Für viele ist Marketing eher Konsument*innen-Verführung durch den 4P-Instrumente-Mix – Price, Promotion, Placement & Product. Doch die heutige Zeit stellt neue Anforderungen an Marken und setzt Marketer zunehmend unter Spannung: Wie geht attraktiv, preisgünstig, verfügbar und nachhaltig? Vor allem dann, wenn die vorgegebenen Ziele eines Marketers zumeist profitorientiert und kurzfristig sind?
Man spürt die Spannungen in der Gesellschaft und die Skepsis der Menschen gegenüber den oft haltlosen Nachhaltigkeits-Claims vieler Marken. In einer Zeit von Fake News, in der Menschen nach Transparenz und Authentizität fragen, erleben Unternehmen, Marketing und Werbung einen Imageverlust.
Dabei zweifeln die allermeisten Marketer gar nicht an der Relevanz von nachhaltigerem Wirtschaften. Führungskräfte sehen den Umbau zu nachhaltigem Wirtschaften sogar als eine der größten Aufgaben. Allerdings leben viele Verantwortliche mit dem Paradox: Klima- und Umweltschutz sind gut fürs Image, aber ohne Konsequenz für das Geschäftsmodell. Sie sehen Nachhaltigkeit immer noch vorrangig als Reputationsrisiko an, das es (durch das Marketing) zu managen gilt (Studie der Personalberatung Russell Reynolds).
“Viele Verantwortliche leben mit dem Paradox.“
So ist das Marketing oftmals zum Green- und Social Washing verdammt. Dabei ist es laut Definition viel mehr Reputations-Management, verantwortet es doch „die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes“. Und dieser Markt verlangt heute einen konsequenten Umbau der Geschäftsmodelle, um der neuen digitalen und nachhaltigen Zukunft gerecht zu werden. Und er verlangt, dass Unternehmen ein nachhaltigeres Leben und Wirtschaften aktiv mitgestalten und keine Hypotheken auf die Zukunft aufnehmen. Sie fragen jetzt vielleicht: Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Muss diese Mammutaufgabe nicht der Staat meistern?
Marketing ist (und war immer) eine Kulturaufgabe und nimmt Einfluss auf unsere Gesellschaft. Es knüpft Verbindungen, erzählt Geschichten, schafft neue Rituale. Es kann eine Wegwerfkultur unterstützen oder mit neuen Geschäftsmodellen, Services und Interaktionen ein sozialeres, nachhaltigeres Leben fördern. Warum nicht diese großartige Chance nutzen. Zusammenarbeit ist hier essenziell: kategorieübergreifend, lokal, mit Social Businesses, NGOs, Mitarbeiter*innen und Konsument*innen. Fangen Sie an, gemeinsam zu lernen, wie man Verhaltensanstöße initiiert, die Menschen den Spaß, die Leichtigkeit und die Entlastung einer nachhaltigeren Konsumkultur nahebringen. Tun Sie es in kleinen Schritten, aber machen Sie sich auf den Weg. Dann gelingt die Transformation zum nachhaltigen Marketing.
Europa Bendig ist Geschäftsführerin von Sturm und Drang. Mit der Hamburger Research- und Transformations-Agentur blickt sie auf die Welt im Wandel. Als Kolumnistin schreibt sie über den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Marketing, das immer auch eine Kulturaufgabe ist.