteuer.
Das klare Ziel: Aufmerksamkeit. Denn natürlich wird bei derartigen Aktionen auch der eigene Riegel als Alternative präsentiert. Nu Company will sich klar positionieren. Und ihr Mittel der Wahl im Marketing ist Lautstärke. So heißt es, Nestlé sei von Profitgier getrieben. Die Gesundheit der Konsumenten sei gleichgültig. Maßnahmen der Politik seien allenfalls nett gemeint. Laut Nu Company komme die Strategie von den Gründern selbst und sei nicht von einer Werbeagentur konzipiert.
Nu Company schaltet kritische Anzeige im „Spiegel“
Neu sind politische Forderungen im Marketing – gerade von jungen Unternehmen – nicht. So hat das Kondom-Start-up Einhorn beispielsweise eine Kampagne zur Senkung der Mehrwertsteuer auf Damenhygieneprodukte auf den Weg gebracht. Aber wohl niemand ist so laut unterwegs wie die Gründer der Nu Company. Dabei kommt ihnen viel Kritik entgegen. Sie sollten aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen und lieber betonen, was sie selbst gut können, heißt es in den sozialen Medien mitunter. Aber die Lautstärke funktioniert. So hat die Kampagne „foodforanuworld“, zu der die „Spiegel“-Anzeige gehörte, dafür gesorgt, dass sich die Riegel bei dm und Rewe langfristig etablieren konnten.
Zudem seien im Laufe der Kampagne die Online-Umsätze stark gestiegen. Die Zahl der Instagram-Abonnenten habe sich verdoppelt und sogar Nestlé habe sich gemeldet, um ins Gespräch mit den Gründern zu kommen, so die Nu Company. Bald steht die nächste groß angelegte Kampagne ins Haus. Auch diese verspricht politisch zu werden. Schließlich steht die Bundestagswahl an.
Nu Company bündelt Lautstärke
Hierfür bündelt Nu Company die Lautstärke. Denn zusätzlich zu den eigenen Kampagnen engagiert sich das Unternehmen im Verbund „Start-ups For Tomorrow“. Darin haben sich junge Unternehmen wie die Bio-Tampon-Marke The Female Company oder das Reinigungsmittel-Start-up Everdrop zusammengetan, um sich einerseits auszutauschen, aber auch, um gemeinsam Kampagnen zu entwickeln. Ziel ist nicht weniger als eine „Lobby des Guten aufzubauen“. Auch dies dürfte keinesfalls leise geschehen.