„New Work ist ein ständiger Frontalaufprall auf die Mittelstandswirklichkeit und bedeutet: Es bleibt nichts, wie es war“, so Martin Talmeier, Digitalisierungsmanager des Hasso-Plattner-Instituts für Design Thinking in Potsdam. Und tatsächlich: mit der durch die Corona-Pandemie aufgezwungenen Digitalisierungsoffensive deutscher Unternehmen haben teilweise auch flexible Arbeitsmodelle, die sonst hauptsächlich im Start-up-Umfeld bekannt sind, Einzug in die manchmal behäbige Mittelstandswelt gehalten.
New Work als Sammelbegriff für verschiedene Arbeitsmodelle und -formen scheint endlich die Flexibilität zu bringen, die sich Organisationsforscher und Vordenker seit langem wünschen. Flache Hierarchien, flexible Arbeitszeiten, Sinnerleben der Arbeit – wer könnte etwas dagegen haben?
Veränderung als einzige Konstante
Bei allen Vorteilen darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Umsetzung solcher New-Work-Ansätze eine enorme Herausforderung sein kann – für viele Mitarbeiter*innen und übrigens genauso für viele Führungskräfte. Denn auch in der neuen Arbeitswelt haben wir es immer noch mit denselben Menschen zu tun wie bisher. Wenn beispielsweise von überall gearbeitet werden kann und jede*r ständig erreichbar ist, verschwimmen die Grenzen von Arbeits- und Privatleben. Von Teams und ganzen Organisationen wird erwartet, dass sie agil sind, das heißt sich schnell an neue, sich ständig verändernde Umstände anpassen. Die einzige Konstante scheint die Veränderung zu sein.
Für viele Mitarbeiter*innen mag das spannend sein, aber was ist mit denjenigen, die sich in der „alten“ Arbeitswelt wohlgefühlt haben? Für die ein Arbeitsplatz außerhalb des Privaten, klare Hierarchien, Aufgabenstellungen und Verantwortlichkeiten die berufliche „Heimat“ sind? Die gerne um 9 Uhr zur Arbeit gehen und um 17 Uhr Feierabend haben? Für die ständige Erreichbarkeit ständigen Stress bedeutet?
Wenn Mitarbeiter*innen auf fluide Arbeitsstrukturen treffen, sind Konflikte vorprogrammiert. Denn wenn Teams sich nicht mehr persönlich treffen, ist die Gefahr groß, dass das Zwischenmenschliche auf der Strecke bleibt. Wenn jede*r nur noch allein am Bildschirm sitzt und man sich nur noch zur Präsentation der Ergebnisse online trifft, ist das zu wenig. Zwei Jahre pandemiebedingtes Homeoffice haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, Mitarbeiter*innen technisch gut auszustatten.
Zwischenmenschliches kommt zu kurz
Das Zwischenmenschliche ist während der zwangsverordneten Homeoffice-Zeit vielfach zu kurz gekommen. Es braucht weiterhin Zeit und Raum für Menschliches, zwischen Kolleg*innen und mit der Führungskraft. Wenn Spannungen auftreten (und das passiert, wenn Menschen zusammenarbeiten, das ist unvermeidbar), sollten diese möglichst frühzeitig adressiert werden, damit sie nicht eskalieren.
Nun ist New Work nicht mit Homeoffice gleichzusetzen, aber schon das Drehen an nur dieser Stellschraube allein hat gezeigt, in welch empfindlichem Biotop wir uns bewegen. Seit die Menschen wieder an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren, ist die Nachfrage nach Teamworkshops, Moderationen, Mediationen etc. stark gestiegen. Schon die Frage, wie sich fortan ein Mix aus Homeoffice und Anwesenheit gestalten lässt, stellt für viele Teams eine Herausforderung dar.
Investition in Zusammenarbeit zahlt sich aus
Zum Glück gibt es Instrumente, die Unterstützung bieten. Mit einem guten Konfliktmanagement gelingt es, so manche Klippe zu umschiffen, die am New Work-Horizont auftauchen mag. Um hier möglichst ressourcenschonend und für alle Beteiligten gewinnbringend zu agieren, sollte der Schwerpunkt auf die Konfliktprävention (das Vermeiden der Eskalation von Konflikten, nicht das Vermeiden der Spannungen selbst – Letzteres wäre ein sinnloses Unterfangen) gelegt werden. Denn jede Veränderung bietet auch die Chance, die Arbeitsbeziehung zu stärken.
Jede Investition in das Team, in die gemeinsame Zusammenarbeit zahlt sich aus. Ein Workshop zur Zusammenarbeit, ein regelmäßiger Blick auf das Team als solches wird von vielen Mitarbeiter*innen als Geste der Wertschätzung empfunden und kann die Arbeitsbeziehungen deutlich verbessern. Und mit gestärkten Mitarbeiter*innen gelingt auch die Transition in das vielfach noch unbekannte Gewässer der „Neuen Arbeit“.
Alexandra Sarstedt ist Trainerin, zertifizierte Mediatorin, systemische Business Coach und Rechtsanwältin.