New Economy und nachhaltiges Wirtschaften in einer globalisierten Welt

New Economy gilt als Inbegriff des Wirtschaftens im 21. Jahrhundert. Neu am E-Commerce ist dabei nicht nur die zugrundeliegende Technik. Entscheidend wird zusehends die "virtuelle" Produktion eines Produkts in den Köpfen der potenziellen Kunden.

Wer seine Produkte mit der interessanteren Story verknüpft, gewinnt auf dem Markt der Zukunft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Rolf Jensen, Direktor des Kopenhagener Instituts für Zukunftsstudien schreibt dazu in seinem Buch „The Dream Society“: „Anyone seeking success in the market of the future will have to be a storyteller.“
Der virtuelle Wert von Produkten oder Unternehmen ist nicht neu. Man denke an den internationalen Ruf der deutschen Maschinenbauindustrie, an die Bedeutung von „Made in Germany“ oder an die Autos mit der „eingebauten Vorfahrt“. Der Wert eines Produkts für die Konsumenten und damit auch für Unternehmen lässt sich nicht nur über den Preis bestimmen. Vorstellungsbilder, Gefühle, alles das, was ein Produkt umgibt, spielt eine wichtige Rolle bei Kauentscheidungen.

Unternehmensstrategien im Fokus gesellschaftlicher Anliegen
New Economy ist damit nicht nur E-Commerce sondern eine neue Form wirtschaftlichen Handelns. Die virtuelle Seite wird in der New Economy zum bestimmenden Wirtschaftsfaktor. Strategische Entscheidungen werden von Vorstellungen über zukünftige Entwicklungen bestimmt nicht mehr von physischen Produkten und der materiellen Produktion. Für Unternehmen wird es damit immer wichtiger, die Einstellungen, Gefühle und Wünsche ihrer Kunden zu kennen, um auf den Märkten der Zukunft bestehen zu können.
Gesellschaftliche Anliegen werden zu einem zentralen Bezugspunkt für Unternehmensstrategien. Kritische globale Ereignisse wie Bhopal 1984, Chernobyl 1986, Shell Brent Spar 1995, um nur einige zu nennen, haben eines deutlich gemacht: Die Unternehmen können auf lange Sicht nicht gegen vitale Bedürfnisse und Anliegen ihrer Konsumenten bestehen. Was gut ist für das Unternehmen, muß nicht zwangsläufig von den Konsumenten als gut für die Gesellschaft und die Umwelt wahrgenommen werden. Wirtschaftliches Handeln bedarf zunehmend der öffentlichen Rechtfertigung.

Corporate Citizenship als neue Business-Strategie
Als Antwort auf diese Veränderungen im Unternehmensumfeld und auf den Märkten hat sich im angelsächsischen Raum Corporate Citizenship als neue Business-Strategie entwickelt. Eine Corporate Citizenship Strategie versucht die Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Themen, Konsumenteneinstellungen und Produktimage zu verstehen und zu managen. Die gelungene d.h. glaubhafte Verbindung von Anliegen, Einstellung und Image erzeugt Differenzierungsgewinne, steigert die eigene Reputation und festigt die Beziehungen zu Konsumenten und Stakeholdern. Wer in Zukunft erfolgreich wirtschaften will, muß nicht nur glaubhafte Produkt- und Markenimages entwickeln, Konsumenteneinstellungen und Präferenzen kennen sondern auch gesellschaftliche Themen verstehen und bearbeiten.

Dialog mit Konsumenten
Ein wichtiges Mittel dafür ist der wechselseitige Dialog mit Stakeholdern und Konsumenten. In der alten Wirtschaft sollte eine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie, die vor allem die Vorzüge eines Produkts pries, zum Kauf anregen. Ein wechselseitiger Dialog zwischen Unternehmen und seinen Konsumenten hatte darin keinen Platz. In der neuen Wirtschaft werden Unternehmen Teil der unterschiedlichen Lebensformen. Der Umgang mit gesellschaftlichen Anliegen wird sie zwangsläufig näher an die Konsumenten bringen, was ihren Einfluß auf das gesellschaftliche Leben erhöht. Der Kontakt mit ihrem Umfeld soll schließlich Handlungssicherheit generieren.
Anderseits wird auch der Einfluß der Konsumenten und Stakeholder auf wichtige strategische Entscheidungen zunehmen. Unternehmen werden lernen müssen, auf soziale wie gesellschaftliche Bedürfnisse einzugehen. Die Chance für eine Durchsetzung von Interessen gegen den Willen der Stakeholder werden geringer. Shell und BP Amoco haben diese Lektion bereits gelernt. Beide investieren in erneuerbare Energien und die Brennstoffzellen-Technologie und treten in Dialog mit NGOs und Menschenrechtsgruppen.

Gesellschaftliche Anliegen als Teil des „Geschäfts“
Die Konsequenzen der engen Verzahnung von Wirtschaft und Gesellschaft sind bisher nur in Ansätzen sichtbar. Besonders positiv wird sich die Nähe sicherlich auf Produktentwicklung und Produktsicherheit auswirken. Negative Effekte können bereits relativ frühzeitig erkannt und verändert werden. Wirtschaftliche und soziale Kosten, die bei der Einführung und Durchsetzung von Innovationen entstehen, verringern sich.
Das Engagement von Unternehmen für gesellschaftliche Anliegen als Teil ihres „Geschäfts“, kann darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Lösung sozialer und gesellschaftlicher Probleme leisten. Dazu sind wechselseitige Beziehungen zu politischen und sozialen Akteuren unerlässlich. In den letzten Jahren haben sich diese Beziehungen bereits positiv entwickelt, weil sich unter bestimmten Bedingungen eine Zusammenarbeit für beide Seiten als vorteilhaft erweist. Inzwischen überwiegt das kritische Zuhören zwischen NGOs und Unternehmen.

Anforderungen an Untertnehmen
Corporate Citizenship stellt jedoch an die Unternehmen eine Reihe von Anforderungen. Im klassischen Modell war trotz aller Flexibilisierung die Grenze zwischen den Interessen des Unternehmens und seinem Umfeld relativ klar. Organisationelle Öffnungen dienten in der Regel der effektiveren und effizienteren Produktion. Die neue Strategie löst diesen Interessenunterschied auf. Das Unternehmen versucht mit den Stakeholdern eine relative Übereinstimmung von Interessen zu erreichen, ohne die eigenen Ziele im Vorfeld unumstößlich festzulegen.
Dadurch wachsen die Anforderungen in personeller und organisatorischer Hinsicht. Statt über klare Strukturen Handlungssicherheit im Unternehmen zu erzeugen, wird Handlungsunsicherheit als strategisches Element in das Unternehmen integriert. Die zukünftige Organisation stellt sich erst als Ergebnis offener Interaktionsprozesse zwischen Mitarbeitern, Management und Umfeld ein. Folglich wird der Bedarf an dezentralen Regulierungsinstrumenten weiter zunehmen.

Verbraucher würden soziales Engagement honorieren
Jüngste Entwicklungen offenbaren hier ein beachtliches Potenzial für dialogbereite und sozial verantwortliche Unternehmen. Nach einer Umfrage von MORI (Market&Opinion Research International) im Auftrag von CSR Europe, einem Wirtschaftsnetzwerk mit Unterstützung der EU, sagen 70 Prozent der europäischen Verbraucher, daß soziales Engagement von Unternehmen bei ihre Kaufentscheidung wichtig ist. 44 Prozent geben an, daß sie bereit wären, mehr für sozial und ökologisch verantwortliche Produkte zu bezahlen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, daß die Bedingungen für eine Business-Strategie, die sich an den Bedürfnissen von Stakeholdern orientiert, ausgesprochen günstig sind. Nun liegt es an den Unternehmen, diesen Trend aufzunehmen und wirtschaftlich erfolgreiche und zukunftsfähige Strategien zu entwickeln.

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Autor: Dietrich Englert, dietrich.englert@web.de
eingestellt am 11. April 2001