Ein Kommentar von Dr. Ingo Friedrich, Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats
Zwei neue Gefahren
Wenn Trump wirklich ernst macht mit seiner Forderung nach Schutzzöllen zur Förderung der eigenen Industrie dann droht hier in der Tat ein neuer Protektionismus mit all seinen wohlstandsmindernden Folgen. Kein Phänomen der Wirtschaftstheorie wird so einhellig als Teufelszeug beschrieben wie der Protektionismus, weil sich Maßnahmen und Gegenmaßnahmen sehr schnell hochschaukeln. Die folgenden Handelskriege schaden dann allen. Hier muss Deutschland alle Register ziehen, um eine derartige Entwicklung im Keim zu ersticken.
Die von Trump angekündigten Konjunkturprogramme sollen offenbar mit neuen Schulden finanziert werden, weil ja gleichzeitig die Steuern gesenkt werden sollen. Dies ist mittel- und langfristig natürlich immens gefährlich, weil neue Blasenbildungen initiiert werden. Und: eine solche Haushaltspolitik macht es der US-Zentralbank noch schwerer die Zinsen zu erhöhen, mit all den negativen Auswirkungen auch auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank, die dann ebenfalls die Zinsen nicht erhöhen können.
Zwei neue Chancen
Die vorgesehene Ankurbelung der US-Wirtschaft und insbesondere der geplante Ausbau der Infrastruktur wirken sich wachstumsfördernd aus und schaffen dringend benötigte neue Arbeitsplätze. Auch die moralisch fragwürdige Erhöhung der Rüstungsausgaben wirkt in die gleiche Richtung.
Eine Verbesserung der Infrastruktur ist für die USA von zentraler Bedeutung, denn gerade in den entlegenen Landregionen wohnen die sog. Abgehängten, die Chancenlosen und verarmten Bürger, die dringend eine Perspektive brauchen. Das (schlechte) amerikanische Beispiel einer völlig fehlenden staatlichen Strukturpolitik zeigt einmal mehr, welche Bedeutung dieser Politik zukommt. Es darf eben nicht passieren, dass ganze Landstriche »vergessen« und ihrem Schicksal überlassen werden. Reine Marktwirtschaft kann diese Politik nicht leisten.
Durch den angekündigten Rückzug der USA aus vielen globalen Konfliktregionen (Trump verlangt ja klar: »Amerika first«) und die Herabstufung der Beistandsverpflichtung der NATO wird Europa gezwungen, auf militärischem Gebiet aber auch auf vielen anderen Gebieten wesentlich enger zusammenzuarbeiten als bisher. Europa wird durch diese Wahl praktisch gezwungen, »erwachsen« zu werden.
Drei politisch-psychologische Konsequenzen
Neben all den wirtschaftlichen Aspekten der US-Wahl muss die populistische Komponente dieser Wahl sehr ernst genommen werden. Warum gibt es einen solchen Frust gegen das politische Establishment und gegen die Medien. Diese Warnsignale müssen wir auch in Europa und Deutschland erkennen und handeln. Die sog. Eliten müssen über persönliches Einbringen, über die Medien und über die Netzwerke ganz neu begründen, mit welcher Berechtigung sie eventuelle Privilegien genießen. Die Medien müssen aufhören mit ihren ständigen Erziehungsversuchen und die Sorgen der Bürger ernst nehmen, selbst wenn diese übertrieben sein sollten. Die Politik ihrerseits muss beweisen, dass auch im Zeitalter der Globalisierung europäische und nationale Grenzen wirksam kontrolliert werden. Jede außereuropäische Zuwanderung bedarf der klaren Begrenzung. Es darf bei den besorgten Bürgern auch kein Zweifel darüber aufkommen, dass der politische-extreme Islam (nicht die islamische Religion) mit seiner aggressiven Ideologie keinen Platz in Europa und Deutschland hat. Hier gelten für jeden Bürger das Grundgesetz und alle Errungenschaften der europäischen Geistesgeschichte. Terroristen, egal ob sie sich Islamisten oder anders nennen, müssen global mit aller Härte und mit Hilfe einer engen Zusammenarbeit der Geheimdienste bekämpft werden. Die Bürger haben ein Recht auf Sicherheit und auf die volle Funktions- und Leistungsfähigkeit des Staates. Aber auch die Bürger selber sind gefordert: sie dürfen es den Populisten nicht durchgehen lassen, dass sie – wie beim Brexit und bei der US-Wahl geschehen – mit beweisbaren Lügen Wahlen gewinnen! Bei der Aufklärung dieser Lügen müssen die Medien helfen, aber die Bestrafung der Lügner müssen die Bürger selber durch ihren Stimmzettel vornehmen. Ohne Orientierung an der Wahrheit kann Demokratie nicht funktionieren.