Wieso Snapchat für Medienhäuser gefährlicher werden kann als Facebook
Der Erfolg der Medien bei Snapchat Discover hängt dabei auch ganz von den Motiven und Erwartungen der einzelnen Publisher ab. Ganz gewiss bietet Snapchat einen Zugang zu einer deutlich jüngeren Zielgruppe, der Produktionsaufwand gilt allerdings als immens hoch und damit kostenintensiv. Darüber hinaus bietet die Messenger-App keine direkten Verlinkungen und Verknüpfungen zu den Portalen. Für die meisten der deutschen Teilnehmer dürfte es viel mehr um Erfahrungen mit der Zielgruppe sowie um die Möglichkeit, junge Nutzer möglichst früh an ihre etablierten Marken zu binden.
Während Snapchat für Medien einen Kanal zu attraktiven Zielgruppen öffnet, bastelt das Unternehmen auf der anderen Seite aber auch an Projekten, die der Branche gar nicht gefallen dürfte. Konzerne wie Google oder Facebook – und selbst ihre Rolle ist noch nicht gänzlich geklärt – verstehen sich ihrer eigenen Kommunikation zufolge als Technologie-Unternehmen und Plattformbetreiber, redaktionelle beziehungsweise journalistische Kompetenzen holen sie sich durch Partnerschaften mit Medien. Snapchat aber scheint ein anderes Selbstverständnis entwickelt zu haben. So stellt das Unternehmen seine App nicht nur als Distributionsplattform zur Verfügung, sondern entpuppt sich auch selbst als Inhalte-Produzent. Jüngst veranstaltete Snap im französischen Wahlkampf eine Art Snapchat-Duell der Spitzenkandidaten. Auch im US-Wahlkampf oder zu großen Veranstaltungen wie dem Superball wird Snapchat selbst aktiv und produziert – auch mithilfe seiner User – eigenen Content. Dass das Unternehmen in diesem Segment selbst mitspielt, reduziert nicht unbedingt Sorge und Gefahr, dass es Regeln jederzeit zu eigenen Gunsten ändern könnte.
Zweifel an Snapchat als Marketinginstrument – Gefahr durch Facebook
Für Werbung treibende Unternehmen hingegen, die bei Snapchat beispielsweise eigene Filter sponsern oder Anzeigen zwischen einzelnen Stories schalten können, stellen sich andere Fragen. Zwar geht es irgendwo auch für sie um Markenbindung und -kommunikation, die Frage nach kurzfristigen Effekten ist aber durchaus umstritten – eben wegen der jungen Zielgruppe. „Snapchat ist ein reines Teenager-Medium und wird es auch bleiben“, fasst die bereits zuvor zitierte Studie von McCann ihre Ergebnisse zusammen. Der Anstieg der Nutzung beschränke sich auf die bis zu 29-Jährigen, „bei noch genauerem Hinsehen auf die Gruppe der 16 bis 19-Jährigen“, heißt es. Also auf eine Zielgruppe ohne besondere Kaufkraft.
Hinzu kommt: Wer um Werbegelder kämpft, kämpft mit Facebook. Nachdem Snapchat-Gründer Evan Spiegel mehrere Übernahmeangebote ausgeschlagen hatte, leitete CEO Mark Zuckerberg den großflächigen Angriff ein. Innerhalb kürzester Zeit baute Facebook seine Produkte Messenger, WhatsApp und Instagram um den von Snapchat bekannten Story-Modus aus. Das Ergebnis: Zuckerberg nahm Spiegel das Alleinstellungsmerkmal seiner App und gleichzeitig den Reiz für ältere, kaufkräftige Zielgruppen, das Angebot zu wechseln, wie McCann analysiert hat. Die Nutzungszahlen der Stories bei Instagram liegen schon heute deutlich über denen von Snapchat.
Snapchat-Stories: Sieht so das Storytelling der Zukunft aus?
Fakt ist: Dass es Snapchat gelungen ist, den Markt der Social Networks aufzurütteln, zeigt, dass die Macht von Facebook kein Gesetz ist. Und auch Medienhäuser entdecken neue Seiten und werden zu neuen Formen des Storytellings angeregt. Vor allem für Online-Redaktionen, die aus klassischen Verlagen heraus entstanden sind, ist der Schritt zu Snapchat eine Innovation für sich. Mit seinen zahlreichen Elementen und Animationen lassen sich für die Produktion der Inhalte für die App müssen sie sich Kompetenzen aneignen, die eher im TV-Segment zu finden sind. Snapchat zeigt einmal mehr, dass die Digitalisierung bislang getrennte Darstellungsformen miteinander vermengt moderne Medienhäuser multifunktional sein müssen. Dass die Form des Erzählens so schnell auf zahlreiche Nutzer gestoßen ist und Wettbewerber sich genötigt fühlen, das Konzept zu kopieren, zeigt zudem, dass diese Art des Storytellings auf große Beliebtheit stößt. Angesichts dessen, dass die Nachfrage nach leicht und schnell konsumierbaren Inhalten, wie sie Snapchat mit seinen kurzen Videosequenzen bietet, wächst, lässt sich durchaus prognostizieren, dass Storytelling wie dieses zukünftig auch an anderen Stellen und in entwickelter Form Anwendung finden wird.