Milchbaron Theo Müller wird 80 – und leitet Generationswechsel ein

Theo Müller übergibt seinen Aufsichtsratssitz seinem ältesten Sohn Stefan und stellt damit die Weichen für seine Nachfolge. Der fast 80-jährige Firmenpatriarch machte seine Dorfmolkerei zu einem Milliardenkonzern. Reichlich Werbung und das Erschaffen neuer Markenprodukte sorgten für das schnelle Wachstum in der klassischen Milchbranche.
Der Firmenpatriarch Theo Müller (l.) und sein ältester Sohn Stefan 2011 bei einem Firmenevent in der Müller-Großmolkerei im sächsischen Leppersdorf. (© Imago)

Aus einem Dorfunternehmen mit vier Beschäftigten machte er einen internationalen Konzern mit rund 24.000 Mitarbeitern und einem Milliardenumsatz. Seine Fernsehwerbung berieselte die Deutschen Jahrzehnte lang so ausgiebig, dass der Slogan „Alles Müller, oder was?“ zum geflügelten Begriff wurde. An diesem Mittwoch wird Theobald „Theo“ Alfons Müller 80 Jahre alt. Doch wie der Mann, der auch als „Milchbaron“ bekannt ist und neun Kinder hat, die Nachfolge seines Unternehmens regeln will, war bisher nicht bekannt.

Doch nun kündigt sich ein Generationswechsel an der Spitze des Molkereikonzerns an: Theo Müller zieht sich aus dem Aufsichtsrat zurück und übergibt sein Mandat seinem ältesten Sohn Stefan. Unternehmenssprecher Alexander Truhlar bestätigte am Montag einen entsprechenden Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Ab 1. Februar bestehe der Aufsichtsrat aus dem 52-jährigen Stefan Müller, seinem Schwager Andreas Hoh, dem Rechtsanwalt Rainer Lorz und dem ehemaligen Kuka-Vorstandschef Till Reuter, der das Kontrollgremium leite. Theo Müller sagte der „FAS“: „Ich bin froh, dass Stefan wieder da ist.“

Stefan Müller kehrt zum Familienbetrieb zurück

Das älteste seiner neun Kinder hatte Betriebswirtschaft studiert und zeitweise die große Müller-Molkerei im sächsischen Leppersdorf bei Dresden geleitet, ist nun aber Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens in Königsbrunn bei Augsburg, Colostrum Biotec. Theo Müller lebt seit 2003 am Zürichsee in der Schweiz.

Sowohl Müller selbst als auch sein Unternehmen treten in der Öffentlichkeit eher schweigsam auf. Details zu geschäftlichen Vorgängen werden nicht allzu gern erörtert, schon gar nicht was das Erbe angeht. „Wir sind bei Personalien per se zurückhaltend“, hatte Unternehmenssprecher Truhlar erst vor Kurzem der dpa gesagt.

Werbung mit Gerd Müller und Boris Becker

Im Jahr 1971 hatte Theo Müller den Familienbetrieb im Dorf Aretsried übernommen, heute ein Ortsteil der Gemeinde Fischach im Landkreis Augsburg. Einerseits setzte der Geschäftsmann auf umfangreiche Werbekampagnen, um seine Landmolkerei überregional bekannt zu machen. Prominente Fußballer wie Namensvetter Gerd Müller, Entertainer Harald Juhnke oder Tennisidol Boris Becker priesen die Produkte aus Schwaben an.

Andererseits setzte das Unternehmen nicht nur auf Massenartikel wie Frischmilch, sondern kreierte neue Produkte in der klassischen Branche. So kam der „Joghurt mit der Ecke“ auf den Markt, bei dem etwas Müsli zum Unterrühren in einer Ecke des Bechers mitgeliefert wird, die man umknicken kann. Müllers fertiger Milchreis wurde in den 1980er Jahren ebenfalls zum beliebten Pausensnack und die „Müllermilch“, ein Mixgetränk mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, wurde zum Synonym für das ganze Unternehmen. Der Milchindustrieverband sieht es als beispielhaft für die Branche an, wie das schwäbische Unternehmen solche Artikel mit Kampagnen begleitet eingeführt habe. „Theo Müller wurde da auch oft kopiert“, sagt Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser. Der Unternehmer habe es verstanden, seine Produkte für den Markt zu veredeln.

Marken wie Weihenstephan, Sachsenmilch und Homann übernommen

Heute gehören auch Marken wie Weihenstephan, Sachsenmilch oder die Feinkostanbieter Nadler und Homann zur Müller-Gruppe, die ihren Sitz inzwischen in Luxemburg hat und auch in Israel und China aktiv ist. Für 2018 gibt der Konzern 5,9 Milliarden Euro Umsatz an. Darin sind allerdings auch noch die Zahlen der mittlerweile verkauften Fisch-Fastfood-Kette Nordsee mit mehr als 350 Filialen enthalten. Die neue Bilanz für 2019 liegt noch nicht vor, Ergebniszahlen veröffentlicht die Unternehmensgruppe nicht.

Außerhalb Deutschlands ist Müller besonders in Großbritannien aktiv. Doch auch bei den Schwierigkeiten, die der Brexit mit sich bringt, hält sich Müller mit öffentlichen Kommentaren zurück. „Der Brexit ist für alle Unternehmen, die da aktiv sind, das gleiche Thema“, sagt Truhlar. Die Kollegen bereiteten sich auf den Austritt aus der EU vor. Dabei habe das Unternehmen den Vorteil, dass die gesamte Rohmilch für die britischen Töchter von der Insel komme. In diesem Bereich gebe es keinen Austausch mit Kontinentaleuropa.

Protestierenden Bauern kurzerhand gekündigt

In der Vergangenheit musste sich Müller auch immer wieder mit Kritik auseinandersetzen – dabei reagiert das Unternehmen mitunter auch mit Härte. Als 2008 Bauern vor dem Stammsitz in Aretsried für höhere Milchpreise demonstrierten, erhielten einige von ihnen postwendend die Kündigung als Lieferant.

Zwei Jahre später musste sich das Bundesverfassungsgericht mit einer Klage Müllers gegen Greenpeace beschäftigen. Die Umweltschutzorganisation hatte die Produkte des Unternehmens als „Gen-Milch“ angeprangert, weil Kühen gentechnisch verändertes Futter gegeben wurde. Das Unternehmen verlor den Prozess. Inzwischen äußert sich Greenpeace wieder positiver über Müller: Einige Produkte des Unternehmens seien bereits auf gentechnikfreie Milch umgestellt worden, erklärt Greenpeace-Sprecherin Stephanie Töwe.

Nach der Wahrscheinlichkeit dachte ich, dass mir das nicht zwei Mal passiert.“

Theo Müller darüber, wieso er nach einem fehlgeschlagenen Entführungsversuch keinen Personenschutz engagierte

Die Härte Theo Müllers selbst erlebten 1995 auch Gangster, die den Patriarchen bei einer Autofahrt als verkleidete Polizisten stoppten, um Müller zu entführen. Als ihn die bewaffneten Männer in einen Kastenwagen zerren wollten, riss sich Müller los. Der Haupttäter erschoss sich nach der gescheiterten Entführung, gegen mutmaßliche Komplizen gab es Prozesse. Als Müller in einem der Verfahren als Zeuge aussagte, wurde er gefragt, ob er sich als Reaktion nun Leibwächter engagiert habe. Müller verneinte: „Nach der Wahrscheinlichkeit dachte ich, dass mir das nicht zwei Mal passiert.“

Danach sorgte der Privatmann Müller insbesondere mit seinem Umzug 2003 in die Schweiz noch einmal für Schlagzeilen. Er verteidigte dies damals damit, dass seine Erben sonst in Deutschland Erbschaftssteuer in dreistelliger Millionenhöhe zahlen müssten. „Das ist extrem existenzgefährdend für ein Unternehmen, in dem eigentlich alles in Ordnung ist“, meinte er damals.

dpa/tht

* aktualisiert am 27. Januar um 14:10 Uhr