Massenflucht von Mitarbeitern
Entsprechend viel verbrannte Erde haben die zwölf Monaten unter dem vermeintlichen Wunderkind hinterlassen. Dass Twitter die Mitarbeiter weglaufen, erscheint fast noch als Untertreibung: Unter Dorsey hat eine regelrechte Massenflucht auf Management-Ebene eingesetzt. Selbst in der deutschen Zweigstelle verließen Neuverpflichtungen schon nach wenigen Monaten öffentlichkeitswirksam wieder den Job.
An der Börse ist die Twitter-Aktie längst zum ultimativen Prügelknaben verkommen: Kein Tief scheint tief genug, als dass es von der Twitter-Aktie weiter getestet werden wird. Bei aktuell 14,61 Dollar notierte der einstige Social Media-Liebling schon wieder 37 Prozent unter dem Startniveau des Jahres und 80 Prozent unter den Allzeithochs.
Brutaler Börsenabsturz: 80 Prozent an Wert vernichtet
Gerade einmal 10 Milliarden Dollar ist Twitter noch wert – halb soviel wie Emporkömmling Snapchat am Sekundärmarkt. Kurz nach dem IPO wurde der Kurznachrichtendienst einmal mit einem Börsenwert von mehr als 40 Milliarden Dollar bewertet.
Die Lage hat sich beim früheren Social Media-Liebling in den ersten zwölf Monaten unter Dorsey offenkundig verschlechtert. Angesichts der Nutzerstagnation, der weiter exorbitant hohen Verluste und auf Jahre nicht absehbaren Profitabilität scheinen Dorseys und Twitters Optionen inzwischen begrenzt.
„Jack Dorsey handelt zu langsam, um Twitter zu retten“
Für einen nachhaltigen Turnaround erscheint es inzwischen fast zu spät, für einen Verkauf vielleicht noch nicht. Allein: Bislang hat sich jedes Übernahmegerücht als pure Spekulation erwiesen. Es ist entsprechend schwer, potenzielle Bieter anzulocken, wenn sich das Kerngeschäft nicht so entwickelt wie von der Wall Street erwartet.
Auch für Dorsey könnte es nach dem Totalabsturz bald eng werden. „Jack Dorsey handelt zu langsam, um Twitter zu retten“, tadelte das Blogkonglomerat Business Insider von Henry Blodget den früheren Internetstar vor wenigen Wochen.
„Es ist klar, dass sie keinen Plan haben“
Wall Street-Veteran James Cramer hatte das Unheil, das mit Dorseys Beförderungen seinen Lauf nahm, unterdessen sofort nach dem Amtsantritt registriert. „Es ist klar, dass sie keinen Plan haben. Sie sagen, ‚alles ist gut‘ und ‚wir müssen nichts verändern‘ – genauso, wie es viele CEOs nach dem Platzen der Internetblase 2000 getan haben“, konnte Cramer schon den ersten skurrilen Interviewauftritt von Dorsey nicht fassen.
„Sie müssten reinen Tisch machen und erfahrenen Leute wie dem früheren eBay-CEO John Donahoe einen Sitz im Aufsichtsrat anbieten, ansonsten endet es nicht gut.“ Ein Jahr später ist klar, wie recht Cramer hatte: Das endlose Drama um Twitter hat noch einmal weiter an Dynamik gewonnen…