Nachhaltigkeit: Was können Agenturen tun?

Das Thema Nachhaltigkeit treibt nicht nur Unternehmen um, immer mehr Agenturen wollen sich nachhaltiger machen. Doch was heißt das genau und wie kann das funktionieren? Darüber haben wir mit Ina von Holly, GWA-Vorständin Ressort Nachhaltigkeit, gesprochen.
Das Thema Nachhaltigkeit birgt für Agenturen Chancen, aber auch Herausforderungen. (© Unsplash)

Den Agenturen kommt beim Thema Nachhaltigkeit eine schwierige Rolle zu: Auf der einen Seite ist in der Branche zu beobachten, dass immer mehr Nachhaltigkeitskonzepte in Agenturen implementiert werden und Haltung demonstriert wird. Auf der anderen Seite ist es ihnen bei der Zusammenarbeit mit Kund*innen nicht immer möglich, ihre Selbstverpflichtung zu bewahren. Auch fehlt es manchen am nötigen Bewusstsein, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet.

Mit dem Green Guide stellt der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) am Mittwoch ein Konzept vor, wie Nachhaltigkeit in Agenturen umgesetzt werden kann. In dem Guide erfahren Agenturen, welche Schritte für eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit notwendig und was die größten Herausforderungen dabei sind. Wir haben mit Ina von Holly im Vorfeld darüber gesprochen, wie Konsum und Nachhaltigkeit zusammengehen, wie nachhaltig Agenturen arbeiten können und warum Nachhaltigkeit ein Gewinner-Thema ist.

Frau von Holly, seit November 2021 betreuen Sie beim GWA das Ressort Nachhaltigkeit. Wie hat sich der Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit in der Kommunikationsbranche in den letzten Jahren entwickelt?

So wie für uns als Privatpersonen auch: dynamisch. Wir wissen schon lange, dass unser Lebensstil und die Dinge, die wir produzieren, zulasten der Ressourcen geht. Auch für unsere Kund*innen ist das Thema immer wichtiger geworden, zum einen aus Überzeugung, zum anderen aus regulatorischen Gründen.

Was meinen Sie damit?

Es gibt bestimmte Branchen, in denen Nachhaltigkeitsaspekte vorgegeben sind. Als Dienstleister müssen wir diesen Voraussetzungen Rechnung tragen. Nicht nur innerhalb der Agentur können und müssen wir Ressourcen schonen und CO2 einsparen, auch in Aufträgen mit unseren Kund*innen. Das ist der weitaus größere Teil. Merchandise und Media haben beide Lieferketten. Auch Konsument*innen müssen wir entsprechen, denn die stellen sich auch die Frage, ob sie sich bei Produkten und in der Kommunikation, die wir begleiten, wiederfinden.

Ina von Holly, Geschäftsführerin We Do und GWA-Vorständin Ressort Nachhaltigkeit ©GWA

Müssen Agenturen das Thema Nachhaltigkeit besetzen?

Aus meiner Sicht ist es ein Must-have, kein Nice-to-have. Uns ist schon bewusst, dass wir das Prinzip verfolgen: Kaufe mehr, kaufe schneller. Wir können aber im Bereich Ressourcenschonung für den qualitativen Aspekt sensibilisieren.

Was bedeutet das?

Wir müssen uns deutlich machen: Wo stehen wir und wo wollen wir hin, und zwar wir Agenturen nach innen, aber auch nach außen für unsere Kund*innen. Wo können wir sie konstruktiv und proaktiv begleiten. Wenn ihr weiterhin eine starke Rolle am Markt mit eurem Produkt sein wollt, ist dieses oder jenes Thema vielleicht wichtig und man sollte Antworten parat haben. Wir stecken in allen gesellschaftlichen Bereichen mitten in einer Transformation. Nachhaltigkeit ist kein Ad-on, sondern ist immer mitzudenken

Wie können Agenturen das umsetzen?

Auf verschiedene Weise. Ich glaube, dass viele schon sehr viel machen, ob systematisch oder anhand verschiedener Themen wie nachhaltiger Strom oder Mobilität der Mitarbeiter*innen. Wir möchten helfen, das noch systematischer zu machen. Wir müssen auch den Nachwuchs mitdenken, um ihnen etwas bieten zu können wie soziale Benefits oder Nachhaltigkeit erlebbar zu machen. Es gibt bestimmte No-Gos, die man als arbeitgebende Agentur nicht mehr bringen kann.

Das Bewerben von Produkten und Absatzsteigerung gehört zum Geschäftsmodell von Agenturen. Wie gehen Konsum und Nachhaltigkeit zusammen?

Wir leben in einer widersprüchlichen Welt und der sind wir genauso ausgesetzt. Das merkt man auch bei Konsumentenbefragungen. Wenn man erhebt, wie nachhaltig Befragte leben, dann schneiden sie objektiv schlechter ab als sie es ihrer Einschätzung nach tun müssten. Unsere Technologien werden den Klimawandel nicht stoppen können. Wir können als Agenturen neue Wege aufzeigen. Und dort können wir viel von Pionieren lernen, die ohne Konzerne und Vorgaben Produkte erzeugen, die weniger die Umwelt belasten und trotzdem den gleichen Effekt bringen. Wir wollen Transparenz reinbringen und das Thema Systematik nach vorne stellen.

Wie das?

Ein Beispiel ist das Thema Siegel, das kann Kommunikation allein jedoch nicht liefern. Auch das Thema, was ist wo drin, da brauchen wir noch mehr Vereinfachung und eine bessere Orientierung. Wir sind auch nur ein Teil des Ganzen, bringen jedoch immer neue Ansätze mit.

Sind Siegel tatsächlich die Lösung? Immerhin stehen das Fairtrade-Siegel oder der Nutri-Score schon länger in der Kritik…

Das ist ein schmaler Grat, ja. Ein Siegel kann auch Orientierung geben. In der Vergangenheit haben wir auch sehr gute Erfahrungen gemacht. Vertrauen ist ein hohes Gut bei den Konsument*innen. Wir kommen nicht drum herum, eine Orientierung zu geben, wie sie letzten Endes auch aussehen mag. Die Ansprüche werden immer größer, deswegen bedarf es auch einer Kennzeichnung. Hingegen zeichnen wir nicht Produkte aus, die nicht nachhaltig sind. Da muss eine klare grüne Linie gezogen werden. Wenn wir als Agenturen die Kund*innen beraten und gleichzeitig auf die hohen Bedürfnisse der Konsument*innen eingehen, dann sind wir auf einem guten Weg.

Wie ist es zu bewerten, wenn Agenturen mit Kund*innen zusammenarbeiten, die Nachhaltigkeit nicht hoch priorisieren?

Das ist auch eine Überlebensfrage. Wenn Agenturen sich auf Bereiche spezialisiert haben, die besonders ressourcenfordernd sind, ist es für sie nicht leicht, in einen anderen Bereich zu wechseln. Ich kenne viele Agenturen, die sich neue Leistungsfelder erarbeiten. Die Unternehmen selbst haben da die Hebelwirkung, Beispiel Rügenwalder Mühle, die den veganen Produktmarkt bedienen und eine Vorbildfunktion einnehmen.

Der Green Guide nennt konkrete Beispiel für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Doch er nennt keine Beispiele, wie Agenturen nachhaltig mit ihren Kund*innen zusammenarbeiten können. Gibt es dafür keine Empfehlung?

In meiner Agentur We Do würden wir nicht mit allen Kund*innen zusammenarbeiten. Es gibt aber Kund*innen, die sagen: Wir möchten gern den nächsten Schritt machen, bitte begleitet uns mit eurer Erfahrung. Insofern ist es gut, gesprächsbereit zu bleiben und sie auf den nachhaltigen Weg hinbegleiten. Wir als GWA werden nicht vorschreiben, wie mit Kund*innen zusammengearbeitet werden soll. Aber um das Thema Nachhaltigkeit kommt niemand mehr herum, auch weil Nachhaltigkeit ein Business Case darstellt und man sich damit im Wettbewerb positionieren und präsentieren kann. Das ist ein Gewinner-Thema und da wollen wir hin.  

Am 1. März 2023 ab 15.30 Uhr stellt der GWA den GWA Green Guide vor und diskutiert mit Expert*innen, wie die Branche transformiert werden kann. Kostenfreie Anmeldung unter: http://bit.ly/3YW2h1v

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.