Frau Spielmann, der Begriff Nachhaltigkeit wird immer mehr als Kaufargument genutzt. Ist Nachhaltigkeit bei Ihren Konsument*innen ein Thema, das beim Kaufentscheid eine Rolle spielt?
Für eine wachsende Anzahl unserer Konsument*innen ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema, aber es ist sicherlich noch nicht das zentrale Kaufkriterium. Menschen greifen zu unseren Produkten, weil sie Freude am Snacken haben, und unser Ziel ist es, diese Lebensfreude mit Verantwortung zu verbinden. Wir möchten, dass unsere Konsument*innen wissen, dass sie unbeschwert genießen können, weil wir uns im Hintergrund um die Umwelt, soziale Verantwortung und qualitativ hochwertige Produkte kümmern.
Sie werden beim diesjährigen BAM! Bock auf Morgen Festival auftreten, dort dreht sich alles um Nachhaltigkeit. Der Begriff wird unterschiedlich interpretiert. Wie definieren Sie Nachhaltigkeit bei Lorenz Snack-World?
Für uns bei Lorenz bedeutet Nachhaltigkeit, alles dafür zu tun, dass wir die Welt mindestens in dem Zustand an die nächste Generation weitergeben, in dem wir sie vorgefunden haben – idealerweise sogar besser. Das ist unsere Vision. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern eine tief verankerte Unternehmensphilosophie. Wir wollen sowohl den Schutz der Umwelt als auch die sozialen Aspekte in der Lieferkette verbessern und dabei sicherstellen, dass unser wirtschaftliches Handeln langfristig tragfähig bleibt.
Wie setzen Sie diesen Anspruch in die Praxis um?
Seit etwa 14 Jahren gibt es bei uns den Bereich Nachhaltigkeit. Zunächst war das ein eher kleines Team ohne tiefgreifende strategische Integration. Seit dem Übergang in die vierte Unternehmergeneration 2019 haben wir jedoch Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie integriert. Das Lorenz Sustainability Program fasst heute unsere Bemühungen zusammen – von der Reduktion von Salz in unseren Produkten und Plastik in unseren Verpackungen. Außerdem arbeiten wir intensiv mit unseren Lieferanten zusammen, um ökologische und soziale Standards zu verbessern.
Verpackungen sind ein großes Thema bei Produzenten. Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Bereich?
Verpackungen sind ein zentraler Aspekt unserer Nachhaltigkeitsstrategie, und wir arbeiten intensiv daran, die Recyclingfähigkeit unserer Verpackungen zu verbessern. Ein Beispiel ist unsere Nussverpackung, die aktuell nicht recyclingfähig ist, weil sie eine hohe Barriere-Eigenschaft benötigt, um das Produkt frisch zu halten. Wir haben eine recyclingfähige Verpackung gefunden, die jedoch mehr Kunststoff enthält, was die Frage aufwirft: Was ist besser für die Umwelt – weniger Plastik oder bessere Recyclingfähigkeit?
Und was ist nun besser?
Um diese komplexe Frage zu beantworten, haben wir externe Expert*innen und Wissenschaftler*innen hinzugezogen, um den Carbon Footprint zu berechnen. Doch es gibt keine einfache Antwort. Diese Abwägung zeigt, wie schwierig es ist, in Sachen Nachhaltigkeit alles richtig zu machen. Wir arbeiten jedoch weiter daran, die bestmögliche Lösung zu finden, die sowohl für das Produkt als auch für die Umwelt am besten ist.
Ein anderes wichtiges Thema bei Ihnen ist die regenerative Landwirtschaft. Wie genau sieht Ihre Arbeit in diesem Bereich aus?
Regenerative Landwirtschaft ist für uns ein zentraler Ansatz, um die Bodengesundheit zu verbessern und CO₂-Emissionen zu senken. Wir arbeiten derzeit mit 27 Vertragslandwirten in Deutschland zusammen, was etwa 10 Prozent unserer Vertragslandwirte insgesamt ausmacht. Ziel ist es, durch regenerative Methoden nicht nur die Bodengesundheit zu verbessern, sondern auch, den Boden in die Lage zu versetzen, mehr CO₂ zu binden. Es ist bekannt, dass weltweit vielen Böden die Fähigkeit fehlt, Kohlenstoff aufzunehmen, was zu Umweltproblemen führt. Indem wir die Bodenqualität verbessern, tragen wir nicht nur zur CO₂-Reduktion bei, sondern fördern auch die Biodiversität und die Wasserzyklen.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung dieser nachhaltigen Landwirtschaft?
Die größte Herausforderung besteht darin, die Landwirte zu überzeugen, ihre bisherigen Methoden umzustellen. Für viele Landwirte bedeutet dies eine grundlegende Veränderung ihrer Arbeitsweise, was natürlich Unsicherheiten und Risiken mit sich bringt. Hinzu kommt, dass es bisher keine einheitliche Definition für regenerative Landwirtschaft gibt. Es gibt viele Ansätze, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen – sei es Fruchtfolge, Bodenbearbeitung oder die Reduktion von Düngemitteln. Die größte Hürde ist jedoch oft, den Mut zu haben, Dinge anders zu machen, obwohl sie seit Jahrzehnten auf eine bestimmte Weise funktionieren.
Lorenz ist bekannt für seine Transparenz, auch wenn es um Fehlschläge geht. Ein Beispiel sind die Quinoa-Chips. Warum habt Sie sich entschieden, diesen Misserfolg offen zu kommunizieren?
Transparenz ist einer unserer zentralen Unternehmenswerte. Wir glauben, dass Offenheit nicht nur Vertrauen schafft, sondern auch die Möglichkeit bietet, aus Fehlern zu lernen – sowohl für uns als auch für andere. Bei den Quinoa-Chips haben wir festgestellt, dass der Rohstoff Quinoa für viele Konsumenten in Deutschland noch zu unbekannt war. Die Leute hatten Vorbehalte gegenüber dem Produkt, obwohl es geschmacklich sehr gut ankam. Wir haben diesen Fehlschlag offen kommuniziert, weil wir glauben, dass man aus Rückschlägen oft mehr lernen kann als aus Erfolgen. Es ist wichtig, nicht nur die Erfolge zu feiern, sondern auch die Herausforderungen anzuerkennen.
Welche Rolle spielt das Marketing bei Lorenz in diesem Prozess?
Bei Lorenz ist Marketing tief in die Produktentwicklung eingebunden und spielt eine zentrale Rolle in der gesamten Unternehmensstrategie. Wir sind nicht nur dafür verantwortlich, fertige Produkte zu bewerben, sondern auch an der Entwicklung neuer Produkte beteiligt. Das Marketing setzt die Leitplanken und definiert, welche Anforderungen ein Produkt erfüllen muss – sei es im Hinblick auf Nährwerte, Nachhaltigkeit oder Marktbedürfnisse. Wir arbeiten eng mit der Produktentwicklung zusammen und sind auch für das Design, die Konzeptentwicklung und die Markteinführung verantwortlich. Diese Integration stellt sicher, dass Produkte nicht nur den Marktanforderungen gerecht werden, sondern auch unsere nachhaltigen Standards erfüllen.
Unternehmen werden immer wieder wegen falscher Nachhaltigkeitsversprechen kritisiert. Wie verhindert Lorenz Greenwashing, und wie bereiten Sie sich auf die EU Green Claims Directive vor?
Greenwashing ist ein großes Problem, und wir sind sehr vorsichtig in unserer Kommunikation. Bei Lorenz sprechen wir nur über Themen, bei denen wir tatsächlich Fortschritte gemacht haben, und vermeiden Absichtserklärungen ohne konkrete Ergebnisse. Wir begrüßen die Green Claims Directive der EU, da sie Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Umweltversprechen wissenschaftlich zu belegen. Diese Richtlinie wird für uns zwar zusätzlichen Aufwand bedeuten, aber sie ist ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen der Konsument*innen zurückzugewinnen. Für uns ist es selbstverständlich, dass Nachhaltigkeitsbotschaften fundiert und transparent sind.