Hinter Snapchat steht erst einmal die Idee eines Messengers. Nutzer können sich mithilfe so genannter Snapcodes, die wie QR Codes funktionieren, oder ihrer Accountnamen miteinander verbinden und sich in Chats miteinander austauschen. Das Besondere: Mit seinen „Snaps“ hat Snapchat eine neue Form der Kommunikation gebastelt, bei der Nutzer ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Snaps sind Fotos oder kurze Videoschnipsel, die mit zahlreichen Elementen bearbeitet werden können. So können die Snaps mit Text-Elementen, Emoticons oder unterschiedlichen Filtern wie beispielsweise Geo-Filtern, die Aufschluss über den Ort geben, angereichert werden.
Kommunikation mit Selbstzerstörungsmodus: Nachrichten verschwinden wie von Geisterhand
Unterschiedliche Filter, beispielsweise für Selfies, sorgen dabei für besonderen Spaß. Die Anwendungen wechseln regelmäßig und Snapchat arbeitet kontinuierlich an Erweiterungen und der Einbindung von Virtual-Reality-Elementen.
Doch das wirklich Besondere und zugleich auch Verwirrende an der App ist ihr selbstzerstörerischer Charakter. Während sich der Mensch daran gewöhnt, dass das Internet eigentlich nicht vergisst, schafft Snapchat ein Paradoxon. Die Snaps sind maximal zwei Mal abrufbar und löschen sich direkt danach. Auch die öffentlich, für alle Follower geposteten Snapchat-Stories sind maximal 24 Stunden verfügbar, archiviert werden sie nicht. Der Grundgedanke dahinter: „Das Leben macht mehr Spass, wenn du den Moment lebst.“
Snapchat: Die App der jungen Generation
Seit seiner Gründung 2011 hat sich Snapchat vor allem in der jungen Nutzerschaft zu einer der beliebtesten Apps entwickelt, seit circa zwei Jahren wird der Messenger regelrecht gehypt. Der Grund: Snapchat war es gelungen, den Markt der Social Networks aufzumischen und anderen mächtigen Mitstreitern wie Facebook die junge Generation abzuwerben. Details über seine Nutzerschaft behält Snap Inc., wie das börsennotierte Unternehmen hinter der App inzwischen heißt, zwar am liebsten für sich.Schätzungen zufolge ist aber wohl knapp mehr als die Hälfte der offiziell rund 160 Millionen aktiven täglichen Nutzer zwischen 16 und 24 Jahren alt. In den USA war die App laut Umfragen 2016 bei mehr als einem Drittel der Teenager das beliebteste Social Network – Tendenz steigend, während die Konkurrenz stagniert oder sogar verliert .
Auch über die geografische Verteilung seiner Nutzerschaft schweigt das Unternehmen – von 50 Millionen Nutzern in Europa ist die Rede, von zehn Millionen allein in Großbritannien, von acht Millionen in Frankreich. In Deutschland sollen Erhebungen zufolge rund 3,5 Millionen Menschen die App regelmäßig nutzen. Das wäre etwa jeder sechste Internetnutzer. Neuesten Umfragen der internationalen Werbeagentur McCann zufolge nutze jeder vierte Snapchat-Nutzer in Deutschland die App täglich. Die Nutzungsraten anderer Apps wie WhatsApp oder Facebook liegen mit knapp 80 Prozent zwar weitaus höher, allerdings legte die Snapchatnutzung seit 2014 um 207 Prozent zu.
Von der Sexting-App zur Bühne für Medien und Marken: Snapchat im Wandel
Die Faszination der App, die (zumindest vordergründig) vergisst, rührte vor allem in der Anfangszeit daher, dass sich die Anwendung auch für Chats der etwas anderen Art angeboten hatte. Snapchat galt als beliebter Messenger für so genanntes Sexting, den Austausch freizügiger und pornografischer Fotos. Mit dem Image allerdings ließ oder lässt sich nur schwer auf seriöse Art und Weise Geld verdienen, weshalb das Unternehmen konsequenter gegen pornografische Inhalte vorgeht. Und auch wenn diese Schattenseite noch nicht vollkommen ausgeleuchtet scheint, wie jüngst Basic Thinking noch einmal berichtete, hat Snapchat mittlerweile einen beachtlichen Wandel vollzogen, der Interesse von Medien und Werbung treibenden Unternehmen geweckt hat.
Was Snapchat für Medienhäuser so attraktiv macht
Der besondere Zugang zur jungen Zielgruppe macht Snapchat für diese nämlich durchaus interessant. Während sich vereinzelt experimentierfreudige Medienmarken bereits früh eigene Snapchat-Accounts eingerichtet haben, um Stories für potentielle Leser zu snappen, besteht seit 2013 auch ein extra für sie eingerichtetes Medienangebot. Bei Snapchat Discover bekommen Medien die Möglichkeit, einen eigenen Kanal zu betreiben, in dem sie – konsequent auf Snapchat ausgerichtet – eigene Geschichten professionell erzählen können. Seit dieser Woche sind mit Bild, Spiegel Online, Vice Germany und Sky auch deutsche Publisher vertreten.
Das Discover-Programm verschafft Medien nicht nur eine prominente Platzierung in der App, sondern auch Vermarktungsmöglichkeiten. Nachdem die Verhandlungen über eine Partnerschaft mit deutschen Medien in den vergangenen Monaten eher zäh verliefen, haben sich die Unternehmen zum Start auf ein Revenue-Share-Modell geeinigt, mit dem offenbar beide Seiten leben können. Details über die Konditionen sind zwar nicht bekannt, allerdings haben Medien die Möglichkeit, ihre Inhalte selbst zu vermarkten oder Werbeplätze von Snapchat verkaufen zu lassen. Ähnliche Modelle sind bereits aus Distributed-Content-Deals mit Facebook bekannt.
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Discover-Story von Spiegel Online