„Nachhaltigkeit ist eine Frage der Haltung“

Mutabor arbeitet sehr in Richtung Nachhaltigkeit - ganz freiwillig. Dennoch weiß Johannes Plass, Co-Geschäftsführer der Agentur, dass sich ohne Gesetzgebung nichts bewegt. Wie sieht er die Zukunft der Nachhaltigkeit im Marketing?
Johannes_Plass
In Bezug auf Nachhaltigkeit verzichtet Johannes Plass lieber auf "plakative Messages". (© Mutabor)

Herr Plass, auf ihrer Website stellt Mutabor seine Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ins Schaufenster. Wie genau definiert ihre Agentur „Nachhaltigkeit“ im Kontext von Marketing und Werbung?

Bei Nachhaltigkeit schließen wir uns den globalen Definitionen an, weil ohne ein globales Verständnis Nachhaltigkeit keinen Sinn ergibt. Für uns gilt somit die Definition des United National Global Compact. Bezogen auf unsere Branche bieten wir mit unserem Society-Centered-Design Ansatz seit Jahren eine businessbezogene Lösung an.

Mit dem Society-Centered-Design meinen Sie, dass der Wert für das Unternehmen, für Nutzer*innen und für die Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigt werden, sodass positive Effekte für alle erbracht werden. Wie reagieren Ihre Kund*innen auf nachhaltigkeitsorientierte Marketingstrategien?

Für die meisten Kund*innen ist Nachhaltigkeit fester Bestandteil der Briefings und sie suchen nach Ideen, ihre Transformation sichtbar zu machen. Auf der IAA im letzten Jahr ging es Volkswagen beispielsweise nicht nur um die Nachhaltigkeitsagenda im Produkt, sondern auch um vollumfängliche Barrierefreiheit für alle Besucher*innen. Die Kund*innen zeigen sich offen für Impulse zum Thema Energiesparen bei Websites oder Ideen für mehr Nachhaltigkeit im Packaging. An dieser Stelle greift der European Green Deal bereits und puscht die Kund*innen in Richtung eines ganzheitlichen nachhaltigen Denkens. Es ist keine exponentielle Entwicklung, sondern ein langsamer Prozess. Langsamkeit scheint uns Deutschen sehr am Herz zu liegen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Marketings in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit wird aktuell verfolgt, weil es die Gesetzgebung dazu gibt. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Kippt der Green Deal – was angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen diskutiert wird – werden viele Unternehmen Abstand von dieser Agenda nehmen. Darum ist es um so wichtiger, dass nachhaltige Lösungen besser sind als die bisherigen kostengetriebenen Lösungen. Eine Verpackung, die man nicht trennen muss, bietet den Kund*innen mehr Service und wird sich darum durchsetzen. Lösungen müssen ganzheitlich, vom Ende her gedacht werden. Ich persönlich bin bei Transformationsthemen Befürworter von Gesetzen. Gesetze sind die beste Kampagne für die Transformation.

Welche Herausforderungen müssen überwunden werden, um Marketing und Nachhaltigkeit besser in Einklang zu bringen?

Das ist ganz klar immer die Frage der Logik. Nachhaltigkeit und Marketing gehen erst zusammen, wenn die beworbene Lösung tatsächlich besser – weil logisch – ist. Ein Paradebeispiel ist das Elektroauto, das mit Kohlestrom geladen wird. Das ist im Sinne von Nachhaltigkeit unlogisch und die beiden Enden passen nicht zusammen. Vor kurzem war ich in Hangzhou, China. Dort fahren 90 Prozent der Autos elektrisch. Es ist eine Megacity mit mehr als 10 Millionen Bewohner*innen, die so leise ist wie der Wald im Hamburger Westen. Aus meiner Sicht sehr erholsam, zukunftsweisend und wirklich faszinierend. Gut, über den Kohlestrom müsste man auch hier reden.

Wie geht Mutabor mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen Kaufanreize schaffen und dem Prinzip des De-Growth um?

Wir nehmen unsere Kund*innen größtenteils in der Transformation in Richtung Nachhaltigkeit wahr. Es geht fast allen Kund*innen darum, nachhaltigere Produkte zu entwickeln, ohne Umsatz zu verlieren. Wir halten das für einen realistischen Ansatz für unsere Marktwirtschaft.

Können Sie Beispiele nennen?

Der Relaunch von Kleinanzeigen puscht die Kreislaufwirtschaft. Ein anderes Beispiel ist die VW-ID-Familie, die im Zentrum unserer Arbeit für VW steht, sie ist Sinnbild für den „Way to Zero“ von Volkswagen. Der Markenrelaunch von Yello hingegen übersetzt die neue Positionierung in ein inspirierendes Markenerlebnis, das Nachhaltigkeit und Spaß verbindet. Das sind einige unserer Big Bang Projekte, auf die wir stolz sind.

Welche Maßnahmen ergreift Mutabor, um selbst nachhaltiger zu arbeiten und wie wird dies intern und extern kommuniziert?

Wir halten uns in der Kommunikation zurück und pflegen unsere Agenda auf unserer Website. Anstelle von plakativen Messages stellen wir lieber unser Unternehmen konsequent auf eine nachhaltige Agenda um und lassen dieses seit 2019 von Ecovadis extern zertifizieren. Es ist eine Frage der Haltung, die alle Mutaborianer*innen teilen.


(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.