In vielen Ländern der Welt werden aktuell die Corona-Maßnahmen langsam aber sicher reduziert. Was aber mit Sicherheit für längere Zeit bleiben wird, ist eine Zeit der Unsicherheit und damit verbunden auch eine Zeit der Wirtschaftskrise. Vom Standpunkt der Positionierung aus sollten Unternehmen diese Zeit nutzen, um sich und ihre Marken auf den strategischen und operativen Prüfstand zu stellen. Insbesondere sollten dabei die folgenden sechs Punkte im Auge behalten werden:
1. Die Positionierung überdenken
Gerade in Zeiten, in denen Unternehmen schnelle Umsätze benötigen, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen, versuchen viele, alle und jeden kurzfristig zu erreichen. Gleichzeitig werden in diesem Zusammenhang oft die Preise massiv gesenkt. Nur auf lange Sicht kann dies für eine Marke oder ein Unternehmen sehr gefährlich werden, insbesondere dann, wenn es zu einer gefährlichen Preisspirale nach unten führt. Besser: Überlegen Sie genau, wofür Ihre Marke oder Ihr Unternehmen in Zukunft stehen soll. Nehmen Sie etwa Strasser Steine. Dieses Unternehmen war vor der Übernahme durch Johannes Artmayr ein weiterer österreichischer Natursteinanbieter unter vielen anderen und massiv in der Krise. Statt in dieser Situation auf tiefere Preise und massive Kostensenkungsprogramme zu setzen, fokussierte Artmayr die Marke auf Küchenarbeitsplatten aus Naturstein. Heute ist Strasser der Steinspezialist in der Küche und international auf Erfolgskurs. So ist es auch interessant, dass Marken wie BMW oder KTM ihre langfristigen Erfolgspositionen in einer Phase der Krise fanden.
2. Das Marketing überdenken
Wenn Unternehmen sparen müssen, dann ist oft einer der ersten Bereiche für den Rotstift das Marketing und hier vor allem die Werbung. Auch das mag instinktiv richtig erscheinen. Nur wenn man Langzeitstudien zu diesem Thema analysiert, zeichnet sich ein anderes Bild ab. Diese zeigen nämlich, dass man am besten in Zeiten von Krisen Marktanteile gewinnen kann. Laut einer Studie von GfK/Serviceplan sind dabei vor allem zwei Faktoren entscheidend: Antizyklisches Verhalten, also in das Marketing investieren, wenn der Großteil abwartet oder einspart. Zweitens: Positionierungsgerechte Innovationen, die die eigene Marke stärken.
3. (Digitale) Innovationen überdenken
So gesehen sollte man jetzt aktiv darüber nachdenken, welche Innovationen man in der Pipeline hat, die man – strategisch überlegt – auf den Markt bringen könnte. Heißt: Statt etwa einseitig auf Preisaktionen zu setzen, sollte man überlegen, mit welcher Neuheit – egal ob Produkt oder Dienstleistung – man jetzt bei den Kunden punkten könnte. Gleichzeitig sollte man dabei auch mitüberlegen, welche digitalen Lektionen man in der Krise gelernt hat, egal ob im Bereich Online-Shop, Video-Konferenz oder Nutzung von Social-Media. Hier können sich in der Krise strategisch und operativ ganz neue Chancen in der Kundengewinnung und Kundenbindung ergeben haben, die man auch zukünftig verstärkt nutzen sollte. Vor allem aber sollte man digitale Defizite, die man in der Krise erkannt hat, schnellstmöglich beseitigen. So waren die Unternehmen im Vorteil, die wenigstens digital mit ihren Kunden im Kontakt waren.
4. Das Branding überdenken
Aber es gibt einen wichtigen Punkt, den Sie in Bezug auf Innovationen unbedingt beachten sollten. Vom Standpunkt der Positionierung aus betrachtet gibt es zwei Arten von Innovationen: Zum einen sind das Innovationen, die perfekt zu Ihrer aktuellen Marken- oder Unternehmenspositionierung passen. Zum anderen sind es Innovationen, die vielleicht nicht so perfekt zu Ihrer Marke oder Ihrem Unternehmen passen. Im zweiten Fall haben Sie – speziell unter Beachtung der Ressourcen Ihres Unternehmens – zwei Möglichkeiten: Sie sollten die Innovation nicht auf den Markt bringen, da sie der Gesamtposition Ihrer Marke langfristig schaden könnte. Viele Marken sind in der Vergangenheit überdehnt und deprofiliert worden. Das Ergebnis: Kurzfristiges Wachstum, langfristige Probleme. Wenn Sie allerdings glauben, dass es sich wirklich um eine wichtige Innovation handelt, sollten Sie eine neue Marke oder Submarke mit einer neuen eigenständigen Positionierung auf den Markt bringen. Dabei sollte eine mögliche Submarke so gewählt sein, dass diese auch einmal als eigenständige Marke funktionieren kann.
5. Die Globalisierung überdenken
Aber es gibt noch einen anderen, äußerst wichtigen Weg aus dieser Krise, nämlich den Weg der Internationalisierung. Wenn der eigene Heimatmarkt stagniert oder sogar schrumpft, sollte man sich andere Märkte ansehen. Was aber in der Regel nicht funktioniert, ist, die eigene Strategie im Heimatmarkt einfach auf andere Märkte zu übertragen. Der Grund: Die meisten Marken sind daheim „zu breit aufgestellt“, um international wirklich erfolgreich sein zu können. In diesem Fall können Sie viel von den sogenannten „Hidden Champions“ lernen. Diese haben in der Regel frühzeitig erkannt, dass die wichtigste Strategie in der Globalisierung die „Verengung des Fokus“ ist. Das bedeutet: Sie müssen wirklich die Position Ihrer Marken und Ihres Unternehmens aus einer internationalen oder gar globalen Perspektive neu überdenken, um diese dann in diesem Sinne zu schärfen.
6. „Corona-Werbung“ überdenken
Wir leben heute nicht nur in einer über-kommunizierten Gesellschaft, wir leben aktuell vor allem in einer „Corona-kommunizierten“ Gesellschaft. Die Medien sind im wahrsten Sinne des Wortes „virusinfiziert“. Jeder und jede spricht heute über das Coronavirus: Politiker, Experten, Gesundheitsorganisationen und viele, viele mehr. Egal ob Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, soziale Medien oder was auch immer, das Virus hat uns fest im Griff. Und dennoch springen Marken immer noch auf diesen „Corona-Zug“ auf, um ihn in ihrer eigenen Werbung einzusetzen. Laut einer aktuellen Nielsen-Studie wurden alleine im März 2020 Corona-Kampagnen mit einem Gesamtwert von etwa 100 Millionen Euro registriert. Vergessen Sie Corona als Werbeaufhänger! Das ist eine Geldverschwendung und mit Sicherheit keine Investition in die Marke. Denken Sie Markenpositionierung und nicht Corona-Positionierung!
Das wichtigste Jahr für Jahr
Auch wenn viele Unternehmen heute zurecht das Gefühl haben, dass sie in eine Art defensiven Strategiemodus gezwungen werden, ist es jetzt an der Zeit, den offensiven Modus zu wählen, zuerst mental (das Denken) und dann tatsächlich (das Handeln). Nur sollte man dabei immer auf eine klare langfristig ausgelegte Positionierung achten, unabhängig davon, ob man die offensive Strategie regional, national oder international verfolgt. So zeigt sich auch, dass Marken und Unternehmen mit einem klaren Profil in der Regel mehr Profit erzielen. Aus dieser Perspektive könnte das Jahr 2020 eines der wichtigsten Jahre für Ihr Unternehmen sein, vor allem wenn man 2030 zurückblickt und dann sagen kann: „In diesem Jahr haben wir für unsere Marken und unser Unternehmen langfristig die strategischen Weichen erfolgreich neu gestellt.“ In diesem Sinne: Positionierung: Die Zukunft Ihrer Marke(n), Ihres Unternehmens hängt davon ab.