Mitte Mai sorgte ein Badeanzug des Sportartikelherstellers Adidas für Furore im Netz. Jener ist Teil der „Adidas x Rich Mnisi-Kollektion“ – eine Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen, queeren Designer Rich Mnisi zum Pride Month 2023. Darin enthalten sind noch weitere Artikel wie T-Shirts, Schlappen und Schuhe.
Doch es waren nicht etwa das Design oder die Farbkomposition des Schwimmartikels, die für Wut sorgten, sondern die mutmaßlich männliche Person, die den Anzug präsentiert. Sein Geschlechtsorgan zeichnet sich deutlich unter dem Stoff ab, „Love Unites“ (Liebe verbindet) steht auf dem Rückteil – für manche Twitter-Nutzer*innen ein Skandal.
Schnell machten Boykottaufrufe von Adidas-Artikeln die Runde. US-Schwimmerin und Trump-Anhängerin Riley Gaines warf dem Konzern vor, mit jenen Werbefotos „Frauen ganz auslöschen“ zu wollen.
Auch in Deutschland erfährt Adidas eine Hasswelle. Darüber hinaus berichten viele deutsche Medien, darunter die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, der „Stern“ und die „Welt“, über die Werbeaktion und den Shitstorm. Doch wie sehr hat das Markenimage des Konzerns tatsächlich Schaden genommen?
Einer Analyse von YouGov nach zu urteilen: gar nicht. Das Meinungsforschungsinstitut misst mit einem bestimmten Markenimage-Score, dem „Brand Index“, tagesaktuell und bevölkerungsrepräsentativ die Verbraucherwahrnehmung von Marken auf 55 Märkten weltweit. In diesen Score fließen verschiedene Werte wie „Eindruck“, „Empfehlung“, „Qualität“, „Reputation“ oder „Zufriedenheit“ ein.
Andere Ereignisse waren für Adidas negativer
Das Ergebnis: Zwar sei ein leichter Abfall dieser Werte nach Beginn der Medienberichterstattung zur Causa Badeanzug zu erkennen. „Doch das Verhalten der beobachteten Metriken ist im Vergleich zu erwartbaren Veränderungen im Zeitverlauf nicht besonders auffällig“, sagt Philipp Schneider, Head of Marketing DACH bei YouGov. „Nach einem Peak, wie er zuvor zu sehen ist, sinkt die Markenwahrnehmung meist etwas ab. Daher ist der Effekt der Berichterstattung an dieser Stelle wahrscheinlich eher gering.“
Weitaus größeren Schaden bezüglich seines Markenimages musste Adidas wegen anderer Ereignisse verbuchen. So fiel das Markenimage zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 rapide, nachdem der Sportartikelhersteller angekündigt hatte, Mietzahlungen für seine Filialen auszusetzen. Auch die Diskussion um die Trennung von US-Rapper Kanye West im Oktober 2022 sorgte für eine negativere Auswirkung auf das Markenimage als der Causa Badeanzug. Doch warum?
Ein Grund könnte sein, dass Diversität in der Gesamtbevölkerung eine immer wichtigere Rolle spielt und die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema zunimmt. Zwar gehört Diversität in der Markenkommunikation schon länger zum Alltag, doch nicht in der breiten Öffentlichkeit. So haben sich nach Angaben von YouGov bisher nur ein Viertel der Deutschen (26 Prozent) mit Diversität in der Gesellschaft auseinandergesetzt. Für zwei Drittel (66 Prozent) spielt das Thema keine Rolle.
Nicht immer kommen Diversitätskampagnen gut an
Allerdings: 54 Prozent der Deutschen findet, dass Unternehmen bei ihrer Markenkommunikation darauf achten sollten, ein möglichst diverses und vielfältiges Gesellschaftsbild zu verwenden. „Hierbei sollte beachtet werden, dass Diversity Marketing nicht nur als Mittel zum Zweck eingesetzt wird“, warnt das Meinungsforschungsinstitut. Weiche das nach außen kommunizierte Bild deutlich von den durch die Verbraucher*innen wahrgenommenen Handlungen einer Marke ab, bestehe die Gefahr, dass sich diese abwenden und die Marke boykottieren.
Das gilt jedoch nicht für jede Diversitätskampagne – zumindest nicht in den USA. Dort sorgte Bud Light in den sozialen Netzwerken für eine Welle der Wut, nachdem der Bierhersteller mit dem Transgender-Model Dylan Mulvaney geworben hatte. Hier legen die Daten von YouGov nahe, dass Bud Light mit einer lange anhaltenden Schädigung seiner Marke rechnen muss.
„Im Fall von Bud-Light auf dem US-amerikanischen Markt zeigt sich, was passieren kann, wenn die Kommunikationsaktivitäten einer Marke durch reichweitenstarke Dritte für die Verfolgung eigener Ziele verwendet werden und die Instrumentalisierung in der Öffentlichkeit ein breites Echo findet“, so Schneider.