Die Netzneutralität in der heutigen Form erinnert an das Postkutschenzeitalter. Laut Medienberichten will die US-Kommunikationsbehörde FCC von diesem Prinzip abweichen. Wer als Unternehmen bereit ist, ein Premium zu bezahlen, bringt seine Daten, insbesondere multimediale Inhalte wie Videos, schneller ans Ziel. Dies löst gerade im politischen Umfeld und in Deutschland einen reflexartigen Aufschrei aus. Dabei handelt es sich um eine zeitgemäße, überfällige und schlaue Entscheidung. Haben Sie den Aufschrei gehört, als der Express-Brief eingeführt wurde oder als sich Kurier-Dienste etablierten? Ich nicht! Auch hier wollten Unternehmen, dass ihre Produkte – nicht Daten – schneller zum Kunden kommen als über den traditionellen Weg. Übertrieben gesagt: Wir würden heute mit einer gleichlangsamen Sendung alle unsere physischen Produkte immer noch in Postkutschen-Geschwindigkeit ausgeliefert bekommen. Ohne eine funktionierende und von den Telekommunikations-Unternehmen refinanzierbare Infrastruktur fallen Volkswirtschaften zurück.
Leistungen und Produkte müssen differenziert werden
Es überrascht nicht, dass die USA den Vorstoß machen, die Netzneutralität aufzulösen. Quasi alle relevanten Internet-Unternehmen kommen aus den Staaten. Europa ist weit abgehängt. Netzneutralität in dem Sinne, dass ein Telekommunikationsunternehmen nicht zensorisch eingreifen darf, welche Informationen ausgeliefert werden sollen, ist Basis einer Demokratie und nur logisch. Aber darauf zu verzichten, Leistungen und Produkte zu differenzieren – wie hier der Geschwindigkeit der Datenübertragung – ist gefährlich und wirkt fast schon planwirtschaftlich. Kunden, die mehr Geschwindigkeit haben wollen, sollen dafür bezahlen können. Dies gilt bei Endkunden – bei Internet-Anschlüssen wie bei Autos – seit jeher.
Wenn Unternehmen ihre Daten schneller ausgeliefert sehen wollen, dann dient dies allen: Endkunden in puncto besserer Produktwahrnehmung und den Telekom-Unternehmen, die zuverlässige und schnelle Infrastrukturen aufrechterhalten und ausbauen können. Wer durch falsch verstandene Netzneutralität die Internet-Struktur gefährdet, gefährdet Wachstum in der Online und – noch schlimmer – der Offline-Welt.
Über den Autor:
Dr. Ekkehard Stadie ist Senior Partner der globalen Strategieberatung Simon-Kucher
& Partners und verantwortet den Bereich Telekommunikation und IT.