Das Problem dabei: Die Superlative und auch die immer gleichen Sprachbausteine wirken inzwischen sichtlich austauschbar. Die Werbung in eigener Sache nutzt sich nicht nur ab – sie wird inzwischen sogar immer öfter als willkommene Vorlage zur Parodie genommen. Den Anfang machte vor zwei Jahren Ikea: „Das ist kein digitales Buch. Auch kein E-Book. Es ist ein BuchBuch“, führte ein gewisser Jörgen Eghammer, selbst ernannter „Chief Design Güru“ beim schwedischen Möbelriesen, Apple vor. Dieses Jahr landeten die Comedians von College Humor, die sich bereits seit Jahren am Kult um Apple abarbeiten, mit dem Internetvideo „Worse“ im bekannten Look der Apple-Clips einen Viralhit, der in der bitterbösen Breitseite gipfelte, die eigentliche Neuheit der Apple-Produkte bestände nur noch darin, dass sie schlechter würden.
Schwerer Start der Apple Watch: Cupertino sucht den Schulterschluss mit Weltmarken
So vorhersehbar die Parodien auf den Platzhirsch sind, so sehr treffen sie auch einen Nerv. Apple dreht sich seit Jahren um sich selbst: Die immer gleiche Botschaft ist Dutzende Male wiederholt worden, alles scheint gesagt. Als Apple im vergangenen Frühjahr mit der Apple Watch erstmals seit 2010 wieder eine neue Produktkategorie vorstellte, wurde das alte Erfolgsprinzip mit einem Touch Glamour veredelt. Die Apple-Uhr wurde als Luxusartikel in Modemagazinen platziert – in der „Vogue“ buchte Tim Cook gleich eine zwölfseitige Anzeige in Originalgröße, während die Prominenz der Popkultur von Beyoncé bis Karl Lagerfeld mit der goldenen, 20 000 Euro teuren Apple das vermeintlich neue Kultprodukt protzig spazieren trugen.
Doch echter Glanz wollte sich bisher nicht einstellen: Die Apple Watch liegt bis heute so weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück, dass sie in der Konzernbilanz unter „Anderen Produkten“ versteckt wird, während die goldene Apple-Watch-Edition nach nur einem Jahr schon wieder beerdigt wurde. Auch bei Marketern stieß Apples neues Gadget auf ungewöhnlich wenig Interesse: „Marketinggelder sind woanders besser investiert“, konstatierte Leif Eng von der New Yorker Digitalagentur Firstborn nach dem ersten Jahr wenig Interesse von Markenanbietern, um in App-Kampagnen für die Apple Watch zu investieren.
Den Schulterschluss mit anderen großen Markenartiklern sucht unterdessen Cupertino: Weil auch die zweite Generation wenig revolutionäre Neuerungen bietet, vermarktet Apple seine Smartwatch inzwischen in Kooperation mit den Ikonen der Luxusgüter- und Sport-
industrie. So stellte der Kultkonzern aus Cupertino im September die Apple Watch Hèrmes mit neuen Lederarmbändern des französischen Modeherstellers und die Apple Watch Nike+ mit neuen Modellen für leidenschaftliche Sportler vor.
Unklare Zukunft: Durchbruch der Apple Watch und Mythos iCar
Beworben wird die Apple Watch Series 2 mit Modelathleten, die aussehen, als würden sie für die nächsten Olympischen Spiele trainieren: Sie springen ins Poolbecken, sprinten die Tartanbahn entlang oder schießen mit einem Rennrad durch den Regen – die neue Apple Watch Series 2 ist schließlich nun auch wasserdicht und besitzt GPS. Allein: Mehr Käufer scheint Apples Smartwatch auch nicht im zweiten Jahr anzulocken – die Absätze entwickeln sich schon wieder rückläufig und dürften auch mit den neuen Modellen weiter fallen, schätzt KGI-Securities-Analyst Ming-Chi Kuo.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die mit viel Vorschusslorbeeren gestartete Apple Watch weiter hinter den einst großen Erwartungen hinterherhinkt. Ein Produkt, das den Gesundheitsmarkt revolutioniert, sollte Apples Wearable mit Anwendungen wie einem Blutdruck- und einem Herzaktivitätsmesser und einem Stresssensor werden. Nichts davon findet man in den ersten Modellen, sondern wohl bestenfalls in Versionen ab 2018/19 – Innovationen lassen in Cupertino immer länger auf sich warten.
Das könnte auch für das längst mythisch verklärte iCar gelten, das vielleicht nie Marktreife erlangen wird. Nach Brancheninsidern kommt Apple bei seinen Autoplänen nämlich so wenig voran, dass inzwischen völlig unklar erscheint, ob der iKonzern jemals ein eigenes Auto herstellen oder sich lediglich auf eine Softwareplattform für selbstfahrende Autos beschränken werde – bis Ende 2017 soll die Entscheidung fallen. Nach ungewohntem Managementversagen und internen Ränkespielen wurden bereits Hunderte Mitarbeiter vom „Project Titan“ abgezogen und freigestellt.
Apples zwei Jahrzehnte lange Erfolgsserie droht zu reißen: Die jüngsten Produkte wirkten inzwischen so wenig revolutionär wie die Vermarktung der neuen Gadgets. Seit Jahren kritisieren Techmedien den Missstand der „Old White Men“, die die Geschicke bei Apple führen – das Managementteam besteht seit fast zwei Jahrzehnten aus den Jobs-Getreuen Tim Cook (55), Phil Schiller (56), Eddy Cue (52), Jony Ive (49) und Craig Federighi (47), denen im Gegensatz zu den neuen Rivalen aus dem benachbarten Mountain View und Menlo Park offenkundig die jugendliche Dynamik von Facebook und Googles Diversität abgeht. Vor allem Marketingchef Phil Schiller, ein echter Veteran der zweiten Steve-Jobs-Ära, ist neben Konzernchef Tim Cook und Designgenie Jony Ive das öffentliche Gesicht von Apple: Schiller kommt auf Keynotes am ehesten an seinen früheren Mentor heran und ist immer für einen flotten Spruch zu haben. Bei der Vorstellung des iPhone 7 im September erklärte Apples CMO selbstbewusst, es habe „Mut“ erfordert, den Klinkenanschluss am neuen iPhone abzuschaffen und den Kopfhörer künftig über den Lightning Connector anzuschließen – oder sich am besten für 179 Euro die neue Drahtlos-Variante AirPods zu kaufen. Das Eigenlob kam allerdings nicht besonders gut an – das Internet filetierte Schiller. Unter dem Hashtag #Courage stellte das Social Web Apples ach so mutige Entscheidung den wahren Helden der Zeitgeschichte entgegen – von Anne Frank über Gandhi bis zu Nelson Mandela.
Wachablösung: Alphabet überholt Apple als begehrteste Marke der Welt
Es war nicht der erste verbale Fehltritt von Apples Lautsprecher, der die Marketingstrategie des wertvollsten Konzerns der Welt seit den späten 90er-Jahren verantwortet und sich in der Vergangenheit das ein ums andere Mal zum Trashtalk gegen Samsung und die Android-Welt hinreißen ließ.
Marketingprofi Schiller muss dabei jedoch aufpassen, nicht von der Realität überholt zu werden: Wie Millward Brown, die weltweit führende Forschungsagentur im Bereich Werbung, Markenkommunikation und Markenwert, in ihrem jährlichen Ranking BrandZ im Sommer bilanzierte, hat Apple seinen Spitzenplatz als begehrteste Marke der Welt in diesem Jahr knapp an Erzrivalen Google abgeben müssen. „Der Erfolg von Google gründet auf deutlich erhöhten Werbeeinnahmen, prosperierenden Cloud-Services und einer schlüssigen Innovationsstrategie am Puls der Zeit“, erklärt Dr. Bernd Büchner, Geschäftsführer von Millward Brown in der DACH-Region, den Aufstieg des Internetriesen, in dem auch die Wall Street die Zukunft sieht – für einige Handelstage konnte Google den iPhone-Hersteller 2016 auch nach dem Börsenwert bereits überholen. Als amerikanische Mobilmarke listet Millward-Brown-Mutter Kantar Apple gar nur noch auf dem fünften Platz hinter Microsoft und dem Internettrio um Facebook, Google und Amazon.
Legt man das gerade gelaunchte, wenig innovative iPhone 7 zugrunde, läuft Apple gar Gefahr, sein Kultimage zu verspielen, glaubt Walt Mossberg: „Apple riskiert, seinen guten Ruf, den es sich mit immer wieder entzückenden, überraschenden neuen Produkten erworben hat, die es zu einer der am meisten bewunderten Marken der Welt gemacht haben, zu gefährden“, wird die Reporterlegende von re/code ungewöhnlich deutlich.
Fünf Jahre nach dem Tod des Jahrhundertvisionärs Steve Jobs wirkt Apple in der Produktstrategie plötzlich so verwundbar wie die Werbe- und Marketingmaßnahmen in die Jahre gekommen. Ein neues „One more Thing“ wie das viel erwartete Apple-Auto ist mittelfristig nicht in Sicht, doch Apples Erfolgsstory muss auch in Zeiten von Umsatz- und Gewinnrückgängen immer weitererzählt werden. Und doch kann der Kultkonzern aus Cupertino wohl noch ein weiteres Jahr den Autopiloten angeschaltet lassen: Weil Erzrivale Samsung sich mit seinem explorierenden Galaxy S7 als Premium-Smartphone-Alternative buchstäblich selbst verbrannt hat.