Von Thomas Geiger, dpa
Während der Online-Handel in allen Branchen boomt, findet der Autokauf zumeist noch analog statt, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS. Allerdings bricht sich auch hier der Wandel Bahn und die radikalen Einschnitte während der Corona-Krise dürften diese Entwicklung noch beschleunigen. In Zeiten, in denen die Autohäuser aus Gesundheitsgründen geschlossen seien, gewinnt die Suche nach neuen Vertriebswegen an Dringlichkeit: „Es ist jetzt umso wichtiger, digitale Angebote noch weiter auszubauen und dabei alle Register zu ziehen“, sagt deshalb Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).
Vor allem neue Marken wie Byton, Nio oder Lynk&Co planen innovative Vertriebsmodelle mit virtuellen Showrooms und Vertragsabschlüssen im Internet. Die etablierten Hersteller sind da mit Rücksicht auf ihre Händler und die komplizierten Vertragsbeziehungen meist noch in zurückhaltender. Auf den Webseiten von Porsche & Co werden zwar oft Neuwagen angeboten, und es gibt in Chats und Video-Konferenzen eine ebenso intensive wie innovative Beratung, aber vor dem Kaufabschluss landet man dann doch wieder beim lokalen Markenhändler. „Der bleibt für uns die letzte Instanz“, sagte etwa Hyundai-Deutschlandchef Jürgen Keller bei der Eröffnung eines ersten Online-Showrooms, im dem täglich acht Berater neue Fahrzeuge vorstellen.
Viele Anbieter sind bereits aktiv
Auch wenn der Abschluss analog ist, führt der Weg der Autokäufer in der Regel erst einmal ins Netz, sagt Arthur Kipferler von der Strategieberatung Berylls in München: „Längst wird fast jedes gekaufte Auto vorab im Internet recherchiert. Mittlerweile wird aber auch jedes achte Auto in Deutschland online gekauft, Tendenz steigend. Von einem Boom würde ich zwar noch nicht sprechen, aber der digitale Vertriebskanal gewinnt definitiv an Bedeutung“, hat der Experte beobachtet. Diesem Umstand wollen immer mehr Online-Unternehmen in Deutschland nutzen, sagt Kipferler und berichtet von aktuell 16 Anbietern wie Carwow, Autohaus24.de oder MeinAuto.de, die in diese Lücke stoßen. Neun verkauften momentan ausschließlich Neuwagen, bei den anderen könnten die Kunden auch Gebrauchte bekommen.
Oft liegen die Rabatte bei 20 Prozent
Der Kauf sei dort sehr einfach und transparent, sagt Automobilwissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Sankt Gallen: Der Kunde nutzt den Konfigurator auf der Website und stellt sich sein individuelles Fahrzeug zusammen, gleichzeitig erhält er sämtliche Informationen über Rabatte, erläutert Dudenhöffer. Über den Vermittler lande der Auftrag beim Markenhändler, der dem Kunden seinen Kaufvertrag schicke und nach Unterzeichnung und Bezahlung das Fahrzeug samt Papieren und Zulassung ausliefere. Dabei kann der Kunde einiges sparen, sagt Dudenhöffer, der die Preise monatlich vergleicht: „Derzeit liegen die Rabatte bei den 30 meistverkauften Neuwagen über Internetvermittler bei 20 Prozent.“
Zusätzlich zu den vielen Newcomern spielen laut Berylls-Mann Kipferler aber auch etablierte Händler eine Rolle. Denn viele von ihnen böten bereits Formen des Online-Verkaufs an. Kunden könnten sich bei ihnen im Internet über Lagerfahrzeuge, Modelle mit Tageszulassungen und junge Gebrauchte sowie Leasingrückläufer informieren. Vielfach schlössen sich beispielsweise auch Verhandlungen mit dem Verkäufer per E-Mail an. „Wer also ein Auto braucht und nicht ins Autohaus gehen will, findet auch ohne die neuen Plattformen einen Weg, beim konventionellen Händler ohne physischen Kontakt einzukaufen.“
Es gibt auch Fallstricke
Das dürfte sich mit Corona und den Zwangsschließlungen noch verstärken: In der aktuellen Situation arbeiten ohnehin die meisten Verkäufer von zu Hause und sind bestrebt jede Anfrage sehr schnell zu beantworten, so Kipferler.
Marmit warnt vor versteckten Gebühren und Fallstricken: „Online-Plattformen sind Vermittler, keine Händler.“ Die Dienstleistungen der Plattform zahle im Erfolgsfall der Händler über eine Provision. Wenn der Kunde dazu eine Rechnung bekommt, gilt: „Vorsicht Abzocke und deshalb Hände weg!“ Das geht auch im Nachhinein, so Marmit: „Wie bei allen digitalen oder elektronischen Geschäften kann man bis zu 14 Tage vom Vertrag zurücktreten.“