Herr Taubken, das aktuelle absatzwirtschaft-Cover hat Scholz & Friends unter dem Titel „50 Shades of green“ gestaltet. Können Sie diesen bitte erklären?
Nachhaltigkeit umfasst ein breites Portfolio, das weit über Umweltengagement hinausgeht. Es geht um nachhaltige Produkte, den Umgang mit Mitarbeitenden oder eine verantwortungsvolle gesellschaftliche Beziehung. Unternehmen sollten für jede Kaufsituation definieren, welche Bemühungen für das Produkt oder die Dienstleistung aussagekräftig sind, und diese hervorheben.
Welche Bemühungen meinen Sie?
Maßnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit in der Lieferkette, Aktivitäten im Bereich Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck-Reduktion. Daraus entstehen Vielfalt und Differenzierung. Mit dem Cover wollen wir Mut machen, genau hinzuschauen, Allianzen zu bilden und dazu beitragen, das umfassende und komplexe Verständnis von Nachhaltigkeit zu kommunizieren.
Wie wird das Marketing von der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte beeinflusst?
Im Bereich Kommunikation hat die regulatorische Seite das Thema Transparenz stark in den Vordergrund gerückt. Es gibt viele Regulierungsfelder, die Unsicherheiten schaffen, etwa die Frage, was im Marketing noch gesagt werden darf. Diese Unsicherheit wird sich in den nächsten Jahren klären, und es wird erwartet, dass Marketingaussagen nachweisbar sein müssen. Dies führt zu einer Vermeidung von Greenwashing, aber zunächst auch zu einer gewissen Vorsicht im Marketing.
Ist es nicht positiv, dass man heute im Marketing nicht mehr alles behaupten darf?
Absolut. Es ist wichtig, dass Verbraucher*innen eine ehrliche Assoziation mit den Marketingversprechen haben. Wenn ein Produkt nicht hält, was es verspricht, riskiert ein Unternehmen nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch die Enttäuschung der Konsument*innen. Transparenz, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit sind entscheidend. Dies führt zu einer Vielfalt an grünen Botschaften, die für jedes Unternehmen sehr unterschiedlich sein können, und bietet eine große Differenzierungsmöglichkeit im Markt. Das spiegelt das Cover mit seinen 50 verschiedenen Grünschattierungen wider.
Wird die Farbe Grün dem Begriff Nachhaltigkeit noch gerecht?
Grün steht symbolisch für Nachhaltigkeit, aber es ist wichtig zu verstehen, dass Nachhaltigkeit sehr vielfältig ist und das Grün entsprechend viele Nuancen hat.
Wie beeinflussen Regularien wie der CSRD, das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz und ESG-Ratings die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen?
Diese Regularien sind zentral für unsere Arbeit. Wir beraten Unternehmen, wie sie diese Anforderungen erfüllen können. Es ist wichtig, dass Kommunikation und Marketing die Nachhaltigkeitsteams in den Unternehmen mit einbeziehen. Die Herausforderung besteht darin, aus der Silo-Denkweise auszubrechen. Die Regularien sorgen für eine Standardisierung der Erwartungen und ermöglichen Vergleichbarkeit, was für sinnvolle Investitionen in nachhaltige Unternehmen entscheidend ist.
Wie gehen Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?
Unternehmen müssen eine Compliance erreichen, die über das Abarbeiten von Checklisten hinausgeht. Sie starten mit einer Wesentlichkeitsanalyse, um herauszufinden, welche Themen für sie essenziell wichtig sind. Im Anschluss müssen sie Strategien aufsetzen, Datenpunkte erheben und transparent machen, was sie tun. Es geht nicht darum, dass alle das Gleiche machen, sondern dass sie ihre spezifischen Chancen und Risiken angehen, um die nachhaltige Transformation ihres Geschäftsmodells zu gestalten.
Wenn so viel über Nachhaltigkeit kommuniziert wird, steigt damit auch die Gefahr von Greenwashing?
Die Gefahr von Greenwashing ist real, besonders wenn Nachhaltigkeitsattribute ohne Grundlage hervorgehoben werden. Die Debatte und die regulatorischen Anforderungen führen dazu, dass Unternehmen vorsichtiger sind, was sie in Bezug auf Nachhaltigkeit kommunizieren. Das ist grundsätzlich positiv, da es die Glaubwürdigkeit und Transparenz in der Nachhaltigkeitskommunikation erhöht. Es ist wichtig, dass die Marketingaussagen an das tatsächliche Handeln des Unternehmens gebunden sind, um Glaubwürdigkeit zu schaffen und Greenwashing zu vermeiden.
Für die Mehrheit der Deutschen ist Nachhaltigkeit kein Kaufargument. Ist der Begriff heute nur noch Dekoration?
Nachhaltigkeit ist kein bloßes Dekorationswort. Es ist wie ein Schwamm, der viele Interpretationen aufsaugt. Wir müssen lernen, spezifischer zu sein. Vielleicht brauchen wir in der Werbung den Begriff nachhaltig gar nicht, sondern sollten konkretere Attribute hervorheben, die den tatsächlichen Inhalt und die Bemühungen widerspiegeln.
Darf sich Nachhaltigkeit überhaupt verkaufen?
Bei Scholz & Friends spielt Nachhaltigkeit bei vielen Pitch-Einladungen eine Rolle. Wir bilden eine Allianz zwischen Nachhaltigkeitsberatung und Marketing, um von Anfang an zu entscheiden, welche Themen und Ansätze funktionieren könnten. Das schafft Glaubwürdigkeit und eine zielgerichtete Kommunikation, die auf die Bedürfnisse eines Produkts oder einer Dienstleistung abgestimmt ist. Das gleiche Prinzip haben wir auch beim Design des Covers angewendet, indem wir ein Team aus Expert*innen aus den Disziplinen Nachhaltigkeitsberatung, Kommunikation und Kreation zusammengestellt haben, um die besten Ideen und Ansätze zu entwickeln.
Welche Marken machen Nachhaltigkeitskommunikation Ihrer Meinung nach gut?
Es gibt Vorreiter, die für ihre nachhaltigen Werte bekannt sind, ohne diese ständig bewerben zu müssen. Der Weg zur Nachhaltigkeit ist nie abgeschlossen; wir lernen ständig dazu, etwa im Bereich der Kreislaufwirtschaft oder beim verantwortungsvollen Konsum. Neue Geschäftsmodelle entstehen, und es ist wichtig, dass wir diese Entwicklungen in einem verantwortungsvollen und multidisziplinären Ansatz bewerten.
Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie auf dieser Reise vorankommen?
Unternehmen müssen kontinuierlich lernen und sich anpassen. Es geht darum, neue Trends und Erkenntnisse zu integrieren und daraus Schlussfolgerungen für das eigene Handeln zu ziehen. Die Nachhaltigkeitsreise ist ein fortlaufender Prozess, der Engagement und die Bereitschaft erfordert, sich ständig weiterzuentwickeln. So können sie einen Unterschied machen.