Nicht ganz, aber ein bisschen: Springer ist jetzt Döpfner

Friede Springer übergibt die Macht an Vorstandschef Mathias Döpfner. Die Großaktionärin verkauft ihm einen Teil ihrer Aktien, den größeren schenkt sie ihm. Zudem überlässt sie ihm Stimmrechte. Was wird nun aus dem "Bild"-Konzern, der wie sein Chef nach Größerem strebt?
Döpfner
Springer-CEO Döpfner: "Wir glauben fest an die Zukunft von digitalen journalistischen Angeboten und Rubriken. Dabei liegt der Fokus in den nächsten Jahren nicht auf kurzfristiger Gewinnoptimierung, sondern auf längerfristiger Wachstumsbeschleunigung." (© Axel Springer)

Berliner Springer-Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten an den Anblick gewöhnt. An jedem Werktag fährt Friede Springer vormittags vor ihrem imposanten Verlagshaus in Kreuzberg vor. Dann eilt die 78 Jahre alte Friede Springer mit einem Lächeln an den Pförtnern vorbei zum Aufzug in ihr Büro im 19. Stock des goldenen Turms. Genaugenommen ist es aber immer noch das Büro ihres verstorbenen Mannes Axel Springer. Kein Journalist, der es betreten durfte, lässt etwa den an seinem Todestag 22. September 1985 aufgeschlagenen Tischkalender unerwähnt. Auch ansonsten blieb das Büro unangetastet.

Döpfner übernimmt bei Axel Springer 19 Prozent der Anteile

Doch das Erbe ihres Mannes gibt Friede Springer nun aus der Hand. Sie überlässt dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, rund 19 Prozent ihrer Anteile am Unternehmen. 4,1 Prozent davon muss er laut einer Mitteilung des Verlags kaufen. Die Rede ist von einem über 63 Euro pro Aktie orientierten Kaufpreis von etwa 276 Millionen Euro.

Den größeren Teil aber schenkt Friede Springer ihrem Topmanager. Zusätzlich verfügt Döpfner künftig über die Stimmrechte der in Friede Springers Besitz bleibenden 22 Prozent. Laut Unternehmenskreisen ist außerdem sein Vorstandschef-Vertrag erst vor kurzem „langfristig verlängert“ worden. Döpfner ist nun der starke und laute Mann im Haus, der die starke, aber leise Frau als Machtfaktor ablöst.

Friede Springer sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Mein Wunsch ist, für Kontinuität bei Axel Springer zu sorgen und das habe ich jetzt getan. Die Zukunft von Axel Springer ist mir mein ganzes Leben lang wichtig.“ Die 78-Jährige betonte auch: „Jetzt ist für diesen Schritt genau der richtige Zeitpunkt. Ich bin sehr glücklich, mit Mathias meinen Nachfolger gefunden zu haben.“

Auf die Frage, wie lange sie noch im Aufsichtsrat bleibe, sagte Springer: „Ich bleibe im Aufsichtsrat und im Aktionärsausschuss. Ich möchte nur sicher sein, dass, wenn mir etwas passiert, ich bei Mathias unser Verlagshaus in den richtigen Händen weiß.“

KKR gehören 47,6 Prozent der Aktien des Springer-Konzerns

Frei schalten und walten kann Döpfner trotz der Macht, die ihm Friede Springer nun verleiht, allerdings nicht. Seit einem Jahr gehören 47,6 Prozent der Aktien des Springer-Konzerns der US-Beteiligungsgesellschaft KKR. Der Einstieg der knallharten Investoren befreite Springer aus den Zwängen seiner Börsennotierung, löste aber auch Spekulationen über die Zukunft des Hauses aus. Würde Springer etwa mit anderen Mediengiganten verschmolzen? Droht erst der chronisch defizitären „Welt“ und mittelfristig auch der gedruckten „Bild“-Zeitung das Aus, deren Auflage im freien Fall ist? Der Berliner Medienkonzern hatte 2019 einen Jahresumsatz von 3,11 Milliarden Euro und rund 631 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Abgaben verzeichnet. Das meiste Geld wird längst mit digitalen Rubrikenportalen verdient.

Döpfner: „Axel Springer ist mein Leben.“

Döpfner sagte der dpa über die Zukunft des Konzerns: „Wir bleiben bei unserem Kurs. Denn wir glauben fest an die Zukunft von digitalen journalistischen Angeboten und Rubriken. Dabei liegt der Fokus in den nächsten Jahren nicht auf kurzfristiger Gewinnoptimierung, sondern auf längerfristiger Wachstumsbeschleunigung.“ Döpfner betonte auch: „Axel Springer ist mein Leben. Ich wollte immer den unruhigen Schlaf des Unternehmers und nie nur Manager sein.“

Die Springer-Manager, die am vergangenen Donnerstag im Laufe des Tages zu einer weltweiten Telefonkonferenz einbestellt waren, werden ebenso wie alle deutschen Medienastrologen nun die Wege der Friede Springer zu deuten versuchen. Bislang wurden widersprüchliche Versionen erzählt. Der mit 2,02 Meter hochaufgeschossene charismatische Döpfner erinnere Friede Springer an ihren Mann. Er habe sie bei einer privaten Soiree mit Chopin-Etüden verzaubert. Das klang wie ein Artikel von der letzten «Bild»-Seite, stimmte leider aber so auch nicht, wie Döpfner und Eingeweihte zu versichern nicht müde wurden. Auch große Berichte über ein Zerwürfnis der Verlegerin mit dem von ihr 2002 zum CEO beförderten Ex-«Welt»-Chefredakteur lesen sich angesichts der jüngsten Nachricht alt.

Was hat Döpfner, was andere nicht haben?

Was also hat Döpfner, was andere nicht haben? Die Springer-Auguren bevorzugen aktuell folgende Variante: Der 57 Jahre alte Döpfner habe einfach einen guten Job gemacht, zum Beispiel schrumpfende Regionalzeitungen rechtzeitig abgestoßen und entschlossen wie kein anderer aufs Digitale gesetzt. Er sei außerdem mehr Journalist als „Flanellmännchen“, wie der alte Springer seine Manager nannte. Das gefalle ihr.

Döpfner selbst gibt immer wieder geschickt diesen Wanderer zwischen der Welt der Zahlen und der Gedanken: Er redet gern übers Geschäft, aber lieber noch über das, was politisch falsch läuft. Dass er dabei auch Lautsprecher wie „Bild“-Chef Julian Reichelt gewähren lässt, gefällt laut jüngster Kolportage nicht einmal Friede Springer, wird zu Döpfners Gunsten aber als unbeirrbare Führungsstärke und Liberalität ausgelegt. Das alles mag eine Rolle gespielt haben bei der Schenkung von Berlin.

Die ganze Antwort kennt ohnehin nur Friede Springer. Die auf Föhr geborene fünfte Ehefrau des Verlagsgründers wollte immer nur Mehrheitsaktionärin genannt werden. Den Begriff Verlegerin lehnte sie mit ihrer sanften Stimme ab: „Ich verlege höchstens meine Brille.“ Nun ist sie auch nicht mehr Mehrheitsaktionärin. Springer heißt noch Springer. Aber es steckt sehr viel Döpfner drin.

Von Sven Gösmann, dpa