Ein Beitrag von Gastautor Clemens Rasch, Rasch Rechtsanwälte
Produktpiraterie war schon immer ein lohnendes Geschäft. Typischerweise verbergen sich die Täter hinter Fantasienamen und Scheinadressen. Die Achillesferse der Piraten ist aber der Geldfluss. Am Ende möchten die Täter nicht auf ihre Einnahmen verzichten. Und sie müssen Rechnungen bezahlen. Dafür nutzen sie ein Konto, das auf ihren richtigen Namen lautet. Für die Geschädigten ist es von großem Interesse, an diese Informationen zu kommen. Dann können sie die Rechtsverletzungen abstellen und ihre Ersatzansprüche durchsetzen.
Viele offene Fragen
Die EU hat schon 2004 einen rechtlichen Rahmen geschaffen: Die sogenannte „Durchsetzungs-Richtlinie“ (Richtlinie 2004/48/EG) will geschädigten Rechteinhabern erleichtern, die notwendigen Auskünfte und Informationen zu erhalten. Offen waren jedoch die Fragen, ob das Bankgeheimnis in Deutschland oder einem anderen Land solche Auskünfte verhindern kann und ob deutsche Gerichte auch Gelddienstleister aus dem Ausland zur Auskunft verpflichten können. Ungeklärt war auch, wie weit der Anspruch eines geschädigten Rechteinhabers reicht: Gilt die Auskunftspflicht auch dann, wenn Produktpiraten die nötige Infrastruktur für ihr Treiben bezahlen?
Schritt für Schritt zum Erfolg
Der Bundesgerichtshof hat Ende 2015 (Urteil vom 21.10.2015, I ZR 51/12) im Anschluss an den Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 16.07.2015, C-580/13) grundsätzlich den Weg frei gemacht, dass Markenrechtsinhaber Auskunftsansprüche gegen Banken in Deutschland durchsetzen können. In der Praxis haben die Anbieter von Internetbezahlsystemen gerade nicht ihren Sitz im Inland. Führende Dienstleister in diesem Bereich wie PayPal und Amazon Pay betreiben ihre Geschäfte von Luxemburg aus. Eine entsprechende Gerichtsentscheidung musste aber erst noch erstritten werden. PayPal etwa verlangte, dass ein Gericht in Luxemburg das dortige Bankgeheimnis aufhebt.
Tatsächlich war das nicht nötig. In einem von Rasch Rechtsanwälte für ein Musikunternehmen geführten Verfahren hat das Landgericht Hamburg geurteilt, dass zum einen das luxemburgische Bankgeheimnis kein Hindernis ist (LG Hamburg, Urteil vom 7.Juli 2016, 308 O) 126/16). Zweitens waren die Hamburger Richter der Ansicht, dass sie als deutsches Gericht zur Entscheidung befugt seien.
Jede Rechnung zählt
Dasselbe Gericht hat nun in einem weiteren Urteil (Urteil vom 22. März 2017, 308 O 480/16 – noch nicht rechtskräftig) in einem ebenfalls von Rasch Rechtsanwälte geführten Verfahren die Position von Rechteinhabern erneut gestärkt. Nach dem „follow-the-money“-Ansatz ist PayPal auch dann zur Auskunft verpflichtet, wenn der Server einer Webseite, auf der Rechtsverletzungen stattfinden, mittels PayPal bezahlt wurde. Dies ist eine erfreuliche Verbesserung für geschädigte Rechteinhaber. Oftmals stellen Piraten ihre Angebote kostenlos oder mit einem derzeit noch nicht nachverfolgbaren Bezahlsystem zur Verfügung. Dienstleister wie PayPal werden dann „nur“ unterstützend von den Rechtsverletzern genutzt. Dennoch hat PayPal auch dann zu einer rechtsverletzenden Tätigkeit beigetragen.
Das genügt nach Ansicht der Richter. Wäre die Kontoauskunft auf Fälle beschränkt, in denen die rechtsverletzende Waren mit PayPal bezahlt werden, wäre ein Ausschluss des Auskunftsanspruchs in vielen Konstellationen möglich. Das steht nicht mit den Zielen der Durchsetzungs-Richtlinie in Einklang, die EU-weit ein hohes Schutzniveau für Rechteinhaber gewährleisten will. Dank des nun auch in solchen Fällen durchsetzbaren Auskunftsanspruchs können Rechteinhaber nun leichter den Verantwortlichen identifizieren und in Anspruch nehmen.
Zum Autor: Clemens Rasch berät mit seinem Team von Rasch Rechtsanwälte von Hamburg aus die Musikindustrie, aber auch Verlage, Agenturen und Unternehmen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche.