Nun wird deutlich, dass Deutschland zwar bei der Talent-Pipeline sehr gut aufgestellt ist und auch eine hohe Anziehungskraft auf internationale Spezialisten ausübt, aktuell aber über einen eher kleinen Pool von IT-Fachleuten verfügt. Beim Thema Unternehmensgründung zeigen sich die Deutschen zögerlich und sehen eher Risiken als Chancen: Selbstständigkeit ist keine attraktive Karriereoption in Deutschland, was eine dynamische Entwicklung digital ausgerichteter Start-ups erschwert. Nicht zuletzt fallen die Investitionen in Digitalisierungspotenziale und -lösungen deutlich geringer aus als in den meisten anderen OECD-Staaten. Der Standort Deutschland liegt in dieser Hinsicht weit hinter der Spitzengruppe.
Allgemeine Wettbewerbsfähigkeit spitze – aber kein Grund zum Zurücklehnen
In den gängigen globalen Wettbewerbsfähigkeits-Rankings belegt Deutschland einen Spitzenplatz, jedoch ist das Produktivitätswachstum, der Haupttreiber von Wohlstand und künftigem Wachstum, inzwischen sehr gering. Digitale Technologien können hier für einen Schub sorgen – im Technologiesektor selbst wie auch in den meisten anderen Industrien. In der digitalen Wirtschaft ändern sich allerdings die Innovationsmuster, neue Geschäftsmodelle und Services entstehen vor allem in kleinen, neu gegründeten Unternehmen. Basis hierfür sind entsprechend gut ausgebildete Talente mit Potenzial und Visionen.
Spezialisten-Pool muss aufgefüllt werden
In dieser Hinsicht steht Deutschland nicht gut da: Der Talent-Pool an verfügbaren IT-Experten liegt unter dem vieler anderer OECD-Staaten. Ihr Anteil an allen Beschäftigten liegt bei 0,7 Prozent – das reicht nur für Platz 20 unter allen teilnehmenden Ländern. Bei der Forschung im IT-Sektor ist es sogar nur Platz 22, womit sich Deutschland jeweils im vorletzten Quartil befindet. Bei den Datenspezialisten ist die Lage etwas besser, aber auch hier ist der Abstand zur Spitzengruppe (Niederlande, USA) enorm.
Innovation benötigt Talente und Talente benötigen Ausbildung. Hervorragend ist die Lage mit Blick auf die Talent-Pipeline in Deutschland. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl an MINT-Studenten und der ausgezeichneten Qualität der Hochschulausbildung befindet sich Deutschland hier in einer Spitzenposition und landet im OECD-Vergleich nur knapp hinter dem Vereinigten Königreich. Mehr als 15 Prozent der Studierenden in Deutschland sind in entsprechenden Fächern eingeschrieben. Sieben der 100 besten technischen Universitäten kommen aus Deutschland: München, Aachen, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Dresden und Darmstadt.
Start-ups haben es schwer
Innovationen – insbesondere im Bereich der Digitalisierung – finden nicht in großen Konzernen, sondern vor allem in Start-up-Unternehmen statt. Und genau hier weist Deutschland im internationalen Vergleich ein erhebliches Defizit auf. Die Gründe liegen hauptsächlich in der mehrheitlich skeptischen Haltung der Deutschen gegenüber dem Unternehmertum. Zwar hegen sie großen Respekt vor unternehmungslustigen Gründern, trauen sich den Schritt zum eigenen Unternehmen aber nicht zu. Als Resultat belegt Deutschland im Bereich der Finanzierung durch Venture Capital einen der hinteren Plätze. Zum Vergleich: Die Gründungsintensität in Kanada liegt um das Dreifache, in den USA um das Zweieinhalbfache höher.
Große Investitionslücke
Auch bei digitalisierungsrelevanten Investitionen hat Deutschland großen Nachholbedarf. Investments in Informations- und Telekommunikationstechnologien (IKT) finden in einem derart geringen Ausmaß statt, so dass es hier nur für einen Platz im letzten Viertel reicht, weit hinter den Spitzenreitern Niederlande und Schweiz. Die Forschungsausgaben in Deutschland konzentrieren sich auf andere Sektoren. Die IKT-Industrie besitzt daher noch großes Investitions- und Entwicklungspotenzial. Dabei sollten nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch Unternehmen in der Lage sein, relevante Trends möglichst frühzeitig zu erkennen und die entsprechenden Investitionen in die Zukunft zu tätigen.