Europa entwickelt sich für die Konsumgüterindustrie zur Wachstumsbremse. Nur elf Prozent des weltweiten Wachstums der Top-50-Unternehmen werden auf dem europäischen Markt erzielt. Der amerikanische Kontinent, Asien und Afrika sind in Summe für 70 Prozent der Zuwächse verantwortlich. Das ist ein zentrales Ergebnis der jährlichen Studie „Trends und Strategien im Konsumgütermarkt “ der internationalen Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants. Für die Analyse haben die Branchenexperten bereits zum zwölften Mal die Kapitalmarktinformationen der weltweit führenden Konsumgüterhersteller unter die Lupe genommen: Das Umsatzwachstum fällt mit 5,6 Prozent geringer aus als im Vorjahr (7,3 Prozent), ist vor dem Hintergrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds dennoch positiv zu bewerten. Die Rangliste der 50 umsatzstärksten FMCG-Unternehmen führt wie im vergangenen Jahr Nestlé mit einem Umsatz von 98,4 Milliarden US-Dollar unangefochten an. Erster Verfolger bleibt Procter & Gamble (83,7 Milliarden US-Dollar) auf Rang zwei. Unilever (66,0 Milliarden US-Dollar) klettert im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz auf Rang 3. PepsiCo (65,5 Mrd. USD) rutscht dagegen auf Rang 4 ab und liegt nur noch einen Platz vor dem Erzrivalen Coca Cola (47,9 Milliarden US-Dollar) – dies allerdings mit einem beruhigenden Umsatzvorsprung von über 17 Milliarden US-Dollar. Wie im Vorjahr ist Henkel (10,4 Milliarden US-Dollar) das einzige deutsche Unternehmen unter den Top 50, verliert aber aufgrund des starken Dollars trotz Rekordergebnis in 2012 fünf Plätze und landet auf Platz 47.
„Das Europa-Geschäft der FMCG-Hersteller stagnierte 2012 mit lediglich 1,3 Prozent Wachstum. Im Vergleich zu anderen Regionen verliert der europäische Markt allmählich an Bedeutung. Eine erste Verschiebung zugunsten der wachstumsstarken asiatischen und afrikanischen Märkte ist bereits vollzogen“, kommentiert Chehab Wahby, International Managing Partner bei OC&C Strategy Consultants und Co-Autor der Studie. Ludwig Voll, Partner bei OC&C und ebenfalls Co-Autor der Studie, fügt hinzu: „Das schrumpfende Bruttoinlandsprodukt in Westeuropa und die Flaute beim privaten Konsum machen Europa für die FMCG-Riesen zum Problemfall. Als Wachstumsstrategien bleiben vor allem Produkteinführungen, Akquisitionen oder die Erschließung effizienterer Distributionswege. So wird trotz Kostendruck weiter in Wachstum investiert: die Ausgaben der 50 stärksten FMCG-Unternehmen für Forschung & Entwicklung und für Marketing blieben mit durchschnittlich 1,3 Prozent bzw. 5,4 Prozent vom Umsatz auf Vorjahresniveau.“
Mit Kraft Foods ist eine feste Größe der vergangenen Jahre aus den Top 5 des Rankings verschwunden. Der Grund ist die Aufspaltung des Geschäfts in zwei Unternehmen: Hinter dem Namen Kraft Foods verbirgt sich zukünftig das amerikanische Lebensmittelgeschäft, während das Auslands- sowie das globale Snack- und Süßwarengeschäft unter dem Namen Mondelez International weitergeführt werden. Trotz der Trennung der Geschäftsbereiche verbleiben beide Unternehmen unter den Top 20: Kraft Foods auf Rang 19, Mondelez als Neueinsteiger sogar auf Rang acht.
Die zehn umsatzstärksten FMCG-Unternehmen des aktuellen OC&C-Rankings
1. Nestlé AG (Schweiz) 98,4 Milliarden US-Dollar
2. Procter & Gamble (USA) 83,7 Milliarden US-Dollar
3. Unilever (UK/Niederlande) 66,0 Milliarden US-Dollar
4. PepsiCo (USA) 65,5 Milliarden US-Dollar
5. Coca-Cola Company (USA) 47,9 Milliarden US-Dollar
6. AB InBev (Belgien) 39,8 Milliarden US-Dollar
7. JBS (Brasilien) 37,3 Milliarden US-Dollar
8. Mondelez (USA) 35,0 Milliarden US-Dollar
9. Archer Daniels Midland (USA) 34,7 Milliarden US-Dollar
10. Tyson Foods (USA) 33,3 Milliarden US-Dollar
47. Henkel (Deutschland) 10,4 Milliarden US-Dollar
Die durchschnittliche Umsatzrendite der Top 50 steigt gegenüber dem Vorjahr leicht auf 16,2 Prozent. Die höchsten durchschnittlichen Renditen fuhren die Tabakkonzerne ein (knapp 35 Prozent), gefolgt von Unternehmen im Bier- und Spirituosengeschäft mit rund 23 Prozent und Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf Pharmaprodukten (rund 21 Prozent).
Wachstumsregionen: BRIC und Afrika
Viele Konsumgüter-Champions reagieren bereits auf die Schwäche des gesättigten europäischen Markts und versuchen sich aus der regionalen Abhängigkeit zu lösen. Auch Henkel geht diesen Weg. Die Düsseldorfer erwirtschaften aktuell 43 Prozent des Gesamtumsatzes in den Wachstumsmärkten Osteuropa, Afrika / Nahost, Lateinamerika und Asien (ohne Japan). Diesen Trend möchte Henkel in Zukunft fortführen – bis 2016 sollen zwölf der 20 umsatzstärksten Märkte in den Wachstumsregionen liegen.
Ungebrochen sind die Aktivitäten der 50 erfolgreichsten FMCG-Unternehmen in den BRIC-Staaten. Doch trotz des ausgeprägten Engagements kommen die globalen FMCG-Giganten gegen heimische Anbieter nicht an. „Insbesondere in China bleibt die Marktdurchdringung der internationalen Unternehmen gering und betrug im vergangenen Jahr nur 17 Prozent. Die führenden chinesischen Anbieter kommen auf immerhin 38 Prozent. Einige der großen Player könnten hier bald den Anschluss verlieren“, so Ludwig Voll. Ein etwas anderes Bild ergibt sich beim Blick nach Brasilien: Dort stehen die Top 50 (ohne die im Ranking vertretenen brasilianischen Konzerne) mit 36 Prozent Marktanteil besser da. Die führenden lokalen Unternehmen halten einen Anteil von 22 Prozent.
Als Zukunftsmarkt gewinnt vor allem Afrika deutlich an Kontur. Die Bevölkerung und das Bruttoinlandsprodukt wachsen genauso wie die Anzahl der Haushalte, für die Markenprodukte in Frage kommen – dies sind nur ein paar der Argumente, die für den Kontinent sprechen. Bislang haben 29 der Top 50 Unternehmen eine Präsenz im subsaharischen Afrika außerhalb Südafrikas aufgebaut. Europäische Konsumgüterhersteller sind dabei ihren amerikanischen Konkurrenten weit voraus. Sie profitieren von frühen Investitionen und erzielen hohe Margen. Pioniere im Markt wie Unilever und Nestlé (Markteintritt vor über 90 Jahren) glänzten etwa in Nigeria mit Wachstumsraten von 15 beziehungsweise 20 Prozent. Auch Danone ist in den aufstrebenden Märkten sehr erfolgreich: Seit 1997 wurde der in Westeuropa erzielte Umsatzanteil von 80 Prozent auf 40 Prozent reduziert – in Wachstumsregionen im Gegenzug von 20 Prozent auf 50 Prozent gesteigert.
Wachstumsstrategien: Transaktionen in Höhe von 43 Milliarden US-Dollar
Die Anzahl an Zukäufen mit FMCG-Beteiligung lag 2012 zwar nicht höher als im Vorjahr, doch der kumulierte Transaktionswert lag mit 43 Milliarden US-Dollar deutlich über dem Vorjahresniveau (36 Milliarden US-Dollar in 2011). Zu den größten Übernahmen zählen die Akquisition von Pfizer Nutrition durch Nestlé, von Asia Pacific Breweries durch Heineken sowie von Ralcorp Holdings durch Conagra Foods. Allein diese drei Deals stehen für über die Hälfte (59 Prozent) der gesamten Transaktionsausgaben. Nestlé ließ sich die Übernahme von Pfizer Nutrition 11,6 Milliarden US-Dollar kosten und will damit das Babynahrungsgeschäft in den Schwellenländern stärken. Das akquisitionsgetriebene Wachstum fiel dennoch geringer aus als im Vorjahr: Lag der Anteil durch M&A-Aktivitäten am Gesamtwachstum 2011 bei gut 30 Prozent, so waren es 2012 nur noch 18 Prozent. Die organische Wachstumsrate belief sich in 2012 auf 4,9 Prozent. Neben Pernod Ricard und Heinz hat auch Unilever ein größeres organisches Wachstum erzielt als im Vorjahr. Damit übertrumpfen die Niederländer mit Blick auf das organische Wachstum den Rivalen Procter & Gamble im fünften Jahr hintereinander. Doch im Ranking hat P&G noch einen komfortablen Umsatzvorsprung von gut 17 Milliarden US-Dollar.
Mit Blick auf die Zukunft rät OC&C, auf keinen Fall den afrikanischen Markt zu vernachlässigen: „Subsahara-Afrika bietet beste Aussichten für Konsumgüterhersteller. Die Urbanisierung schreitet rasant voran und die Konsumenten sind offen für neue Technologien wie das mobile Bezahlen. Doch um die Potenziale auszuschöpfen und den aktuellen Wettbewerbsvorteilen der Pioniere zu begegnen, bedarf es einer ausgereiften Strategie. Hier entscheiden Investitionen in neue Standorte, M&A-Aktivitäten und strategische Partnerschaften maßgeblich über den Erfolg“, so Chehab Wahby abschließend.