Miniladen für zwei Millionen Euro: das Basar-Business in Istanbul

Im Großen Basar von Istanbul sollte ein 9,2 Quadratmeter kleiner Laden versteigert werden. Wert: satte 1,8 Millionen Euro. Denn der jahrhundertealte Basarbau ist mehr als eine Touristenattraktion. Er ist Wirtschaftszentrum und Geldmagnet. Eine Ortsbegehung.
Basar
Basar in Istanbul: Selbst heute, wo die meisten Kunden Touristen sind und Pferde verboten, werden hier täglich Millionen Euro umgesetzt. (© Imago)

Von Christine-Felice Röhrs und Linda Say, dpa

Groß ist der Laden nicht. 9,2 Quadratmeter Nutzfläche ganz genau. Das Licht ist grell, der Ladentisch kurz. Am attraktivsten ist das Schaufenster. Kleine Goldplättchen an roten Schleifen schimmern dort, typisch türkische Geschenke für Hochzeitspaare. Am Freitag sollte diese Mini-Immobilie, derzeit ein Goldhandel, über ein Gericht in Istanbul versteigert werden. Ihr Wert liege bei 12 Millionen Lira, hieß es in der Ankündigung – satte 1,8 Millionen Euro. Das Lädchen liegt immerhin in einer der begehrtesten Shoppinglagen der Welt: im Großen Basar von Istanbul.

Der Basar, der ab dem 15. Jahrhundert gebaut und ausgeweitet wurde, ist vor allem bekannt als Touristenattraktion – aber er ist weit mehr als das. Er ist ein Wirtschaftszentrum, ein Massen- und Geldmagnet in einem Labyrinth aus überdachten Gängen, die dem „Kapalicarsi“, dem bedeckten Markt, seinen Namen gegeben haben.

„Eine ganze Stadt mit ihren Moscheen und Brunnen, ihren Straßenkreuzungen und Plätzen, und alles in ein diffuses Licht getaucht, wie ein dichter Wald, in den nie ein Sonnenstrahl fällt“, schrieb der italienische Schriftsteller Edmondo de Amicis im 19. Jahrhundert. „Auf diesen dämmrigen Straßen drängen sich mit ohrenbetäubendem Lärm Kutschen, Kamele und Reiter durch die wogende Menge. Überall wird man mit Rufen und Winken angelockt.“ Selbst heute, wo die meisten Kunden Touristen sind und Pferde verboten, werden hier täglich Millionen Euro umgesetzt.

Jeder im Basar weiß schon Wochen vorher, dass der Laden 162 nahe Tor 7 verkauft werden soll. „Oft wechseln Läden hier nicht den Besitzer“, sagt Rafael Dana, 68, der einige Gassen weiter traditionelle Schuhe verkauft. Grund für den Verkauf sei ein Erbstreit, sagt Hasan Firat, der Chef des Ladenbesitzer-Verbandes.

Mindestens die Hälfte des Wertes hätte ein Bieter offerieren sollen in der Versteigerung, die am Friedensgericht in Caglayan, Block B, dritter Stock, genau zehn Minuten dauern sollte. Es wäre ein guter Deal gewesen. Aber am Freitagmorgen gehen Bieter enttäuscht nach Hause: Ein Mitarbeiter des Gerichts sagt, die Erben hätten sich geeinigt, der Termin sei abgesagt.

Insgesamt gebe es 3600 Geschäfte im Basar, sagt Hasan Firat, und rund 30.000 Beschäftigte („das sind aber nur die Versicherten“). Bis zu 300.000 Besucher kämen am Tag, behauptet er, die meisten Touristen. Das ist aber nicht automatisch mit guten Geschäften gleichzusetzen.

Der türkische Markt hat schwere Zeiten hinter sich

Der Markt hat schwere Zeiten hinter sich. Spätestens nach einem Anschlag auf deutsche Touristen nicht weit vom Basar im Januar 2016, dem Putschversuch kurz darauf sowie innen- und außenpolitischen Krisen im Schlepptau dieser Ereignisse waren die Besucherzahlen eingebrochen. Die wohlhabenderen europäischen und amerikanischen Kunden blieben aus, sagt Firat, stattdessen seien „billige Araber“ gekommen: Menschen, die nicht 80.000 Euro ausgaben für Teppiche, sondern 8 für ein Keramikschälchen. Dazu kam dann eine Lirakrise.

Dem Tourismussektor geht es jetzt wieder besser. Die Besucherzahlen in der Türkei seien allein 2019 wieder um 14,3 Prozent gewachsen, auf 42,9 Millionen Touristen, hat die regierungsnahe Zeitung „Daily Sabah“ im Dezember für die ersten elf Monate des Jahres berichtet. Istanbul habe rund 13,7 Millionen Besucher angezogen.

Mehr als ein Touristenmagnet

Aber der Basar ist mehr als ein Touristenmagnet: „Das war immer und ist bis heute das Zentrum der Schmuckindustrie, aber auch anderer Branchen wie antike Teppiche“, sagt Banu Kent, eine Juwelierin, die für ihr Label „der-liebling“ hier Gold und Steine kauft und mit Handwerkskünstlern in fast verborgenen Werkstätten zusammenarbeitet.

Der Markt hat für diese geheime Welt des Großhandels sogar eine Art eigene Währung: Statt mit Barem, zahlen Kunden mitunter mit Gold – genauer, mit Goldscheiben, die aussehen wie Bierdeckel. Je nach Wert der Ware wird mit einer Schere ein Stückchen abgeschnitten.

Wie viel Umsatz genau im Basar täglich erwirtschaftet wird, kann oder will Hasan Firat nicht sagen. In seinem Laden hängt gerahmt ein zehn Jahre alter Artikel, in dem er sagt, es seien 20 Millionen Dollar. Damals sei noch täglich die Zentralbank gekommen, um Devisen zu kaufen, sagt Firat. Heute sei es anders, sagt er – obwohl es so nicht wirkt: Im Basar geht das Handeln und Kaufen, Schauen und Staunen weiter wie eh und je. Edmondo de Amicis hat es so geschrieben: „… bis euch eine verrückte Lust packt, Geldbörse, Uhr und Mantel von euch zu werfen und zu schreien: Beladet mich mit allem!“