Ein Kommentar von Christian Bennefeld
Google betreibt heute eine unübersehbare Anzahl von Diensten, bei denen Nutzungsdaten laut eigener Aussage „zur Verbesserung unserer Services“ erfasst und verarbeitet werden. So erfasst Google beispielsweise genauestens die Nutzung seiner Suchmaschine oder Diensten wie Google Docs, Google Mail, Google News, Google Picasa und Google+. Aber auch auf Websites, die nicht von Google selbst betrieben werden, sammelt Google über seine eingebundenen Dienste fleißig detaillierte Nutzerdaten. Prominente Beispiele sind das Werbeprogamm Google Adsense, das Web-Analyse-Tool Google Analytics, aber auch der „+1“ Button, mit dem Nutzer ihre Zustimmung zu bestimmten Inhalten artikulieren können. Google sammelt dabei alles, um den Nutzer genauestens zu profilieren: seine Herkunft, seine Vorlieben, seine Bedürfnisse, sein Kaufverhalten und sein soziales Umfeld. Diese Merkmale spielen nämlich beim Targeting der „nächsten Generation“ mit interessenbasierter Werbung eine elementare Rolle. Genau hier will Google erklärtermaßen in Zukunft weiter wachsen: Personalisierte, auf den Nutzer individuell ausgerichtete Werbung, sogenanntes „behavioural targeting“, ist das große Stichwort der Internet-Werbezukunft.
Bis dato waren die Nutzungsdaten der unterschiedlichen Google Dienste weitestgehend voneinander getrennt und unterlagen daher auch separaten Datenschutz-Erklärungen. So konnte man sich bisher – wenn man denn Googles bisherigen Aussagen Glauben schenkt – auf den Diensten bewegen, ohne dass Google diese Nutzungsdaten zu einem einheitlichen Nutzerprofil verbunden hat. In der Offline-Welt ist dies auch rechtlich garantierte Normalität: So dürfen Kameraaufzeichnungen von einzelnen Personen in U-Bahnen, Kaufhäusern und öffentlichen Straßen nicht zu umfassenden Nutzungs- und Bewegungsprofilen zusammengefügt werden. Dem Staat ist es – außer zur Abwehr von Schwerstverbrechen – zudem verboten, Daten aus Steuererklärungen, Daten von Ermittlungsverfahren, Daten von Kameras bei der Autobahnmaut oder anderen staatlichen Quellen zu Nutzungsprofilen einzelner Bürger zusammenzuführen. Nur totalitäre Regime und repressive Überwachungsstaaten nutzen sämtliche Datenquellen, um sich ein genauestes Bild eines jeden Staatsbürgers zu verschaffen.
In der virtuellen Welt erlaubt sich Google mit der neuen Datenschutzerklärung das, was in Rechtsstaaten bisher strengstens verboten war: die Zusammenführung sämtlicher Daten zu einem genauen Nutzerprofil. Und das Ganze auch noch Geräte-übergreifend und personenbezogen, so der Nutzer ein Google Konto betreibt. Aber das ist doch alles gar nicht so schlimm und dient doch nur der besseren Auslieferung von Werbung, oder?
Auch wenn ich nichts zu verbergen habe, ist mir überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, was Google alles über mich weiß – und nun auch offiziell zusammenführt: meine politische Gesinnung, weil ich mich über Google News informiere; meine intimsten Interessen, weil ich über Google suche; meine Freunde und Bekannte, weil ich Google Mail und Google+ nutze; meine Krankheiten, weil meine Informationsportale docinsider und vitanet Google Analytics einsetzen; meine Religion, weil ich religiöse Webseiten nutze, die mit Google Adsense Geld verdienen; meine Urlaubsziele, weil ich in Picasa meine GPS-getaggten Bilder speichere; meine Kaufkraft, weil ich regelmäßig bei E-Shops einkaufe, die Google Analytics verwenden, und nicht zuletzt mein weltweites Bewegungsprofil, weil ich Google Latitude mit meinem Google Android Handy nutze.
Ob derart aktuelle und granulare Einblicke in das Intimleben eines jeden Internetnutzers mit dem deutschen und europäischen Recht vereinbar sind, bleibt abzuwarten. Sicher ist aber, dass eine derartig umfassende Datenzusammenfassung noch vor einigen Jahren mächtige Neider auf sich gezogen hätte: Die Stasi wäre stolz auf Google gewesen. Sie wusste deutlich weniger über ihre überwachten Bürger.
Über den Autor:
Christian Bennefeld ist Geschäftsführer der Etracker GmbH.