„Most Wanted Employer”: Der Unsinn mit den Siegeln

Kununu und der Zeit-Verlag veröffentlichen zusammen ein Ranking mit den besten Arbeitgebern. Das Ranking scheint tatsächlich sauber aufgesetzt. Dennoch ist diese Art von Siegeln keine gute Idee.
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Mindestens 3,5 von 5 Sternen müssen Unternehmen auf Kununu haben, um im Ranking für die Top-Arbeitgeber berücksichtigt zu werden. (© Unsplash/Towfiqu barbhuiya)

„Most Wanted Employer” so heißt die Auszeichnung, die von Zeit Verlagsgruppe und der Arbeitgeberbewerbungsplattform Kununu zusammen vergeben wird. Die 1.000 besten Arbeitgeber in Deutschland wurden damit zuletzt ausgezeichnet. 2025 sollen es sogar 1.200 Unternehmen sein.

Für Unternehmen ist das natürlich eine tolle Auszeichnung: Wer sich zu den Top-Unternehmen zählen darf, hat in einem schwierigen Arbeitsmarkt ein Argument mehr, warum er für Arbeitnehmende attraktiv ist. Auf den ersten Blick spricht also wenig dagegen, dass sich Zeit und Kununu an einem solchen Ranking versuchen. Dass sie damit offenbar erfolgreich sind, zeigt sich schon daran, dass das Ranking 2025 bereits zum vierten Mal erscheinen soll.

Ranking ist sauber aufgesetzt

Relevante Daten zu Arbeitgebern liegen einer großen Plattform wie Kununu natürlich auch vor: Fast alle Arbeitgeber werden auf Kununu regelmäßig bewertet. Um herauszufinden, wer nun wirklich ein guter Arbeitgeber ist, zieht das Ranking transparent Kriterien zu Rate. In der ersten Stufe werden nur Unternehmen berücksichtigt, die die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllen:

  • einen Kununu-Score von mindestens 3,5 Sternen 
  • eine Weiterempfehlungsrate von mindestens 70 Prozent
  • mindestens 80 Bewertungen, davon acht oder mehr in den letzten zwölf Monaten
  • einen Mitarbeiter*innen-Bewertungs-Score von mindestens 3,5 Sternen (im Gesamtzeitraum sowie in den letzten zwölf Monaten)

Heißt also: Wer schlecht oder zu wenig bewertet ist, hat von vornherein keine Chance, im Ranking zu landen. Diese Kriterien sind sinnvoll und transparent. Über eine unterschiedliche (und ebenfalls transparente) Gewichtung aus den Kriterien ergibt sich ein Score, der besonders Weiterempfehlungsrate und Mitarbeiter*innen-Score stark einbezieht. Auf Nachfrage erklärt eine Verlagssprecherin der Zeit, dass aus dem Ranking auch kein Unternehmen händisch ergänzt oder entfernt wird. Man kann also davon ausgehen, dass die gerankten Unternehmen tatsächlich zurecht dort landen, wo sie stehen. Am Vorgehen selbst gibt es also anscheinend wenig zu kritisieren. Damit sind Zeit und Kununu anderen Verlagen voraus, die durchaus fragwürdigere Siegel herausgeben, wie beispielsweise die Kolleg*innen bei Übermedien recherchiert haben.

Unternehmen müssen zahlen

In der Berichterstattung der Zeit wird das Angebot als Anzeige gekennzeichnet. Es handelt sich dabei also nicht um ein redaktionelles Angebot, sondern um eine Verlagskooperation mit Kununu. Man kann der Zeit nicht vorwerfen, das nicht sauber zu kennzeichnen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Selbst mit der besten Kennzeichnung will die Marke Zeit ihre journalistische Reputation nutzen, um das Angebot glaubwürdiger zu machen. Ich lehne mich wohl kaum allzu weit aus dem Fenster mit der Unterstellung, dass es die Absicht der Zeit ist, genau dieses Gefühl bei Arbeitssuchenden erzeugen. Was wohl ankommen soll: Wenn die Zeit herausgefunden hat, dass dieser Arbeitgeber vertrauenswürdig ist, dann wird das schon so sein. Diese Art von Markentransfer ist verlagsseitig sicher gewünscht, journalistisch aber zumindest fragwürdig.

Und weil eben gerade nicht die Zeit-Redaktion, sondern der Zeit-Verlag dahinter steht, ist auch klar: Es ist eben kein journalistisches Produkt. Das heißt auch: Es muss auch über die normalen journalistischen Erlöse hinaus Geld verdienen. Das wird sichergestellt, indem die Verwendung des Siegels als „Most Wanted Employer” verkauft wird. Ausgezeichnete Unternehmen dürfen also nicht einfach so die Auszeichnung zur Bewerbung nutzen. Nein, sie müssen dafür zahlen. Zu konkreten Preisen will sich der Verlag auf unsere Nachfrage nicht äußern.

„Unser Arbeitgebermarkensiegel, das die beliebtesten Unternehmen Deutschlands zeigt, wirkt wie ein Kompass für Jobsuchende”, erklärt Hanna Proner, Director Zeit Talent und Geschäftsführerin Academics den Sinn des Siegels. Ganz so fein justiert ist dieser Kompass aber nur, wenn man sich selbst durch das Ranking sucht. Das mögen sicherlich manche Jobsuchende tun. Viel wahrscheinlicher ist aber doch, dass Menschen auf das Siegel bei einem Unternehmen stoßen und es womöglich positiv wahrnehmen. Dass andere Unternehmen das gleiche Siegel nicht verwenden, heißt aber dann gerade nicht, dass sie auch wirklich nicht ausgezeichnet sind. Hier also navigiert der Kompass Menschen unter Umständen falsch. Und genau deswegen ist diese Art von Siegel keine gute Idee.

Auf eine gut orientierte Woche!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.