Von den Gastautoren Andreas Hesse und Maximilian Muffang
Ansehen, reinsetzen, mal den Motor anmachen oder sogar eine Probefahrt waren schon immer wichtige Elemente des Kaufentscheidungsprozesses von Automobilen in Deutschland. Aber auch diese Prozesse unterliegen einem digitalen Wandel. Nicht nur, dass Käufer immer mehr Optionen haben, mobil oder am heimischen Computer, im Angebot unzähliger Werks- und Gebrauchtwarenhändler zu suchen, auch die Darstellungsformen von Automobilen haben an Vielfalt und Ausdrucksstärke zugenommen. So erfüllen etwa Konfiguratoren individuelle Kundenwünsche und stellen Wunschautos optisch anspruchsvoll dar – in 360-Grad-Ansicht, im Zoom oder in Bewegtbild. Generell fordern Kunden immer unterhaltsamere Kauferlebnisse. Innovative Autohändler setzen dazu VR-Brillen ein, um Kunden etwa die Ergebnisse individueller Konfiguration erlebbar zu machen. So lässt sich auf wenig Fläche extrem viel Freude am Automobil emotionalisieren. Und ermöglicht Kunden ein virtuelles Live-Erlebnis realer Wunschautos.
Dies berichten Testkunden im Rahmen einer im Juni 2017 vom Zweitautor durchgeführten Forschungsstudie. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Bedeutung der Technologien Virtual und Augmented Reality als neuer Technologieansatz und Teil einer digitalen Vertriebsstrategie. Im Fokus stehen dabei VR- Brillen, deren Einsatz im Automobilvertrieb sowie deren Wirkung auf die Kaufentscheidung. Virtual Reality bietet sich aufgrund des Entertainment-Faktors hier als geeignetes digitales Vertriebsinstrument an, jedoch ist der Einfluss auf das Konsumentenverhalten weitestgehend unerforscht.
Nachweislicher Einfluss von VR-Brillen
Anhand eines Feldversuchs in Kooperation mit einem Automobilhaus in Berlin wurde untersucht, wie Konsumenten den Einfluss der Nutzung der Virtual Reality Technologie beschreiben und das Eintauchen in die virtuelle Realität in einer VR-Brille wahrnehmen. Nachdem Interessenten ihr Wunschfahrzeug konfiguriert hatten, konnten sie es mithilfe virtueller Realität erkunden. Dabei war es den Studienteilnehmern möglich, um das virtuell dargestellte Auto herumzugehen und aus der Fahrersicht den vollständig konfigurierbaren Innenraum zu betrachten. Darüber hinaus konnten technische Bauteile, wie beispielsweise Motor und Fahrwerk, aus Perspektiven betrachtet werden, die ohne Virtualisierung nicht einzunehmen wären. Im Anschluss an das Eintauchen in die virtuelle Realität wurden mit insgesamt 35 Studienteilnehmern eine Befragung durchgeführt.
77 Prozent der Befragten gaben an, dass Ihre Kaufentscheidung positiv oder sehr positiv durch die Nutzung der VR-Brille beeinflusst wurde – 17 Prozent davon sehr positiv. Auf die Frage „Wie würden Sie das Virtual Reality Erlebnis kurz beschreiben“ nannten die 18 bis 19-jährigen Umschreibungen wie „emotional“, „Eintauchen in irreale Realität“, „sehr geil“, „sehr realistisch“, „sehr nah an der Realität“ und „Einblicke, die sonst nicht gehen“. Die Altersgruppe der 60 bis 70-jährigen antwortete mit „etwas Gewöhnungsbedürfnis erforderlich“, „neue Eindrücke gewonnen“, „faszinierend, was so alles möglich ist“ und „toll, realitätsnah“. Die altersspezifischen Unterschiede der Beantwortung hier zeigen, dass Anwendungen für VR-Brillen durchaus für unterschiedliche Altersklassen in unterschiedlicher Intensität vorstellbar sind.
Sicherheit und Innovationsstärke
Ein weiterer wichtiger Aspekt bestand in der Frage, ob den Interessenten die Nutzung der VR-Brille mehr Sicherheit im Entscheidungsprozess, beispielsweise bei der Auswahl verschiedener Lackierungen oder der Innenausstattung, gibt. Deutliche 80 Prozent der Befragten antworteten mit „Ja“. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit zusätzlichen Beobachtungen, dass viele Befragte nach der Nutzung der VR-Brille sofort Ihre Wunschkombination bezüglich der Innenausstattung nennen konnten.
Auf die Frage, „Wie beurteilen Sie das Image der Automobilmarke bezüglich der Innovationskraft?“ nach der Nutzung der VR-Brille antworten 60 Prozent mit „deutlich innovativer als vorher“. Dies zeigt das innovative Vertriebsinstrumente durchaus auf Markenwahrnehmungen abstrahlen können.
Schwächen des Einsatzes von VR-Brillen
Die empirische Untersuchung hat ergeben, dass ältere Personengruppen gegenüber Virtual Reality anfangs etwas skeptisch sind. Dies wurde darin begründet, dass VR-Brillen von manchen älteren Befragten eher als „technische Spielerei“ wahrgenommen wurden, statt als Vertriebsinstrument mit deutlichen Mehrwerten für den Kunden.
Zwei weitere wichtige Aspekte sind in diesem Zusammenhang der gelegentlich auftretende Schwindel und die verstörten Sinneseindrücke in Form von leichter Orientierungslosigkeit, die von Testpersonen vereinzelt genannt wurden. Durch die Immersion der virtuellen Realität und der kompletten Ausblendung der realen Welt ist es für den Körper anfangs schwer sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Die Technologie der Brillen in diesem Bereich wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der Wachstumsperspektive von Virtual Reality sicher weiter entwickeln, sodass hier mit hohen Verbesserungsmaßnahmen gerechnet werden kann.
Über die Autoren
Andreas Hesse (Jahrgang 1969, Diplom-Kaufmann), ist seit März 2016 mit der Vertretung einer Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der Hochschule Koblenz beauftragt. Parallel dazu promoviert Andreas Hesse an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel mit den Forschungsschwerpunkten Digitalisierung, Soziale Innovationen, Leadership.
Maximilian Muffang (Jahrgang 1993, Bachelor of Science in Marketing and International Business) arbeitet derzeit als Praktikant bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG im Bereich Porsche Connect Sales & Customer Relationship Management.