So meinte einst – noch lange vor dem Verkauf der Sparte an BenQ – Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer einmal: „Wenn Nokia vom Gummistiefel-Produzenten zum Handy-Weltmarktführer aufsteigen konnte, dann wird es doch ein renommierter Hightech-Konzern auch schaffen.“ Irrtum! So gut wie niemand – außer den Experten – wusste und weiß, dass Nokia früher ein Mischkonzern war.
In der Wahrnehmung der Kunden (dem ultimativen Marketingschlachtfeld) ist Nokia ein Handyexperte, besser noch das Echte und Wahre bei Mobiltelefonen. Siemens hingegen war immer nur ein weiterer sehr bekannter Hightech-Konzern, der nebenbei auch Mobiltelefone anbot. So hatte Siemens bei Handys auch nie ein Produkt- oder ein Werbeproblem. Mit dem S10 oder dem SL10 setzte man sogar neue Standards in der Branche.
Aber Siemens hatte immer ein Wahrnehmungsproblem. Siemens war in Relation zur Konkurrenz die falsche Herkunft. Und genauso erging es auch Sony, Philips, Bosch, Alcatel und vielen anderen. Diese Marken waren zwar vor 15 Jahren alle viel bekannter als Nokia, nur standen diese Marken bereits für etwas in den Köpfen der Kunden. Anders Nokia: Nokia war noch nicht aufgeladen und konnte so zum Echten und Wahren bei Handys und folglich zum Weltmarktführer aufsteigen. Für die Kunden war Nokia eine neue Marke.
Und wenn man sich die wirklich großen Marken- und Markterfolge der letzten Jahre ansieht, fällt auf, dass diese in vielen Fällen nicht von großen Konzernen sondern von mutigen Unternehmern stammten und stammen. Ein wesentlicher Grund dafür ist aus meiner Sicht, dass Unternehmer (notgedrungen) in neuen Marken denken, während die großen Konzerne häufig in alten Marken denken. Denn in einem neuen heißen Markt ist ein neuer Markenname – ohne Herkunftsbelastung – oft die beste Basis zum dauerhaften Marken- und Markterfolg.
Nur so kann man zum Echten und Wahren werden. Dies zeigen auch die Erfolge von Ryanair, SAP, Microsoft, Amazon, Dell, Red Bull, Google, eBay, Gore-tex oder aktuell Geox. Fazit: Neue Marken braucht das Land, wenn man dauerhaft erfolgreich in neuen und heißen Kategorien bestehen will. So kann Markenausweitung noch zum gefährlichen Bumerang für die großen Marken und Konzerne werden. Die Zukunft wird es zeigen.
Über den Autor: Michael Brandtner ist Associate bei Ries & Ries in Rohrbach, Oberösterreich. Er hat sich auf strategische Marken- und Unternehmenspositionierung spezialisiert und ist ,Autor des Buches „Brandtner on Branding“.
Reaktion aus dem Forum:
AM: Sehr geehrter Herr Brandtner, Ihre Analyse halte ich für falsch. Siemens ist hervorragend im B2B Marketing, bei B2C scheitert Siemens jedoch immer wieder. Das ist das Kernproblem. Dass es besser geht zeigte Mannesmann mit D2. Da hat das Stahl- und Röhren-Image niemanden gestört. Ein guter Markenname entbindet nicht von gutem Marketing. Daran scheiterte Siemens. MfG, AM
Michael Brandtner: Sehr geehrte(r) Herr oder Frau AM, vielen Dank für Ihr Statment! Es ist interessant: Wenn immer Strategien scheitern, wird zuerst die Umsetzung in Frage gestellt, so gut wie nie die Strategie. Das ist auch ein Grund, warum viele Strategien Jahr für Jahr anders umgesetzt werden, bis man endgültig scheitert. Sony ist sicher ein (sehr) guter B2C-Marketer. Aber auch Sony scheiterte – wie Siemens – bei Mobiltelefonen vor allem an der Branding-Strategie und nicht an der Umsetzung. MfG Michael Brandtner