China investiert massiv in Afrikas Infrastruktur
Die Chinesen haben die Chancen Afrikas früher erkannt als Europäer und Amerikaner und investieren massiv in die Infrastruktur, auch mit geopolitischen Zielen. Ende Mai wurde die 472 Kilometer lange neue Bahnstrecke zwischen Mombasa und Nairobi eingeweiht, gebaut von der China Road and Bridge Corporation. Ein Jahr zuvor wurde, ebenfalls unter chinesischer Beteiligung, die Verbindung Addis Abeba Dschibuti eröffnet. Ähnliche Vorhaben laufen in Nigeria, Angola, Tansania und im Sudan. Und das sind nur die Bahnprojekte – chinesisches Kapital fließt auch in Straßen, Brücken, Kraftwerke und Häfen.
Auch bei Konsumgütern wie Fahrrädern oder Elektroartikeln sind Anbieter aus Asien ihren Konkurrenten aus Europa in der Regel voraus. Das liegt nicht nur daran, dass es manchen etablierten Spielern an Pioniergeist fehlt. Unternehmen aus Schwellenländern haben häufig ein intuitives Verständnis für die Bedürfnisse von Kunden aus der Dritten Welt. „Dieser Markt hat seine eigenen Regeln“, sagt Vijay Mahajan, ein indischstämmiger Marketingprofessor aus Austin (Texas), der seit vielen Jahren über Afrika forscht. „Noch nicht viele Afrikaner kaufen einen Mercedes, aber viele kaufen ein Fahrrad. Chinesische und indische Firmen sind erfolgreich, weil sie solche Strukturen aus ihrer Heimat kennen.“ Zudem lassen sich chinesische Unternehmen von Korruption oder Menschenrechtsverletzungen, die westliche Firmen vor einem Markteintritt zögern lassen, kaum abschrecken.
Allerdings zieht der Kontinent auch Wagemutige aus anderen Ländern an, sogar aus dem Silicon Valley. In Kigali traf Haas das Team von Zipline, das Blutkonserven mit Drohnen in abgelegene Krankenhäuser transportiert. Gegründet wurde die Firma im kalifornischen Städtchen Half Moon Bay, Einsatzort ist seit 2016 jedoch Ruanda. Mehr als 100 000 Kilometer sind die Drohnen bereits geflogen, über 2 600 Blutkonserven wurden zugestellt. Das geht viel schneller und ist zuverlässiger als der Transport über schlechte Straßen.
Das spektakuläre Projekt funktioniert so gut, dass Zipline jetzt nach Tansania expandiert, wo über zwei Drittel der Bevölkerung auf dem Land leben. Vier Verteilzentren werden mit je 30 Fluggeräten ausgestattet, die größte Drohnenlieferflotte der Welt. „Millionen Menschen sterben jedes Jahr, weil sie nicht rechtzeitig medizinisch versorgt werden“, sagt Zipline-CEO Keller Rinaudo. „Afrika zeigt der Welt, wie’s geht.“ Da ist er wieder, der Traum vom Paradigmenwechsel.
Gute Ideen sind in Kampala weniger wert als in Kalifornien
Selbst in Äthiopien, wo sich die Regierung auf den Ausbau der Landwirtschaft konzentriert, gibt es in der Hauptstadt Addis Abeba eine Handvoll Inkubatoren. Darunter IceAddis, die zugleich den ersten Coworking-Space der Hauptstadt bieten, und Blue Moon, die auf Agtech spezialisiert sind und Innovation in der Landwirtschaft voranbringen wollen. Noch wagen sich zu wenige Investoren nach Afrika. Von den 127,4 Milliarden Dollar Wagniskapital, das Finanzierer 2016 weltweit vergaben, flossen nach Berechnungen von NY International nur 129 Millionen Dollar nach Afrika – weniger als ein Prozent. „Man kriegt für eine gute Idee in Afrika weniger Geld als im Silicon Valley oder in Europa“, ist auch Haas’ Erfahrung. Immerhin gibt es neuerdings Konferenzen wie Seedstars Summit, die Unternehmer und Geldgeber aus Entwicklungsländern zusammenbringen.
Wer aus der Ferne auf Afrika blickt, vergisst oft, dass es sich nicht um einen monolithischen Block handelt, sondern um vollkommen verschiedene Kulturen, die nicht einmal einen gemeinsamen Binnenmarkt haben. Nur zehn Prozent aller Produkte werden nach Angaben von UNCTAD untereinander gehandelt – in Europa sind es 65 Prozent.
Kann einer von Accra aus das Schulwesen revolutionieren?
Adrien Bouillot hat Großes vor: In fünf Jahren will er mit seinem Unternehmen in 20 Ländern vertreten sein. Es sind Karrierepläne, wie sie auch in Berlin existieren oder im Silicon Valley – nur dass der gebürtige Franzose von Ghana aus versucht, das Lernen zu revolutionieren. Vor zweieinhalb Jahren gründete er in der Hauptstadt Accra das Start-up Chalkboard Education: Über seine App können Lehrer Lernmaterial verbreiten und überprüfen, wie ihre Schüler es nutzen. Fernunterricht wird damit effektiver – ein großer Vorteil, wenn wie so oft im ländlichen Afrika Regionen schwer zu erreichen sind. „Funktioniert überall und für jeden“, verspricht Chalkboard. Das ist offenbar keine Übertreibung, denn die App lässt sich auch ohne Internet einsetzen und auf einfachen Handys.
Zu Bouillots Kunden gehört die Universität Ghana, er beschäftigt bereits sechs Mitarbeiter. Sie sitzen im Impact-Hub, einem Coworking-Space in Accra. Wobei ein Hub in Afrika etwas deutlich anderes sei als ein Hub in Berlin, sagt Haas, der Bouillot dort besuchte: „Tische, Stühle, Internet. Keine Blumenecke, keine teure Kaffeemaschine.“ Dafür brüht vor dem Impact-Hub in Accra ein Straßenhändler frischen Kaffee auf – schon wieder ein Arbeitsplatz mehr.
So viele Beispiele, die Hoffnung machen. Doch bei aller Begeisterung bleibt Haas Realist. Rahmenbedingungen wie schlechte Infrastruktur, Kapital- und Fachkräftemangel, Korruption und Bürokratie behindern den Aufbau einer Szene. „Es ist ein Marathon, man wird nicht morgen reich. Aber wir sollten den Markt perspektivisch schon deshalb ernst nehmen, weil er so groß ist.“ Haas’ Botschaft für deutsche Unternehmen lautet: Schaut euch den Kontinent unvoreingenommen an und prüft, ob ihr dort Kooperationspartner findet, Zulieferer und Personal. Ignoriert ihn nicht, nur weil er ein schlechtes Image hat – „das wäre fahrlässig“.
Das Risiko, in stabilen Ländern wie Ruanda oder Botswana zu investieren, so glaubt er, sei nicht größer als das in Albanien oder Saudi-Arabien. „Der Haupttreiber für wirtschaftliche Entwicklung ist Frieden.“