In den 80er schaltete das Unternehmen, nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“, um und positionierte sich klar als
designorientierter sowie technisch hoch qualitativer Anbieter von Video- und
Audioprodukten. Mit der Besinnung auf den Markenkern – bereits in den 20er des
letzten Jahrhunderts hatte man die legendäre dreifach-Röhre erfunden und 1931
präsentierte das Unternehmen das erste elektrische Fernsehen auf der Berliner
Funkausstellung – fokussierte Loewe innovative Technik und das in einem
Premiumsegment. So brachte das Kronacher Unternehmen im Jahr 1998 das erste
TV-Gerät mit integriertem Internetzugang auf den Markt. Die Weiterentwicklung
flacher Plasma-Bildschirme oder zukünftig die Integration von Festplatten in TV-Geräten zum zeitunabhängigen Konsum von Programmen geht ebenfalls auf das Konto der High Tech-Schmiede.
Heute steht Loewe in Deutschland wertanteilsmäßig an dritter und in Europa an
fünfter Stelle. Das mittelständische Untenehmen hat damit sogar die großen Anbieter das Fürchten gelehrt oder wie es Laudator Dr. Thomas Andresen formulierte: „Wenn ich an Löwe denke, fällt mir immer Asterix ein. Auch Loewe lässt die Großen alt aussehen.“
Gibt es eine generelle Krise?
Loewe scheint mit seiner Entwicklung insbesondere dem Keynote-Redner des Marketing-Tages Prof. Dr. Hermann Simon, Chairman von Simon Kucher&Partners recht zu geben.
Denn der Berater hatte eben diese Faktoren wie Innovation, tiefes
Kundenverständnis und eine starke Marke als Grundlage für offensives Marketing
in seinem Vortrag angemahnt. Nur so könnten heute Unternehmen
noch wachsen und expandieren.
So gehe es keineswegs allen Unternehmen schlecht, betonte Simon. Vielmehr gebe es täglich Erfolgsmeldungen, wie Unternehmensbeispiele illustrierten: Maxdata schalte auf Wachstum um, H&M verdoppele den Gewinn, Dell hebe die Ziele an, BMW schaffe neue Stellen oder Miele glänze mit Rekordumsatz.
Was zeichnet diese Gewinner aus? Mit einer klaren Marketingstrategie drehten sie die Polarisierung der Märkte zu ihrem Vorteil um, erläuterte Unternehmensberater Hermann Simon. Sie setzten entweder auf hohen „Value-to-Customer“ oder auf Preisgünstigkeit und zögen diese Positionierung mit großer Konsequenz durch.
Offensiv werben heißt in Marktanteile investieren
Auch Dr. Rüdiger Kapitza, Vorstandsvorsitzender von Gildemeister hob insbesondere die Innovation, die Globalisierung und das integrierte Marketing als die Erfolgsfaktoren für den Werkzeugmaschinenbauer hervor. Aber offensives Marketing macht sich bei Gildemeister auch monetär bemerkbar: Mit Marketingaufwendungen von 2,5 Prozent liegt Gildemeister klar über dem Branchendurchscnitt, der lediglich bei 1,5 Prozent vom Umsatz liegt.
Genau in diese Kerbe schlug auch Dr. Antonella Mei-Pochtler, Geschäftsführerin der Boston Consulting Group (BCG). Mit der aktuellen BCG-Studie zur antizyklischen Werbung versuchte die Beraterin Zusammenhänge zwischen Marktanteilen und Werbekraft herzustellen. Fazit: Je offensiver der Werbende, desto stärker die Marktanteilsgewinne. Gerade in konjunkturell schwachen Zeiten, wenn die Branche insgesamt ihre Budgets zurückfahre, habe man die Möglichkeit, so Pochtler, mit gleichbleibenden Werbeaufwendungen, Marktanteilszuwächse zu realisieren. Für gut geführte Unternehmen sei Werbung dann sogar besonders günstig und wirkungsvoll.
Mehr Werbung wünscht sich auch T-Online-Chef Thomas Holtrop – und zwar im Internet. Das Internet als Vertriebsplattform werde immer noch verkannt, bedauerte Holtrop. Viele Unternehmen verstünden das Internet immer noch als reine
Kommunikationsinstrument. Aber die Erfahrungen zeigten, dass das Internet
Kunden ans Unternehmen binden könne. Unabgesprochen lieferte Kapitza in seinem Vortrag das Positiv-Beispiel: Seit dem der Werkzeugbauer auch einen japanischen Auftritt im Web hat, sind in Japan wahre Umsatzsprünge zu verzeichnen.
Handel noch zu wenig offensiv
Einzelhändler haben wie kaum eine andere Branche noch nach wie vor den Makel des eher defensiveren Marketeers. Entsprechend viel Spott mussten die anwesenden Händler über sich ergehen lassen. Dabei waren die Flächenüberkapazitäten noch die kleinste Kritik, die Prof. Dr. Anton Meyer, Ordinarius für BWL und Marketing an der Ludwig-Maximilians- Universität München über den Händlern ausschüttete. Angefangen bei unattraktiven Sortimenten über Mee-Too-Strategien bis hin zum unterentwickelten Store-Branding und dem Vorwurf ein schlechter Arbeitgeber zu sein, musste sich die Zunft viel anhören. So einfach wollte Kurt Götz von Ferrero den Handel nicht abserviert wissen: Discounter-Kultur und Euro-Schock machten dem Einzelhandel zu
schaffen. Zudem seien die Deutschen schon eine ganz besonderes Volk. Götz wörtlich: „Die Italiener jammern auch, aber konsumieren weiter“.
Zu Hilfe eilte auch in der durch Christioph Berdi, Chefredakteur der absatzwirtschaft, geleiteten Diskussionsrunde Alexander Raab von der Stilwerk AG: „Der Einzelhandel kommt nicht gegen die schlechte Stimmung an, die von der Presse verbreitet wird.“
Aber nicht nur der Handel empfindet die schlechte Stimmung in besonderem Maße. In Deutschland höre man allenthalben zu
häufig ein „Ja, aber“, wie Ingo Kraus von Saatchi &Saatchi in seiner Rede zum 30.
Jahren Marketing-Preis bemerkte und schuf kurze Hand die Spezies der
„Yes-Butters“. Wir bräuchten aber in Deutschland mehr „Why-notters“. Ein weiterer Beleg für die deutsche Vorliebe, gedrückte Stimmung zu verbreiten, brachte Kraus: Im angelsächsischen Bereich gebe es das Wort „Weltschmerz“ nicht, so dass die Amerikaner diesen Begriff bereits eins zu eins in ihre Muttersprache übertragen hätten. In diesem Sinne rief er den über 700 Teilnehmern des 30. Deutschen Marketing-Tages zu: „Get rid of the Weltschmerz!“
So schloss sich der Kreis, nachdem DMV-Präsident Prof. Dr. Goehrmann am Morgen bereits gemahnt hatte, dass Marketing-Fachleute mit ihrem Gespür für Marktchancen jetzt mehr denn je gefordert seien, die Rolle der Protagonisten zu übernehmen. Das Marketing war an diesem Tage mehrfach aufgerufen, in die Offensive zu gehen und in diesem Sinne lud auch Dr. Achim Schirmer (BMW) alle Anwesenden zum kommenden 31. Marketing-Tag im nächsten Jahr nach Frankfurt ein.
Christian Thunig
eingestellt am 14. November 2002
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