Mit CRM auf die Spur zum Kunden

Die mit einem Custumer Relationship Management (CRM) verbundenen Kundensegmentierungen sind aufwändig und nicht auf die einmalige Analyse des Kundenbestandes zu beschränken. Auch wenn viele Unternehmen beabsichtigen, das Thema anzugehen, wagen nur wenige den Schritt in die Praxis. Jörg Neumann, Manager Customer Intelligence bei der Anlagebank Cortal Consors, schildert seine Erfahrungen.

Customer Relationship Management ist bei Consors Chefsache: Wir haben erkannt, dass wir nicht nur die Produktpalette, sondern die gesamte Organisation nach den Bedürfnissen der Kunden ausrichten müssen, um unsere Kundenbeziehungen erfolgreich zu gestalten. Als ersten Schritt galt es, eine zentrale Schnittstelle zwischen Marketing, Vertrieb und IT ins Leben zu rufen. Das Ziel des neuen Teams Customer Intelligence: durch einen Mix aus analytischem CRM, Kampagnenmanagement und Marktforschung eine ertragsorientierte Kundenansprache zu gewährleisten und die Segmentierung des Kundenstammes in den Mittelpunkt zu stellen.

Von der Vermutung…
Bis vor wenigen Jahren galt das Unternehmen, das seit der Fusion mit einer französischen Direktbank unter dem Namen Cortal Consors firmiert, fast ausschließlich als Anlaufstelle für so genannte Trader. Das sind Börsenprofis, für die das Kaufen und Verkaufen von Aktien oder das Spekulieren mit Derivaten so selbstverständlich ist wie für andere Menschen das Zähneputzen. Allerdings vermuteten wir, dass die Klientel keineswegs so homogen war, wie es den Anschein hatte. Unsere Marketingspezialisten beschlossen, der Zusammensetzung des Kundenbestandes auf den Grund zu gehen – mit dem Ziel, das bisherige, sehr tradinglastige Portfolio in Richtung Anlageberatung auszuweiten und damit neue Kunden anzusprechen.

Mit Hilfe einer analytischen Customer-Intelligence-Lösung (SAS) begannen wir, zunächst die bestehenden Kundendaten systematisch zu ordnen und klar voneinander abgegrenzte Segmente zu definieren. Untersuchte Analyseparameter waren Einzelmerkmale wie Tradeaktivität oder Depotvolumen, aber auch Informationen über Kundenwünsche und -bedürfnisse aus dem Call-Center oder dem E-Mail-Verkehr galt es miteinzubeziehen. Eine besondere Rolle spielte dabei ein statistisches Verfahren namens „Self Organized Maps“, eine Sonderform Neuronaler Netze.

…zur Gewissheit
Nach mehreren Analyseläufen konnten wir unsere Kunden nach ihren Verhaltensweisen und Interessen in zwei Hauptgruppen – Trader und Anleger – unterteilen, die wiederum unterschiedliche Subsegmente wie zum Beispiel Gambler, Active Trader oder Portfolio-Anleger bilden. Um Veränderungen in der Kundenstruktur schnell nachzuvollziehen und darauf reagieren zu können, ermitteln die Marketingexperten jede Woche aufs Neue, welchem Segment die Kunden aktuell angehören. Dank der Analysen kann die Abteilung Customer Intelligence nicht nur stabile Gruppen, sondern auch Wanderbewegungen zwischen den einzelnen Kategorien darstellen. Diese Informationen verwenden wir, um positive Tendenzen im Trading-Verhalten mit gezielten Aktionen zu unterstützen, oder – nicht weniger wichtig – ungünstigen Entwicklungen entgegenzuwirken.

So bietet das Unternehmen aktiv gewordenen Low Tradern ein dreimonatiges kostenloses Testabo an: zum Beispiel das „Active Trader Tool“ mit üblicherweise kostenpflichtigen Zusatzleistungen wie selbstaktualisierenden Charts oder Kurslisten. Dabei erhält nicht jeder Kunde, der vorübergehend die Zahl seiner Transaktionen erhöht, das gleiche Angebot. In einem „Prediction Model“ prüfen wir anhand bestimmter Merkmalskombinationen – etwa der Handelsfrequenz oder demografischer Daten, wie wahrscheinlich es ist, dass das Schnupperangebot den gewünschten Effekt hat, nämlich den Kunden dauerhaft in einem für das Unternehmen profitablen Segment zu verankern. Für uns hat sich dieser Analyseaufwand gelohnt. Die positive Wanderungsquote ließ sich im Vergleich zur Kontrollgruppe um ganze drei Prozent steigern.

Maßgeschneiderte Angebote
Parallel zur Segmentierung unseres Kundenbestandes ging es daran, den Vertrieb neu zu organisieren: Wir ordnen die Kundenkategorien jetzt verschiedenen Divisions zu, die sich jeweils mit Spezial-Know-how um ihre Klientel kümmern. Für die Kundengruppen der Trader, der Investoren oder der Neukunden schnüren wir individuelle Angebote. So stellen wir beispielsweise unterschiedliche Trading-Tools bereit: Die meisten Anwender nutzen ein Login für eine Website mit einem einfach zu bedienenden Konto- und Depotzugang. Demgegenüber können sich die aktiven Kunden ein Profi-Tool herunterladen, das sie so an ihre persönlichen Anforderungen anpassen, dass es sie bei ihren häufigen und komplexen Transaktionen unterstützt. Analog zu den Trading-Werkzeugen entwickelte das Marketing auch zielgruppenspezifische Newsletter (zum Beispiel für Investoren) sowie eigene Kundenklubs, Roadshows und andere Veranstaltungen. Wir schneiden neue Marketingkampagnen jetzt exakt auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Kundentypen zu. Und dies fängt im Multi-Channel-Mix der Online-Bank bereits bei der Wahl des geeigneten Kontaktkanals – Telefon oder E-Mail – an.

ABBILDUNG: DIE ANALYSEGETRIEBENE SEGMENTIERUNG BILDET DIE BASIS FÜR DIE ANLEGERTYPEN

Bei der Responseoptimierung helfen Scoringmodelle, die wir mit Hilfe eines speziellen Tools (SAS Enterprise Miners) erstellen. Die zielgruppengenaue Ansprache lohnt sich: Statt mit 50 000 Werbebriefen Mails auf wenig interessierte Kunden zu „feuern“, verschicken wir heute durchschnittlich 5 000 Anschreiben. Die Responsequote ist deutlich gestiegen – gegenüber nicht vorqualifizierten Aussendungen bis auf das 3,6-fache. Der nachweisbare ROI der Mailingaktionen liegt bei 19 Prozent. Gleichzeitig festigte sich die Kundenbindung deutlich. Dies bestätigen auch regelmäßige Umfragen unter den Kunden. Einmal im Quartal möchte die Bank von ihnen wissen, wie zufrieden sie mit den Services sind – und das Feedback wird von Mal zu Mal positiver. Inzwischen ist die Kennzahl „Kundenzufriedenheit“ fester Bestandteil unseres Bonussystems.

Geschlossener Marketingkreislauf
Die Data-Mining-Analysen der Kundendaten und die Feinjustierung der Segmente bilden einen festen Bestandteil unseres CRM-Konzepts. Wichtig ist uns der geschlossene Marketing-Kreislauf: Informationen aus dem analytischen CRM fließen in Cross-Selling-Kampagne, die wir regelmäßig unter Bestandskunden durchführen. Ein Beispiel: Aus dem Segment „Portfolio-Anleger“ lassen sich hochaffine Kunden für einen Fondssparplan herausfiltern, die dann ein Anschreiben erhalten. Das Ergebnis einer solchen Kampagne nutzen wir wieder für die Planung künftiger Aktionen.

Die IT-Basis dafür ist ein Data Warehouse, das alle kundenrelevanten Informationen vorhält und als zentrales Reporting-Instrument bereit steht. So können wir unsere Marketing-Kampagnen getrennt nach Variablen wie Wertpapiergrupppen, Segmenten und Zeitdimensionen auswerten. Alternativ lässt sich auf der Grundlage der Data-Warehouse-Daten auch ein Data-Mining starten. An das Data Warehouse angebunden ist ein System, mit dem wir Kampagnen planen, durchführen und steuern. Die Auswertungen und Berichte geben dem Marketing Auskunft, welche Kunde zu welchem Zeitpunkt, auf welchem Kanal bei einem bestimmten Angebot reagieren.

Bei Anruf: Angebot
Außer für geplante Outbound-Aktionen nutzen wir die Informationen im Marketing-Kreislauf verstärkt auch bei sich spontan ergebenden Verkaufsgelegenheiten. Ist über Data-Mining-Analysen beispielsweise bekannt, dass ein Anleger eine hohe Affinität zu einem Fondssparplan oder zu Tagesgeld aufweist, stellt das System diese Information bei einem ankommenden Kundenanruf bereit. So erhält ein Call Center Agent nicht nur die Stammdaten oder den aktuellen Kontostand des Kunden, sondern automatisch auch dessen persönliches Interesse an bestimmten Produkten. Telefonagenten können den Anrufer damit gezielt auf aktuelle Angebote, zum Beispiel auf ein neues Zertifikat oder eine Fondsaktion, hinweisen. Den Call-Center-Mitarbeitern war ihre neue Rolle als Verkäufer anfangs nicht selbstverständlich: Spezielle Schulungen hatten zum Ziel, die Mitarbeiter auf die gesteuerte Inbound-Kommunikation vorzubereiten. Die inzwischen eingeführten Bonusprogramme sind ein zusätzlicher Anreiz, den Vertrieb aktiv zu unterstützen.

Autor: Jörg Neumann ist Manager Customer Intelligence bei Cortal Consors

eingestellt am 25. Juli 2005