Sie sind eine der größten Bedrohungen für die Menschheit: Hitzewellen lassen Ernten verdorren und führen zu Hungersnöten. Bis zu 90 Prozent der fruchtbaren Flächen auf der Erde könnten bis 2050 veröden, warnt die Welternährungsorganisation FAO der Vereinten Nationen.
„Wir brauchen Getreide, das sich anpassen kann“, forderte die Biologin Kinneret Shefer kürzlich auf dem Zukunftskongress des Leipziger Think-Tanks 2B Ahead. Sie weiß auch, wie das geschehen kann: Ihr Start-up Gene Neer hat eine Methode entwickelt, wie Pflanzen sich schützen können, wenn eine Hitzewelle naht.
Die Fähigkeit, Dürren zu überstehen, sei in vielen Pflanzen genetisch bereits angelegt, sagt Shefer. Gene Neer habe einen Weg gefunden, diese Funktion nach Belieben zu aktivieren und wieder zu deaktivieren. Der Schlüssel dazu seien spezielle Moleküle, die Landwirte im Zuge der Bewässerung ausbringen oder dem Dünger beisetzen könnten. Dazu muss allerdings das Timing stimmen, wie Shefer einräumt. Dabei hilft es, dass sich die Qualität von Wetterprognosen in den vergangenen Jahren erheblich verbessert hat.
Ernteausfälle von 200 Milliarden Dollar
Kann die Rettung der Menschheit so einfach sein? Der Bedarf jedenfalls wäre enorm. Der Chemiekonzern Syngenta bezifferte die globalen Ernteausfälle 2019 auf jährlich 200 Milliarden Dollar. Und dabei wird es nicht bleiben, denn der Klimawandel verschärft das Problem.
„Dürren dauern länger, Stürme werden heftiger und Niederschläge bringen mehr Regen pro Quadratmeter“, heißt es in einem Report der Welthungerhilfe. Diese Wettereffekte träfen vor allem die ärmsten Länder der Welt schwer. Doch auch in wohlhabenden Industrienationen wächst der Schaden. In diesen Sommer verursachte eine Hitzewelle mit Temperaturen von fast 50 Grad im Westen der USA und in Kanada schwere Einbußen bei der Raps- und Weizenernte.
Gene Neer gegen permanente Genmanipulation
Gene Neer, 2016 gegründet, sitzt in der israelischen Kleinstadt Jehud, 20 Kilometer östlich von Tel Aviv. Das Gründungsteam ist klein, aber kompetent: Neben CEO Shefer ist Oded Shoseyov mit von der Partie, Professor am Institut für Pflanzenwissenschaft und Genetik in der Landwirtschaft an der Hebrew University of Jerusalem. Weitere Mitstreiter sind Nitsan Lugassi, Wissenschaftler am Volcani-Center, einer Agrarforschungsorganisation, die dem Landwirtschaftsministerium untersteht, und Roy Livneh. Der ist ein Veteran der Start-up-Szene und kümmert sich ums Business Development.
Schon bisher können Bauern da, wo es zugelassen ist, Ernteausfällen durch genetisch verändertes Saatgut vorbeugen, das Hitze besser widersteht. Flächendeckend durchgesetzt hat es sich bislang jedoch nicht, in vielen Ländern gibt es Vorbehalte. „Wir gehen jetzt den nächsten Schritt“, sagt Shefer. Genmanipulation nicht mehr permanent, sondern nur noch auf Zeit.
Effizient ist das, weil die Pflanzen, wenn sie sich gegen Hitze schützen, tendenziell langsamer wachsen und damit weniger ertragreich sind. Ist die Dürre überstanden, sollen sie mit Gene Neers Hilfe wieder wachsen wie zuvor.
Ein – Aus: Der Effekt klappt offenbar nicht nur beim Hitzeschutz, sondern ist laut Website im Rahmen einer Machbarkeitsstudie auch für die Widerstandsfähigkeit gegenüber Herbiziden nachgewiesen. Wie der Effekt im Einzelnen funktioniert, verrät die Gründerin nicht – Geschäftsgeheimnis. Offen bleibt auch, wie weit der Weg zu einem marktfähigen Produkt noch ist.
Neue Produktgruppen entstehen
Klar ist dagegen, dass das israelische Start-up nicht das einzige ist, das auf dem Gebiet forscht. Seit Jahren experimentiert beispielsweise an der University of California in Riverside ein Team um den Zellbiologen Sean Cutler unter anderem mit synthetischen Pflanzenhormonen. Sie sollen die Schließzellen (Stomata) der Blätter regulieren und auf diese Weise bewirken, dass Pflanzen nicht so schnell austrocknen.
Auch internationale Konzerne wie Bayer, BASF und Syngenta arbeiten an neuen Lösungen zur Begrenzung von Ernteausfällen, unter anderem durch die Entwicklung von Biostimulanzien – Wirkstoffe, die natürliche Prozesse in Pflanzen und im Boden beeinflussen. Sie haben sich in den vergangenen Jahren als neue Produktgruppe neben Dünger und Pflanzenschutzmitteln etabliert.
Noch ist der Markt mit einem weltweiten Umsatz von 2,19 Milliarden Dollar vergleichsweise klein, laut der amerikanischen Prognosefirma Research and Markets wird er bis 2028 jedoch jährlich um 10,5 Prozent wachsen.