Von Friedemann Kohler, dpa
Für den Onlinehandel sind Retouren ein Problem, Ralf Hastedt macht daraus ein florierendes Geschäft. Täglich bringen 15 bis 20 Lastwagen Waren zu seiner Handelsfirma Avides in das Dorf Hemsbünde zwischen Hamburg und Bremen. Vieles davon haben Verbraucher an große Versandhändler wie Amazon zurückgehen lassen, manchem Stück hätte die Entsorgung im Müll gedroht.
„Wir sehen uns als Lebenszyklenverlängerer“, sagt Hastedt. Avides prüft die Waren, verpackt sie neu und bringt sie doch noch an die Frau oder den Mann. 10.000 bis 15.000 Notebooks, etwa 20.000 Fernseher, 300.000 Kleidungsstücke wandern jährlich über den Hof.
Flut der Retouren
Beim Aufschwung des Online-Bestellens ging es in den ersten Jahren um ein garantiertes Rückgaberecht und sicheres Bezahlen für die Kunden. Nun geht es um die Flut der Retouren. Dabei ist die Ware meist völlig in Ordnung. Doch die Kunden bestellen drei Hosen verschiedener Größen und lassen die zwei zurückgehen, die nicht passen. Oder die Wunschkamera findet sich billiger auf einem anderen Portal.
Jedes sechste Paket, jeder achte bestellte Artikel wurde 2018 laut der Studie Retourentacho der Universität Bamberg zurückgeschickt. Das waren 487 Millionen Artikel, die umsonst durch die Republik gekarrt wurden. Die Bearbeitung jedes Artikels kostete die Händler im Schnitt 11,24 Euro. „Das ist für die Umwelt übelst“, sagt Hastedt über die Retouren, selbst wenn sie sein Geschäft sind. Die ökonomischen und ökologischen Kosten beschäftigen mittlerweile auch die Politik.
In den meisten Fällen verkaufen die Versandhändler die zurückgegebene Ware selber. Wenn aber Lagerung, Transport und Arbeit zu teuer werden, kommen sogenannte Reseller wie Avides ins Spiel. „Diese Dienstleister können durch bessere Auslastung die Fixkosten besser verteilen. Sie finden mit ihrem Fachwissen effizient andere Verwerter“, sagt Björn Asdecker vom Forschungsschwerpunkt Retourenmanagement in Bamberg. „Ich betrachte das Geschäftsmodell eher positiv, weil man damit eine weitere Stufe der Verwertung hat.“
Umsatz: 54,2 Millionen Euro
Hastedt und sein Partner Christoph Burmester fingen 1997 an, im Netz CDs und DVDs zu verkaufen. „Wir waren Pioniere im Internethandel.“ 2000 gründeten sie eine AG, weil sie sich „von den Garagenfirmen abheben“ wollten. 2002 stiegen sie ins Reselling (Wiederverkauf) ein. Seitdem ist Avides gewachsen, Filialen entstanden in Großbritannien und Polen. 2017 machte die Avides Media AG mit 173 Mitarbeitern einen Umsatz von 54,2 Millionen Euro, so der Jahresabschluss.
Nicht alle Reseller haben das gleiche Geschäftsmodell. Rebuy in Berlin kauft gebrauchte Elektronik, Bücher und CDs bei Privaten und verkauft sie wieder. Retourenking in Birkenfeld (Baden-Württemberg) verkauft teils an privat. Für Händler gibt es billig Paletten unsortierter Retouren oder Restposten – Weiterverkaufswert ungewiss.
Bei Avides werden Mischposten aufgelöst. Die Kunst liegt darin, für jeden Artikel den richtigen Abnehmer zu finden. „Wir sind zu einer Drehscheibe geworden“, sagt Hastedt. „Der eine braucht Grafikkarten, der andere Turnschuhe.“ An Endverbraucher verkauft Avides unter dem Namen Sediva auf Plattformen wie Amazon oder real.de.
Die Waren werden in riesigen Hallen nach Qualitäten sortiert. „In der Elektronik sind das 70 oder 80 Kategorien“, so Hastedt. Da gibt es neue Handys originalverpackt. In einen zweiten Karton wandern neue Handys mit beschädigter Packung, in einen dritten Geräte mit leichten Gebrauchsspuren – auch das können einige Händler brauchen. Und bei noch einer Kategorie müssen einzelne Geräte repariert werden. Deren Abnehmer sitzt dann oft nicht in der EU, sondern etwa in der Ukraine.
Mehrere Männer sortieren auch Flaschen harter Alkoholika – eine Folge dessen, dass Amazon vermehrt Lebensmittel und Getränke verkauft. Aber nicht alle Waren bei Avides sind Retouren. Auch wenn Produzenten die Modelle wechseln oder die Lager räumen, bringt Hastedt Restbestände „nicht marktstörend“ unter, zum Beispiel eine Partie Schlagbohrer.
„Mit Apple werden wir uns nicht anlegen“
Elektroschrott wird entsorgt und auch Plagiate fliegen auf den Müll, so haufenweise Apple-Ohrhörer AirPod. „Mit Apple werden wir uns nicht anlegen“, sagt Hastedt. Berichte über das massenhafte Wegwerfen zurückgegebener Waren haben zuletzt Wellen geschlagen. Nach Asdeckers Forschungen werden aber nur etwa vier Prozent der Retouren entsorgt oder verschrottet. Doch er sieht in dieser Frage auch die Weiterverkäufer in der Pflicht. „Reselling hilft zunächst zu vermeiden, dass Waren bei den Händlern entsorgt werden. Unklar ist aber, in welchem Ausmaß das Entsorgungsproblem nur verlagert wird.“
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