New Work im Handwerk: Fritsch macht es vor 

Vier-Tage-Woche beim Heizungsbauer? Ein Familienbetrieb in der Pfalz zeigt, wie sich Tradition und Moderne verbinden lassen. Das hilft auch bei der Nachwuchswerbung.
Natürlich muss ein gewichtiger Teil der Handwerksleistungen vor Ort erledigt werden. Doch so manche Aufgaben lassen sich auch von zu Hause erledigen.
Natürlich muss ein großer Teil der Handwerksleistungen vor Ort erledigt werden. Doch manche Aufgaben lassen sich auch von zu Hause erledigen. (© Imago)

Die Firma Fritsch ist ein eher unerwarteter Pionier. Ein Familienbetrieb in der Provinz, 1949 gegründet, Schwerpunkt Heizung/Sanitär. Rundum bodenständig, sollte man meinen – bis auf das Thema Arbeitswelt. Es sei unverzichtbar, sich auf die neuen Zeiten einzustellen, findet Julia Hunsicker, die für Personal zuständige stellvertretende Geschäftsführerin: „Die Ansprüche der Beschäftigten verändern sich. Wir wachsen mit den Bedürfnissen mit.“  

„Anschreien ist nicht mehr. Heute sagt man Bitte und Danke“, berichtet Julia Hunsicker vom Handwerkbetrieb Fritsch über Veränderungen im Umgangston. (© privat)
„Anschreien ist nicht mehr. Heute sagt man Bitte und Danke“, berichtet Julia Hunsicker vom Handwerkbetrieb Fritsch über Veränderungen im Umgangston. (© privat)

Rund 70 Angestellte hat der Betrieb, der in Steinwenden sitzt, einer 3000-Einwohner-Gemeinde nahe Kaiserslautern. Zu den Gewerken gehören neben Heizungsbau auch Rohrleitungsbau, Kältetechnik und Schreinerarbeiten. Hunsicker, die Tischlerin gelernt und einen Abschluss als Betriebswirtin im Handwerk in der Tasche hat, wird den Betrieb in naher Zukunft zusammen mit ihrer Schwester leiten – noch steht der Vater an der Spitze der Geschäftsführung. Die Beschäftigung mit New Work habe in der Pandemie begonnen, sagt sie. „Damals haben wir nach neuen Lösungen zur Arbeitsorganisation gesucht.“ 

Vier-Tage-Woche und Homeoffice während Corona eingeführt  

Fünf Jahre später hat sich viel verändert: Eine Vier-Tage-Woche ist möglich, zwei Kollegen machen davon Gebrauch. Wer überwiegend im Büro oder in der Planung arbeitet, kann das auch von zu Hause aus. Und um die Arbeitszeit für alle flexibler zu gestalten, wurde die Kernzeit an Freitagen um dreieinhalb Stunden verkürzt – wer will, kann um 13 Uhr nach Hause gehen und auf diese Weise Überstunden ausgleichen. „Vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen“, sagt Hunsicker.  

Auch die Rufbereitschaft für Reparaturen wurde reduziert. „Früher sind Mitarbeiter noch um 22 Uhr rausgefahren“, sagt Hunsicker. Heute gibt es selbst für den Notdienst am Wochenende eine Kernzeit, von 10 bis 16 Uhr.  

Die 40-Jährige will durch die Rücksicht auf Arbeitnehmerinteressen auch das Image stärken – vor allem mit Blick auf den Nachwuchs. Schließlich herrsche im Handwerk Bewerbermangel, „da wollen wir versuchen, sichtbar zu sein“.  

Familiäre Atmosphäre in den Handwerksbetrieben 

Auch wenn die Firma Fritsch zu den Vorreitern gehört, allein auf weiter Flur ist sie nicht. Eine Analyse des Deutschen Handwerksinstituts in Kooperation mit der Handwerkskammer der Pfalz, für die neun Betriebe interviewt wurden, zog das Fazit: „Das gesellschaftlich oft vorherrschende Bild des patriarchischen Betriebsinhabers lässt sich in dieser Studie nicht bestätigen.“ Vielmehr herrsche in den Betrieben eine familiäre Atmosphäre, mit einer Führungskraft, die „als Coach und Partner“ agiere. Auch gebe es „deutliche Freiheiten bei der Arbeitszeit“, was eine bessere Work-Life-Balance ermögliche.  

Freilich, es gibt Grenzen: Ein defekter Heizkessel lässt sich nun mal nur vor Ort austauschen. Doch die Digitalisierung schafft auch neue Möglichkeiten im Service: Viele Einstellungen steuern die Heizungsbauer, indem sie sich auf das System aufschalten. Kund*innen seien immer wieder überrascht, „wenn man sagt, da muss gar keiner kommen“, berichtet Hunsicker.  

Gemeinsame Events stärken Teamgeist 

Einen höheren Stellenwert aus früher hat auch die Teampflege: Es gibt ein Sommerfest und einen gemeinsamen Kirmesbesuch. Neuerdings bekommen die Gewerke überdies ein Budget für ein frei wählbares Event, sei es Bowling, Wandern oder Mountainbikefahren.  

Und der Umgangston? Früher ging es im Handwerk rau zu, Mitarbeiter*innen mit Glaskinn konnten es schwer haben. Das sei inzwischen ganz anders, sagt Hunsicker und lacht. „Anschreien ist nicht mehr. Heute sagt man Bitte und Danke.“ 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.