Der größte deutsche Vermarkter für Außenwerbung, Ströer, nimmt ab sofort keine Aufträge für Wahlwerbung von Parteien mehr entgegen. Diesen Schritt begründete das Unternehmen am Mittwoch in einer Mitteilung mit persönlichen Anfeindungen und Drohungen gegenüber eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Boykottaufrufen gegen das Unternehmen und Sachbeschädigungen von Firmeneigentum aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Meinungsrichtungen.
Ströer sieht sich zudem durch aktuelle Medienanfragen „willkürlich“ und „unzutreffend“ politisch in die Nähe der AfD gedrängt. Damit sei aus Sicht des Unternehmens „die Grenze des Hinnehmbaren endgültig überschritten“: Das Unternehmen könne auf dieser Basis seinen Beitrag zur politischen Meinungsbildung nicht mehr gewährleisten und ziehe sich vollständig aus der parteipolitischen Werbekommunikation zurück, um Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeitenden abzuwenden, heißt es weiter.
Hetz-Kampagne gegen die Grünen
Zuletzt hatte eine bundesweite Anti-Grünen-Kampagne im August für Aufsehen sorgt, für die viele Plakatflächen bei Ströer gebucht worden sind. Auf den Plakaten, die auf den ersten Blick wie Grünen-Wahlwerbung aussehen, wird unter dem Slogan „Grüner Mist“ Stimmung gegen die Partei gemacht. Darauf stehen Begriffe wie „totalitär“, „Klimasozialismus“, „Asylbetrug“ und „Ökoterror“. Die Kampagne zog eine Welle der Empörung nach sich, der sich auch politische Gegner der Grünen wie SPD und CDU anschlossen.
Das Werbeunternehmen wies im August in einem Statement jegliche Kritik von sich: „Ströer ist als Vermarkter der Plakatflächen nicht für die Inhalte und Gestaltung der Werbung verantwortlich“, hieß es in einer Mitteilung. Der Vermarkter räumte gleichwohl ein, nicht alle Motive der Kampagne genehmigt zu haben: „Wir haben einzelne Motive nach juristischer Prüfung abgelehnt.“ Ströer geriet in der Folge gehörig unter Druck.
Finanzierung der Kampagne im Dunkeln
Umstritten ist vor allem die Finanzierung der Kampagne, die vom Hamburger Unternehmer und AfD-Sympathisanten David Bendels in Auftrag gegeben wurde. Nach dessen Angaben komme das Geld von „Mittelständlern und engagierten Bürgern“. Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) fürchtet dagegen, dass ausländische Geldgeber dahinter stecken. Der AfD konnte eine direkte Verbindung mit der Kampagne bislang nicht nachgewiesen werden.
Ströer reagierte in seiner aktuellen Pressemitteilung erneut auf die Kritik gegen das Unternehmen: Als Dienstleister der Außenwerbung müsse man unterstellen, dass die Finanzierung von Aufträgen durch die Kunden rechtmäßig erfolgt. Ströer sei weder berechtigt noch organisatorisch in der Lage, sich den Finanzierungsweg und Finanzierungsmodi der Auftragnehmer für Aufträge vorlegen zu lassen und diese zu überprüfen. In Bezug auf parteipolitische Werbung müsse das Unternehmen unterstellen, dass die rechtlichen Vorgaben und die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages eingehalten werden.
Runder Tisch mit allen Parteien vorgeschlagen
Der Werbevermarkter beteuerte seine politische Neutralität: „Ströer hat es bislang als eine gesellschaftliche Verpflichtung angesehen, zur funktionierenden freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Ermöglichung einer parteipolitischen Kommunikation im öffentlichen Raum beizutragen“, teilte das Unternehmen mit. Dies sei nun infolge der öffentlichen Anfeindungen, Aufrufen zur Gewalt gegen das Unternehmen und seine Mitarbeitenden und gezielten Diffamierungen aus verschiedenen politischen Richtungen nicht mehr möglich.
Eine Hintertür lässt sich Ströer allerdings offen: Voraussetzung für die Fortführung der Verbreitung parteipolitischer Werbung sei ein politischer Konsens, der bei einem von Ströer initiierten Runden Tisch mit den politischen Parteien des Deutschen Bundestages erzielt werden könne.