Mix aus Verknappung und Zugänglichkeit 

Wenig Zeit – was erstmal negativ klingt, ist die positive Grundidee von Roadshows und Pop-up-Stores. Drei Brands berichten über ihre Erfahrungen und wie das Konzept bei Kund*innen ankommt. 
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Im Pop-up-Store von The Siss Bliss kann man Echtschmuck offen am Tisch und ohne Vitrinen bestaunen (© The Siss Bliss)

Es ist 18.30 Uhr und normalerweise machen die meisten im Münchner Co-Working-Space WeWork bald Feierabend. Doch heute Abend ist es anders. Der Raum füllt sich langsam, immer mehr Frauen versammeln sich. Grund dafür ist das Event von Businettes. Die Female-Funding-Roadshow hat ihre erste Station in München – weitere folgen im Frühjahr und Sommer in Berlin, Frankfurt, Köln und Hamburg. 

Victoria Arnhold ist Gründerin von Businettes, der Onlineplattform für Gründerinnen. Ihre Mission ist es, den Austausch zwischen Unternehmerinnen zu fördern und durch die Roadshow Zugänglichkeit zu schaffen. An diesem Abend geht es darum, Investorinnen zu finden. “Wir wollen unserer Community nicht nur online, sondern auch offline die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen”, erklärt Arnhold. Es ist das dritte Mal, dass sie die Eventreihe zusammen mit ihrer Co-Founderin Claire Siegert und Marken-Partner*innen veranstaltet. Es gab vorab die Möglichkeit, sich als Community-Mitglied mit dem eigenen Startup zu bewerben. Anschließend hat eine Jury die Favoriten ausgewählt – vier davon dürfen an diesem Abend in München pitchen.  

Was nach einem schönen Abend mit viel Input und Austausch klingt, ist das Resultat monatelanger Arbeit. Victoria Arnhold ist Gründerin von Businettes und erklärt: “Nach dem Event ist vor dem Event. Wir starten im Prinzip nach der ersten Station im Mai schon mit der Planung fürs nächste Jahr.” Das sei oft stressig, aber auch hilfreich – weil man noch im Kopf habe, was es zu verändern und zu verbessern gilt.  

Roadshows und ihre Anfänge 

Mittlerweile wird das Konzept der Roadshows immer beliebter. Denn sie machen es möglich, eine Symbiose aus zeitlicher Verknappung und Zugänglichkeit zu schaffen. Das hat auch Franzi von Hardenberg vor einigen Jahren erkannt. Sie ist Gründerin des Echtgold-Schmucklabels The Siss Bliss und war während Corona eine der ersten, die diese Idee für sich genutzt hat. Nach dem Motto: Wenn es umgekehrt nicht möglich ist, dann kommen wir eben zu den Kund*innen. “Am Anfang sind wir noch mit dem Zug gefahren. Wir haben recht schnell festgestellt, dass diese Art der Reise mit all dem Gepäck doch etwas beschwerlich ist. Deshalb optimierten wir im zweiten Jahr auf einen Tourbus. Wir versuchen, ganz gezielt Locations auszuwählen, die total zugänglich und für unsere Kundinnen ohne Hemmschwelle sind”, erklärt sie. Ihr Ziel sei es, den Status Quo zu verändern – man solle sich endlich in die Stores von Edeljuwelieren reintrauen. Bei The Siss Bliss wird alles offen am Tisch und ohne Vitrinen präsentiert, alles darf anprobiert und fotografiert werden. Ihre Roadshow geht mittlerweile ins vierte Jahr – der Erfolg gibt ihr recht. Genau deshalb ist sie Pionierin und somit Vorbild für andere Brands, die ähnliche Konzepte für sich testen. 

“Für uns ist die Roadshow der perfekte Moment, um unsere Community zu treffen”, sagt von Hardenberg. Genau diese Momente will sie mit ihrer Brand weiterhin kreieren. Im Mai hatten sie und ihr Team einen Pop-up-Space auf dem OMR Festival. Außerdem seien weitere Pop-up-Events auf Sylt und auf Kongressen in Wien und München geplant. Nicht nur die 37.000 Follower*innen der Marke dürfte das freuen. 

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Kess Berlin lädt die Kund*innen ebenfalls dazu ein, die Produkte live zu testen. (© Kess)

Pop-up-Stores schaffen Orte der Begegnung 

Diese Art der Offline-Begegnung war auch der Grund, weshalb die Beauty-Brand Kess Berlin im letzten Jahr den ersten Pop-up-Store in Berlin eröffnete – sie war nämlich zunächst nur online erhältlich. “Die Gelegenheit einen Pop-up-Store zu eröffnen war günstig und wir haben das Projekt Pop-up-Store tatsächlich durch eine tolle kreative Teamleistung und eine super Zusammenarbeit mit Fiona Bennett innerhalb weniger Wochen umsetzen können”, sagt Felix Eckert, der als Director Marketing bei Kess Berlin tätig ist.  

Er weiß, dass man Kosmetik mit allen Sinnen entdecken und erleben möchte, bevor man eine Kaufentscheidung trifft. “Das Store-Konzept fordert alle Kund*innen direkt dazu auf, unsere Produkte auszuprobieren, die Farben live zu erleben, Texturen zu fühlen und sich von der Performance der Produkte zu überzeugen”, erklärt Eckert. Außerdem sei der Space eine Art Spielplatz für die Marke, sodass die Brand auch Community-Events dort veranstalten könne. Dazu zählen Pre-Shopping-Events mit Musik, Drinks und professionellen Make-up-Sessions. Auch hier geht es nicht nur ums reine Verkaufen, sondern um das Erlebnis und die Begegnungen – was online eben nur eingeschränkt möglich ist. 

Eckert verrät: “Das größte und erfreulichste Learning lautet: Es funktioniert mit jeder Woche erfolgreicher. Online und offline können sich sehr gut ergänzen und Synergien herstellen. Beide Channels haben ganz eigene Charakteristika, die helfen können, die Zielgruppe in der Kombi noch attraktiver anzusprechen.” Genau deshalb hat Kess Berlin den Pop-up-Store nun bis Ende des Jahres verlängert. 

Echte Gespräche, echt viel Arbeit 

In München neigt sich das Female-Funding-Event langsam dem Ende zu. Victoria Arnhold ist sichtlich erleichtert und hat sich nach den Pitches der Startups auch unter die Menge gemischt. Hier kommen alle aus der Community zusammen: Gründerinnen, Investorinnen, Interessierte. Was alle vereint, und aus einzelnen Gesprächen hervorgeht, ist, dass diese Art des Austauschs deutlich intensiver ist, als er online sein könnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Abend ist oder, wie in anderen Fällen, ein paar Tage oder Monate. Denn am Ende macht es genau das aus: Dass es Momente sind, die durch Konzepte wie Roadshows oder Pop-ups, so knapp und besonders sind. 

(eb, Jahrgang 1993) ist freie Journalistin und kam vom Modejournalismus über Umwege zum Wirtschaftsjournalismus. Sie kann sich schnell für neue Themen begeistern, führt am liebsten Interviews und hasst Stillstand – was das Pendeln zwischen Bayern und Berlin umso leichter macht.