Der Klimawandel führt auch in der Wirtschaft zu drastischen Veränderungen. Zum Beispiel im Finanzsektor, der bisher nicht besonders durch ökologische Ziele auffiel, tut sich einiges. Versicherer shiften Anlagen in nachhaltige Investments, und das nicht nur, weil es ihrem Image hilft, sondern aus Renditeerwägungen. Dass einige US-Bundesstaaten wie Texas einem Finanzinvestor wie BlackRock ihr Geld entziehen, weil dieser nun auch nachhaltig investiert (und nicht mehr nur in Öl und Gas), illustriert die Umbrüche anschaulich.
Dabei heißt Nachhaltigkeit eben nicht nur, Emissionen zu reduzieren. Ernst genommen ist es die gravierendste Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft. Nachhaltiges Marketing ist eben nicht nur, den CO₂-Abdruck von Kampagnen zu minimieren. Es ist eben nicht nur Marketing für nachhaltige Produkte. Es bedeutet, dass Unternehmen und Agenturen zusätzlich zu Absatzzielen immer auch soziale und ökologische Ziele verfolgen, die auch in der Langfristperspektive ohne schädliche Nebenwirkungen sind. So verstanden ist der Gegenbegriff zu nachhaltigem Marketing nicht Greenwashing, sondern Quartalsdenke.
Zehn Prozent der Bevölkerung leugnen den Klimawandel
Der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Gesellschaft wird auch deutlich, wenn man auf Mitarbeitende und Konsument*innen blickt. Studien zeigen, dass nur noch zehn Prozent der Bevölkerung den Klimawandel leugnen und ihr Verhalten nicht anpassen (wollen). Ungefähr der gleiche Anteil hat sein Leben radikal umgestellt, verzichtet zum Beispiel auf Fleisch, Auto und Flugreisen. Dazwischen gibt es viele Abstufungen. Immer mehr junge Menschen wollen nicht mehr für Arbeitgeber tätig sein, die nicht nachhaltig wirtschaften.
Auch in den Agenturen wird es schwieriger, für Kunden, bei denen Nachhaltigkeit nicht oben auf der Agenda steht, betreuende Teams zusammenzustellen. Auch die Anteilseigner*innen von Agenturen scheinen Druck aufzubauen, welche Kunden aus welchen Branchen Agenturen nicht mehr betreuen dürfen. Es ist einiges in Bewegung.
Nachhaltiges Marketing als Schwerpunkt 2023
Nachhaltiges, langfristiges Marketing betrifft alle Stufen der Wertschöpfung, von Logistik und Verpackung bis zu Kommunikation und Vertrieb. Es betrifft die Art, wie Mitarbeitende und Umwelt behandelt werden. Es betrifft Vergütung und Finanzierung. Agenturen und Unternehmen sind hier Komplizen, im Guten wie im Schlechten. Sie werden Transformationsprozesse nur gemeinsam bewältigen können. Die Zusammenarbeit wird sich verändern.
Agenturen werden neue Beratungsangebote schaffen, die die Herausforderungen ihrer Kunden adressieren. Und Unternehmen werden Dienstleister beim Einhalten von Standards stärker in die Pflicht nehmen. Sich diesem Prozess nicht gemeinsam zu stellen, ist keine Option. Übrigens auch nicht für einen Branchenverband wie den GWA. Deshalb ist nachhaltiges Marketing eines unserer Schwerpunktthemen in 2023.
Larissa Pohl schreibt über die Zusammenarbeit von Unternehmen und Agenturen. Sie ist GWA-Präsidentin und Europe Lead für Coca-Cola bei WPP.