Mit dem E-Commerce boomen auch die Retouren. Laut dem Retourentacho der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg wurden 2018 rund 487 Millionen Artikel zurückgesendet. 2021 waren es bereits 1,3 Milliarden. Für Kund*innen gehören Rücksendungen heute also zur Normalität. Viele Unternehmen unterschätzen allerdings die Bedeutung des Bereichs After Sales oder das Retourenmanagement als Teil davon.
„Zu After Sales gehört grundsätzlich alles, was nach dem Kauf passiert“, sagt Artjom Bruch, CEO von Trusted Returns, einer IT-Plattform für Retourenmanagement im E-Commerce. Das seien Kundenservice, Retouren, Reklamationen und Rückrufe, aber auch Marketingaktivitäten wie Rabattangebote für Bestandskund*innen. Hinzugekommen sind aus Gründen der Nachhaltigkeit zuletzt Reparaturen sowie der An- und Verkauf von Waren als Second-Hand.
Retourenmanagement heißt nicht Retourenvermeidung
Die Kundenerfahrung endet nicht mit dem Kauf. Retourenprozesse sind häufig wenig transparent und ineffizient. Der Forschungsgruppe Retourenmanagement zufolge kostet eine einzelne Retoure außerdem zwischen 5,18 und 17,70 Euro. Insbesondere die Kosten führen dazu, dass sich viele Unternehmen darauf konzentrieren, Retouren zu vermeiden.
Laut Artjom Bruch ist das nicht der richtige Weg. In seinem Buch „Ganzheitliches Retourenmanagement“ schreibt er: „Retourenverhinderung ist auch Umsatzverhinderung.“ 83 Prozent aller Kund*innen, die negative Erfahrung bei Rücksendungen machten, würden bei der entsprechenden Stelle nicht mehr bestellen.
Ein strategisches und digitalisiertes Retourenmanagement beinhalte Bruch zufolge großes Potenzial, Kosten zu senken, durch Kundenkommunikation neuen Umsatz zu generieren und sich vom Wettbewerb abzuheben.
Rose Bikes hat Retouren digitalisiert
Erkannt hat das ein Kunde von Trusted Returns: Der Fahrradhändler Rose Bikes hat seine Retouren mithilfe der Plattform des IT-Dienstleisters digitalisiert. Prognosen zu Retouren basierten bei dem Händler vorher auf Vergangenheitswerten wie dem Auftragseingang oder dem Paketversand. Heute werden Retouren durch eine Self-Service-Plattform im Onlineshop angemeldet.
„Durch die Voranmeldung über die Plattform können wir die kurzfristige Personaleinsatzplanung bedarfsgerechter skalieren“, sagt Daniel Vollmer, Director IT bei Rose Bikes. „Das macht sich unmittelbar im Customer Service bemerkbar, da Retouren auch in den Saisonspitzen schneller abgearbeitet werden.“ Außerdem spart Rose Bikes laut eigenen Angaben durch den Verzicht auf Retouren-Lieferscheine über eine Million Seiten Papier pro Jahr.
Diese Vorteile bieten digitalisierte Retouren
Durch die Digitalisierung der Retouren erhält der Fahrradhändler direkte Rückmeldung zu Produkten von den Endkund*innen. „In unserem Retourenprozess über die Trusted Returns Plattform werden die Retourengründe direkt abgefragt. Damit werden die produktrelevanten Feedbacks eindeutig und aggregiert verwendbar“, sagt Vollmer.
Artjom Bruch sieht im digitalen Retourenmanagement weitere Vorteile: Durch die Digitalisierung werden Daten erfasst, die zuvor möglicherweise übersehen wurden. Diese Daten könnten dann mit anderen Abteilungen geteilt werden, um Geschäftsabläufe zu verbessern. Zudem ermögliche die Digitalisierung spezifische Lösungsoptionen wie das Nachliefern fehlender Einzelteile, ohne die gesamte Bestellung zu stornieren. Die Schnittstelle zum Kunden oder zur Kundin könne man auch effektiv nutzen, beispielsweise für Cross-Selling.
Klassifizierung nach Warenzustand, Problem und Produktpreis
Bei der Klassifizierung von Retourenware können neben dem Warenzustand auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Unternehmen wie Rose Bikes legen Wert darauf, das eigentliche Problem der Kund*innen zu verstehen. Daher nutzen sie den Grund für die Rücksendung zur Klassifizierung.
Der Produktpreis kann ebenfalls eine Rolle spielen. Er beeinflusst den Spielraum für einen Mehraufwand nach dem Verkauf. Bei teureren Produkten wie Fahrrädern kann eine individuelle Lösung sinnvoll sein, während bei niedrigpreisigen Produkten die Senkung der Retourenquote im Vordergrund stehen kann, meint Bruch. „Aber auch die Möglichkeit, bei kleinen Mängeln beispielsweise einen Preisnachlass anzubieten, statt den kompletten Rückversand samt etwaigen Kosten abzuwickeln, ist eine gute Option, wenn nicht viel Spielraum für eine Nachbearbeitung da ist.“