Mietstundungen wegen Corona: Adidas & Co empören Politik

Um ihre Kosten bei fehlenden Einnahmen zu drücken, setzen große Unternehmen Mietzahlungen für ihre Filialen aus. Die Justizministerin weist darauf hin, dass das auch in der Corona-Krise nicht einfach so geht. Und der Adidas-Chef Kasper Rorsted stellt etwas klar. Ein Überblick.
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Adidas, H&M und Co wollen Mieten eigener Läden aussetzen: "Unverantwortlich" und "unanständig" oder "erschreckend und falsche" Kritik? (© Imago)

Der Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte großer Unternehmen hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Mehrere Bundesminister, der Deutsche Mieterbund und der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierten das Vorgehen scharf. Bekannte Handelsunternehmen hatten die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland eingestellt, nachdem diese wegen der Coronavirus-Ausbreitung schließen mussten. Darunter sind Handelsketten wie Deichmann und H&M sowie der Sportartikelkonzern Adidas.

Deichmann sprach von einer „präventiven Maßnahme, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten“. Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted stellte mittlerweile klar, der Sportartikelkonzern wolle privaten Vermietern seiner Läden unverändert die Miete zahlen. „Es geht nicht darum, die Miete für den April nicht zu bezahlen. Es geht um eine Stundung. Wir sind dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch. Und um es genauso deutlich zu sagen: Wir reden nicht über den kleinen Sporthändler an der Ecke, wir reden ausschließlich über unsere eigenen Läden, die wir selbst betreiben“, sagte Rorsted der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Montag.

Laut „Handelsblatt“ geht es bei Adidas in Deutschland um 26 Läden, die im Wesentlichen von großen Gesellschaften vermietet würden. Nur vier Verträge beträfen Privatleute, und die seien von der Mietstundung ausgenommen, wird der Konzern zitiert. Die betroffenen Vermieter der meisten eigenen Geschäfte sind hauptsächlich großer Immobilienvermarkter und Versicherungsfonds. Diese hätten laut CEO Rorsted für den vorläufigen Mietzahlungsstopp „überwiegend Verständnis gezeigt“.

Adidas-CEO Rorsted verzichtet auf Gehalt

Trotz eines Jahresgewinns von 1,9 Milliarden Euro habe sich durch die Corona-Pandemie auch bei Adidas die Lage „dramatisch verändert“, berichtet das „Handelsblatt“ weiter. Lediglich in drei Ländern weltweit laufe das Geschäft noch halbwegs normal: in China, Südkorea und Japan. In Europa, Nordamerika, Lateinamerika, in vielen Schwellenländern und Teilen Asiens seien jedoch die Läden geschlossen. Dort erwirtschafte der Konzern in normalen Zeiten aber 60 Prozent vom Umsatz.

Der Adidas-CEO Rorsted habe daher sein Gehalt vorübergehend um die Hälfte gekürzt, er verzichtet angeblich zunächst monatlich auf rund 80.000 Euro.

Kritik aus der Politik: „unanständig“, „irritierend“, „unverantwortlich

Unter anderem Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich zuvor empört über die geplanten Mietstundungen von Adidas gezeigt: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, sagte sie. Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Es gelte weiterhin: „Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden.“

Gerichte könnten überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, fügte Lambrecht hinzu. Mieter seien gut beraten, mit ihren Vermietern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, wenn sie tatsächlich in Zahlungsschwierigkeiten seien, sagte Lambrecht.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte es in der „Bild am Sonntag“ irritierend, „wenn große Unternehmen einfach so einen Mietzahlungsstopp verkünden. Jetzt ist die Zeit der Kooperation.“ Zu einer guten Geschäftsverbindung gehöre auch, sich in schweren Zeiten miteinander zu verständigen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dem „Handelsblatt“: „Ich halte das Verhalten von Adidas für unverantwortlich und habe dafür kein Verständnis.“

Auch Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, zeigte sich entrüstet: „Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen. Diese großen Firmen verdienen hervorragendes Geld und berufen sich jetzt auf ein Gesetz, das doch die Kleinen schützen soll“, sagte er der „Bild“. Der Präsident von Haus & Grund, Kai Warnecke, sagte dem Blatt: „Die Handelsketten nehmen das Gesetz vorsätzlich zum Anlass, um Mietzahlungen auszusetzen. Das ist absolut missbräuchlich. Es untergräbt die Zahlungsmoral.“

Ex-Kaufland-Manager Fergen: Politiker-Aussagen in höchstem Maße erschreckend und falsch

Unterstützung für Adidas, Deichmann und andere Unternehmen kommt unter anderem vom Unternehmensberater Bruno Fergen. Der frühere Kaufland-Manager habe sich laut der „Wirtschaftswoche“ in einem Brief an Justizministerin Lambrecht gewandt. Darin weist er darauf hin, dass die Unternehmen sich an geltendes Recht hielten. Ihnen als Justizministerin vorzuwerfen, sie handelten unsolidarisch, sei in seinen Augen „höchst bedenklich“. Ihre Äußerungen gegenüber Unternehmen wie Adidas oder Deichmann seien „in höchstem Maße erschreckend und falsch“.

Demnach entfalle in allen Fällen, in denen der Mieter aufgrund behördlicher Verordnung seinen Geschäftsbetrieb schließen muss und die Mietfläche vom Mieter nicht mehr zum vertraglich vereinbarten Zweck genutzt werden könne, dessen Leistungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter. „Dass diesen daran kein Verschulden trifft, ist unerheblich“, so Fergen.

Manager aus der Modebranche erwarten drastische Umsatzeinbrüche

Ungeachtet der aktuellen Empörung um die Mietstundungen in Deutschland erwarten Top-Manager aus der globalen Modebranche durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr Umsatzeinbrüche von 20 bis 25 Prozent. Das geht aus einer Befragung von 25 Vorstandsvorsitzenden und Finanzvorständen großer Modekonzerne durch die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hervor. Noch deutlicher als der Umsatz – nämlich um 35 bis 40 Prozent – werde das operative Ergebnis (Ebitda) einbrechen, prognostizierten die Manager. Die Modebranche kommt weltweit BCG zufolge auf einen Umsatz von 1,35 Billionen Euro.

Eine Chance zur Schadensbegrenzung sehen die befragten Manager im Ausbau des Online-Geschäfts. Hier seien Umsatzsteigerungen von 10 Prozent möglich, was aber nicht ausreicht, die generellen Ausfälle wettzumachen. Bislang entfallen rund 21 Prozent der Modeumsätze auf das Internet.

Mehr als die Hälfte der Befragten zeige sich skeptisch, dass das Modegeschäft rasch wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird. Die durch die Krise ausgelöste Rezession und wachsende Arbeitslosenzahlen könnten die Kauflust nachhaltig bremsen, fürchten sie.

Befragt wurden Manager aus den USA, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien, Schweden und China.

mit Material von der dpa

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.