Sicher sind Sie online bereits über den Begriff sogenannter NFTs (Non-Fungible Tokens) gestolpert. Die gibt es zwar schon seit 2017, aber erst in den vergangenen Monaten nahm der NFT-Hype große, wenn nicht sogar groteske Züge an. Es scheint, als hätte die Covid-19-Pandemie der Blockchain-Technologie einen weiteren Höhenflug verpasst und neue Spielarten entfesselt. Selbst traditionelle Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s entwickeln nun Strategien für den Verkauf von NFTs. Warum auch nicht – wir sprechen schließlich von Verkaufspreisen in Millionenhöhe.
Sängerin Grimes verkaufte ein NFT-Kunstwerk für sechs Millionen US-Dollar, eine digitale Collage von Beeple ging kürzlich sogar für 69,3 Millionen US-Dollar über den Tisch. Derartige Summen kann man sicher nur teilweise mit FOMO (fear of missing out, Anm. d. Red.) erklären, also der Angst etwas zu verpassen. Für mich ist das ein Grund, das Phänomen genauer unter die Lupe zu nehmen.
- Was sind NFTs?
- Und was bedeutet ihre Etablierung für unsere Marketingwelt?
Was sind NFTs?
Ein NFT ist im Grunde nichts anderes als ein digitales Asset, für welches Sie (im übertragenen Sinne) ein Echtheitszertifikat erhalten. Dieses Zertifikat basiert, wie zum Beispiel auch Kryptowährung, auf der Blockchain-Technologie: Daten werden verschlüsselt und private Schlüssel miteinander ausgetauscht und so deren Echtheit nachgewiesen. Und zwar, indem jedem NFT ein sogenannter Minting-Code zugewiesen ist. Dieser Code macht das NFT weltweit einmalig und trägt so zu einer potenziellen Wertsteigerung bei. Wie bei einem haptischen Kunstwerk, nur eben digital als jpg, mp3, gif oder mov. Alle könnten eine Kopie haben, aber nur Sie können nachweislich von sich behaupten, Eigentümer*in zu sein!
Dieser Fakt in Kombination mit dem aktuellen Hype führt dazu, dass in den vergangenen Wochen eine wahre Goldgräberstimmung um das Thema entstand. Es stellt sich die berechtigte Frage: Warum soll ich für etwas Digitales so viel Geld ausgeben, wenn ich es einfach via Screenshot auf meinen Rechner speichern und so oft vervielfältigen kann, wie ich will? Hier stellt sich die Gegenfrage: Was ist der Unterschied zwischen einem Foto der Mona Lisa von Ihrem letzten Louvre-Besuch auf Ihrem Smartphone und dem Original an der Wand? Betrachten lassen sich beide gleich gut. Nur leider besitzen Sie damit eben nicht das Original.
Originale und Kopien
Was wären die Folgen, wenn sich das Prinzip der NFTs in unserer Onlinewelt aus ewig kopierten und umsonst weiterverbreiteten Inhalten etablieren würde?
Zunächst einmal würde das Internet an Sicherheit gewinnen. Denn Inhalte lassen sich immer klar als Original oder Kopie erkennen. Es ließe sich klar die originale Botschaft einer Marke von Remakes oder Fälschungen unterscheiden. Gerade auch im Hinblick der Deep-Fake-Thematik liegt darin eine spannende Chance.
Die viel größere Veränderung wäre aber auch in der bisher bekannten Wertschöpfungskette zu erwarten. Creators schaffen Inhalte, an denen sie direkt und für die gesamte Lebenszeit der Inhalte partizipieren können. Denn wenn ein Original verkauft wird, fließt ein Share an den oder die ursprünglichen Creators zurück. Und umso öfter ein Asset im Netz geteilt wird, umso begehrlicher und wertvoller ist es, das Original zu besitzen. Die Mona Lisa definiert ihren Wert für den Louvre auch über die Anzahl der Besuchenden, die sie jedes Jahr sehen wollen. So gesehen bekommen digitale Assets auf einmal einen völlig neuen Wert. Was heute für Skizzen verstorbener Künstler gilt, kann morgen für Notizen, E-Mails und Fotos gelten. Oder für die Erbschaftssteuer.
NFTs bieten Chancen für die Marketingwelt
Ein weiteres auch für Marketer spannendes Spielfeld bietet die Verschmelzung von digitalem und analogem Eigentum, wie bei den „Crypto Kicks“ von Nike. Der Eigentümer der Original-„Crypto Kicks“ wird auch der weltweit einzige Eigentümer des Pendants an den echten Füßen. Diese Synchronisierung von digitalem und analogem Eigentum bietet etliche Anwendungsmöglichkeiten. Denken sie beispielsweise an das Thema Sammelkarten, das sich nun auch online umsetzen lässt. Die nordamerikanische Basketballliga NBA hat schon heute über 230 Millionen US-Dollar mit dem Verkauf von NFT-Videohighlights erwirtschaftet – und wir stehen erst am Anfang von offiziell lizenzierten NFTs. Der Markt für digitales Merchandise großer Marken und Franchises könnte gigantisch werden – auch weil diese Assets als NFTs fälschungssicher sind.
NFTs haben ökologischen Haken
Derzeit muss man bei den meisten NFTs noch von einem zweischneidigen Schwert sprechen. Denn ähnlich wie Kryptowährung ist der Handel mit Krypto-Kunstwerken extrem energiehungrig und hat mit der Kritik zu kämpfen, ökologisch mehr als fragwürdig zu sein. Das hängt damit zusammen, auf welche Berechnungsmodelle die Blockchains setzen – und hier sieht es bei den meisten ökologisch düster aus, weil ihr Stromverbrauch immens ist. Solange keine umweltfreundlicheren Alternativen greifen, ist der Sprung auf den NFT-Zug also mit einem ethischen Dilemma verknüpft.
Doch es gibt bereits Strategien, die sich in der Zukunft durchsetzen könnten, wie etwa die private Blockchain der NBA. Ohne groß ins Detail zu gehen: Wer bei dieser Blockchain mitmischen will, muss Anteile der eigenen Kryptowährung als Pfand abgeben. Wer Mist baut, bekommt sein Pfand nicht zurück, was für mehr Sicherheit sorgen soll. Man nennt es auch „Proof of Stake“. Der extrem energielastige (weil auf komplexen Rechenaufgaben basierende) Mining-Prozess, der bisher für diese Sicherheit sorgen soll, wäre durch diese technische Anpassung der Blockchain-Technologie drastisch verkleinert.
Ich würde sie gerne noch weiter in die Welt der NFTs entführen, aber dafür reicht der Platz leider nicht. Das Learning, dass Sie mitnehmen sollten, ist: NFT bietet uns die Möglichkeit, Eigentumsverhältnisse online so abzubilden, wie sie auch offline herrschen.